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In Doha nichts Neues

Verhandlungen zwischen USA und Taliban kommen nicht in Gang

Von Knut Mellenthin *

Die geplanten Verhandlungen der USA mit den afghanischen Taliban stehen offenbar noch vor ihrem Beginn vor dem Scheitern. Ein Treffen auf hoher diplomatischer Ebene, das am 20. Juni in Doha, der Hauptstadt des umtriebigen arabischen Fürstentums Katar, stattfinden sollte, wurde vom State Department einen Tag vorher überraschend abgesagt. Seither scheint Stillstand zu herrschen, obwohl beide Seiten beteuern, sie seien nach wie vor an Gesprächen interessiert. In diese soll nach offizieller US-amerikanischer Darstellung möglichst rasch auch die Regierung in Kabul einbezogen werden.

Anlaß für die Absage waren die äußeren Umstände, unter denen die Taliban am 18. Juni die grundsätzlich abgesprochene Eröffnung ihres ersten Auslandsbