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Ölhändler in Afghanistan

USA ernennen Khalisad zum Sonderbeauftragten - Ein Mann von Unocal

Von Patrick Martin

Den folgenden Text von P. Martin haben wir in einer deutschen Übersetzung (aus dem Amerikanischen) per e-mail erhalten. Eine Ursprungsquelle konnten wir nicht mehr feststellen. Wir bitten um Nachsicht. Wir haben den Text gekürzt.


US-Präsident Bush hat einen ehemaligen Berater des amerikanischen Ölkonzerns Unocal, den in Afghanistan geborenen Salmaj Khalisad, zum Sonderbeauftragten für Afghanistan ernannt. Die Ernennung wurde am 31. Dezember bekannt gegeben, neun Tage nachdem die von den Vereinigten Staaten gestützte Übergangsregierung von Hamid Karsai ihr Amt in Kabul angetreten hatte.

Die Ernennung unterstreicht die wirklichen ökonomischen und finanziellen Interessen, die hinter der amerikanischen Militärintervention in Zentralasien stehen. Khalisad hat intime Kenntnis von den langjährigen amerikanischen Bemühungen, einen direkten Zugang zu den Öl- und Gasreserven in der Region zu erlangen. Die Energieressourcen Zentralasiens sind bislang kaum erschlossen, man vermutet dort aber die zweitgrößten Vorkommen weltweit, übertroffen nur vom Ölreichtum des Persischen Golfs.

Als Berater von Unocal erstellte Khalisad eine Risikoanalyse für eine geplante Gaspipeline, die von der ehemaligen Sowjetrepublik Turkmenistan über Afghanistan und Pakistan zum Indischen Ozean führen sollte. Er nahm 1997 an Gesprächen zwischen dem Ölkonzern und Taliban-Vertretern teil, die das Ziel hatten, ein 1995 getroffenes Abkommen in Kraft zu setzen, dem zufolge die Pipeline durch Westafghanistan verlaufen sollte.

Unocal war der führende Konzern bei der Errichtung des Centgas-Konsortiums, dessen Zweck darin bestand, das Gas der Dauletabad-Feldern in Südostturkmenistan, die zu den größten der Welt zählen, dem Weltmarkt zuzuführen. Das mit zwei Milliarden Dollar veranschlagte Projekt beinhaltete den Bau einer Pipeline mit einem Durchmesser von 1,20 Meter, die von der afghanisch-turkmenischen Grenze über die afghanischen Städte Herat und Kandahar und die pakistanische Stadt Quetta verlaufen und schließlich bei Multan mit bereits existierenden Pipelines verbunden werden sollte. Eine zusätzliche Erweiterung nach Indien zum Preis von 600 Millionen Dollar war im Gespräch.

Khalisad setzte sich auch öffentlich für eine wohlwollendere Politik der amerikanischen Regierung gegenüber den Taliban ein. Vor vier Jahren verteidigte er in einem Artikel in der Washington Post das Taliban-Regime gegen den Vorwurf, dass es den Terrorismus fördere. Er schrieb: "Die Taliban praktizieren nicht die antiamerikanische Spielart des Fundamentalismus, wie sie vom Iran betrieben wird."

"Wir sollten... bereit sein, Anerkennung und humanitären Beistand anzubieten und für den internationalen Wiederaufbau der Wirtschaft zu werben", erklärte er. "Es wird Zeit, dass die Vereinigten Staaten wieder Beziehungen aufnehmen" mit dem afghanischen Regime. Diese "Wiederaufnahme der Beziehungen" wäre für Unocal selbstverständlich äußerst profitabel gewesen, da der Ölkonzern ansonsten das Gas und Öl aus dem von Landmassen umschlossenen Turkmenistan nicht auf die Märkte transportieren könnte.

Khalisad rückte von seiner Haltung gegenüber den Taliban erst ab, nachdem die Clinton-Regierung im August 1998 Ziele in Afghanistan mit Marschflugkörpern beschossen hatte und behauptete, dass Terroristen unter der Führung des in Afghanistan ansässigen Osama bin Laden für die Bombenanschläge auf amerikanische Botschaften in Kenia und Tansania verantwortlich seien. Einen Tag nach diesen Angriffen legte Unocal das Projekt Centgas auf Eis, und zwei Monate später gab der Konzern alle Pläne für eine Pipeline durch Afghanistan auf. Die Ölkreise begannen sich um ein Afghanistan nach der Taliban-Herrschaft zu kümmern, wie auch ihre Vertreter im nationalen Sicherheitsapparat Amerikas.

Verbindung zu islamischen Guerillakämpfern

Khalisad, der 1951 in Masar-i-Scharif geboren wurde, entstammt der alten herrschenden Elite Afghanistans. Sein Vater war Berater des Königs Sahir Schah, der das Land bis 1973 regierte. Als die Sowjetunion 1979 in Afghanistan einmarschierte, studierte Khalisad an der Universität von Chicago, einem intellektuellen Zentrum der amerikanischen Rechten.

Khalisad nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an und diente als Verbindungsglied zwischen dem US-Imperialismus und den islamisch-fundamentalistischen Mudschaheddin, die das von der Sowjetunion gestützte Regime in Kabul bekämpften und das Milieu bildeten, aus dem später sowohl die Taliban als auch bin Ladens Al Qaida hervorgingen. Während der Regierungszeit Reagans war Khalisad Sonderberater des amerikanischen Außenministeriums und setzte sich erfolgreich für eine verstärkte Militärhilfe der USA zugunsten der Mudschaheddin ein, unter anderem für die Lieferung der Stinger-Luftabwehrraketen, die eine Schlüsselrolle im Krieg spielten. Er wurde später, während des amerikanischen Kriegs gegen den Irak, Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter Bushs Vater und wechselte dann zur Rand Corporation, einem höchst einflussreichen Think Tank des amerikanischen Militärs.

Nachdem George W. Bush vom Obersten Gerichtshof der USA mit einer Mehrheit von fünf zu vier Stimmen als Präsident eingesetzt worden war, stand Khalisad dem Team vor, das die Übernahme des Verteidigungsministeriums durch die Regierung Bush vorbereitete, und beriet den zukünftigen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Bezeichnenderweise wurde ihm allerdings kein unterer Posten im Kabinett gegeben, was eine Bestätigung durch den Senat erforderlich gemacht und eventuell unangenehme Fragen über seine Rolle als Berater der Ölkonzerne in Zentralasien und Zwischenhändler bei den Taliban hervorgerufen hätte. Stattdessen wurde er zum Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats ernannt, wozu keine weitere Zustimmung anderer Instanzen notwendig ist.

Als Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats ist Khalisad der nationalen Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice unterstellt, die selbst bereits für einen Ölkonzern als Beraterin in zentralasiatischen Fragen gearbeitet hat. Nachdem sie von 1989 bis 1992 in der Regierung von Bush Senior tätig gewesen war, erhielt Rice einen Vorstandsposten beim Ölkonzern Chevron und diente dort als führende Expertin für Kasachstan, wo Chevron von allen internationalen Ölkonzernen die größten Konzessionen besitzt. Die Verbindungen von Präsident Bush und Vizepräsident Cheney zur Ölindustrie sind weithin bekannt, aber in den Medien wird kaum erwähnt, welche herausragende Rolle jene Regierungsvertreter in der afghanischen Politik spielten, die die Ölindustrie in zentralasiatischen Angelegenheiten beraten haben.

Einer der wenigen Kommentare in den amerikanischen Medien über diesen Aspekt der US-Militärkampagne erschien im San Francisco Chronicle am 26. September vergangenen Jahres. Redakteur Frank Viviano bemerkte: "Die verdeckten Interessen im Krieg gegen den Terrorismus können in einem einzigen Wort zusammengefasst werden: Öl. Die Landkarte mit den Zufluchtsstätten der Terroristen und Zielen im Mittleren Osten und Zentralasien ist gleichzeitig in außergewöhnlicher Übereinstimmung die Karte der Hauptenergiereserven der Welt im 21. Jahrhundert.... Unvermeidlich wird der Krieg gegen den Terrorismus von vielen als Krieg verstanden werden, der im Interesse der amerikanischen Konzerne Chevron, Exxon und Arco, des französischen Konzerns TotalFinaElf, der British Petroleum, der Royal Dutch Shell und anderer multinationaler Giganten geführt wird, die Hunderte Milliarden Dollar in der Region investiert haben."

...
Auch Verteidigungsminister Rumsfeld spielte eine Rolle in den anhaltenden Manövern um Ölpipelines. Während seines Besuchs am 14. Dezember in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku sicherte er Vertretern dieses ölreichen Staats am Kaspischen Meer zu, dass die amerikanische Regierung die Sanktionen aufheben werde, die 1992 wegen Aserbaidschans Konflikt mit Armenien um die Enklave Bergkarabach verhängt worden waren.

Aserbaidschan und Armenien haben sich beide dem militärischen Vorstoß der Vereinigten Staaten nach Zentralasien gefügt und dem Pentagon Passierrechte und die Benutzung von Flughäfen angeboten. Rumsfelds Besuch und seine versöhnlichen Bemerkungen waren die Belohnung dafür. Rumsfeld sagte gegenüber Präsident Hajdar Alijew, dass die amerikanische Regierung mit den Kongressführern übereingekommen sei, auf die Sanktionen zu verzichten.

Am 28. November gab das Weiße Haus eine Stellungnahme heraus, in der die offizielle Eröffnung der ersten neuen Pipeline durch das Kaspische Pipeline Konsortium (CPC) begrüßt wurde, einem Joint Venture von Russland, Kasachstan, Oman, ChevronTexaco, ExxonMobil und sieben anderen Ölkonzernen. Die Pipeline verbindet die riesigen Tengiz-Ölfelder in Nordwestkasachstan mit dem russischen Schwarzmeerhafen Noworossisk, von wo aus Tanker das Öl dem Weltmarkt zuführen. Amerikanische Konzerne übernahmen eine Milliarde der sich insgesamt auf 2,65 Milliarden Dollar belaufenden Baukosten.

In der Stellungnahme von Bush heißt es: "Das Projekt der CPC befördert auch die nationale Energiepolitik meiner Regierung, indem ein Netz verschiedener Pipelines im Kaspischen Raum entwickelt wird, zu dem auch die Ölpipelines Baku-Tiblis-Ceyhan, Baku-Supsa und Baku-Noworossisk sowie die Gaspipeline Baku-Tiblis-Erzurum gehören." Die amerikanische Presse ist auf diese Erklärung kaum eingegangen. Ebenso wenig widmeten sich die Medien der Tatsache, dass das Pipeline-Konsortium, das den Baku-Ceyhan-Plan verfolgt und vom britischen Ölkonzern BP angeführt wird, in juristischen Fragen vom Unternehmen Baker & Botts vertreten wird. Der führende Anwalt dieses Unternehmens ist James Baker III, der unter Bushs Vater Außenminister war sowie als Hauptsprecher für Bush im Wahlkampf 2000 auftrat. Während dieser Kampagne wurde erfolgreich die Neuauszählung der Stimmen im Bundesstaat Florida unterbunden.



Die folgenden Textpassagen stammen aus dem "Neuen Deutschland" vom 9. Januar 2002. Sie passen sehr gut zu dem Artikel von Patrick Martin.

Afghanistan: Der lange Arm der Ölmafia von UNOCAL
Von Anton Holberg

... Den USA-Angriff auf Afghanistan nur auf direkt das Land betreffende ökonomische Interessen zurückzuführen, wäre zweifellos verkürzt. Doch diese gering zu schätzen, ist ebenso wenig angebracht. Die Auswahl führender Köpfe des neuen Spiels um Afghanistan weist darauf hin. Für die unmittelbare Verwaltung Afghanistans hatten die USA bereits Ende November/Anfang Dezember in der Person des neuen Regierungschefs Hamid Karzai einen Mann mit »Öl-Geruch« gefunden. Wie die Pariser Tageszeitung »Le Monde« am 13. Dezember zu berichten wusste, sei Karzai durch seinen USA-Aufenthalt nicht nur bestens mit dem Westen vertraut, sondern habe in jener Zeit auch als Berater des US-amerikanischen Ölkonzerns UNOCAL gearbeitet. UNOCAL untersuchte in den 90er Jahren die Möglichkeit des Baus einer Pipeline von den Ölfeldern des Kaspischen Meers durch Afghanistan zur pakistanischen Hafenstadt Karatschi.

Nur neun Tage nach der Amtsübertragung an Karzai ernannten die USA am 31.Dezember mit dem afghanischstämmigen Zalmay Khalizad einen Sonderbeauftragten für das Land am Hindukusch, der seinerzeit für die gleiche Ölgesellschaft eine Risikostudie über das erwähnte Pipelineprokekt erstellte. Kahlizad war 1997 auch an den Verhandlungen zwischen UNOCAL als Hauptkraft des Centgas-Konsortiums und den Taleban über das bereits zwei Jahre zuvor im Prinzip angenommene Projekt der Pipeline von den Ölfeldern von Daulatebad in Südost-Turkmenistan über Herat und Kandahar in Afghanistan und Quetta in Pakistan beteiligt.

Wie ein Artikel aus Kahlizads Feder in der »Washington Post« 1996 deutlich machte, unterstützt er jeweils diejenigen politischen Kräfte in Afghanistan auch propagandistisch, die gerade die Gunst der USA-Regierung genossen. In jenem Artikel schrieb er, dass die Taleban nicht die Art von USA-feindlichem Fundamentalismus verträten wie etwa der benachbarte Iran. Erst als Präsident Clinton im August 1998 Raketen auf Afghanistan abfeuerte, änderte er seine Position parallel zur Entscheidung von UNOCAL, ihre Beteiligung an Centgas einzufrieren.

Khalizad, Sohn eines Vertrauten des 1973 gestürzten Königs Zahir Schah, studierte 1979, als die UdSSR in Afghanistan einmarschierte, an der Universität von Chicago und wurde bald USA-Bürger. Als solcher fungierte er als Verbindungsmann zu den afghanischen Mujaheddin, zu denen seinerzeit die späteren Taleban ebenso gehörten wie die führenden Kader von Osama bin Ladens Al Qaida. Unter Präsident Reagan war er Sonderberater des Außenministeriums und soll sich in dieser Funktion für die Lieferung der dann so effektiven Boden-Luft-Raketen des Typs Stinger an die Mujaheddin eingesetzt haben.

Unter Präsident Bush sen., dem Vater des amtierenden Präsidenten, wurde Khalizad während des Golfkriegs Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Anschließend wechselte er zur Rand Corporation, einem führenden think tank des militärindustriellen Komplexes der USA. Nach der Wahl von Bush jun. zum neuen USA-Präsidenten leitete Khalizad zunächst das Übergangsteam des Verteidigungsministeriums und beriet den zukünftigen Verteidigungsminister Rumsfield. Schließlich wurde er in den Nationalen Sicherheitsrat berufen, wo er dessen Chefin Condoleezza Rice unterstellt ist. Frau Rice hat ebenfalls Öl-Erfahrung im zentralasiatischen Raum. Unter Bush sen. diente sie im Management von Chevron als wichtigste Expertin für Kasachstan. ...


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"UNOCAL, ein amerikanisch-saudisches Konsortium, gehörte zu den frühen Förderern der Taliban. Der Grund: UNOCAL plante zwei milliardenschwere Projekte mit strategischer Bedeutung für Zentralasien:
1. Eine Erdölleitung...
2. Zudem war eine Gasleitung vorgesehen..."
Text aus: Michael Pohly, Khalid, Durán, Nach den Taliban, München 2002 (zit. nach ND vom 09.01.2002)


Das große Spiel

Der pakistanische Autor Ahmed Rashid notiert in seinem Bestseller »Taliban« über die Beraterpraxis von UNOCAL während ihres Afghanistan-Pokers:

"Die Firma holte sich Robert Oakley, den früheren US-Botschafter in Pakistan und späteren US-Sonderbeauftragten in Somalia. Oakley hatte bereits in den 1980ern eine zwielichtige Rolle gespielt, als die US-Regierung die Mujaheddin unterstützte. Viele Afghanen und Pakistanis fanden ihn arrogant - sein Spitzname während seiner Amtszeit als Botschafter in Islamabad war »der Vizekönig«. Oakley...stellte andere Experten für UNOCAL ein. Darunter waren Goutierre, Boardman, Zalmay Khalizad, ein afghanischstämmiger Amerikaner, der für die Rand Corporation arbeitete, und der Zentralasienexperte Brill Olcott. Es ist für USA-Unternehmen nichts Ungewöhnliches, ehemalige Regierungsbeamte einzustellen. Alle US-Firmen, die beim Großen Spiel dabei waren, taten dies...Doch das fand in der Region überhaupt kein Verständnis und bestärkte erneut den Verdacht, UNOCAL sei ein politischer Arm der US-Regierung."

Aus: Ahmed Rashid, Taliban - Afghanistans Gotteskrieger und der Dschihad, Droemer, München 2001, S. 282/83 (zit. n. ND 09.01.2002)



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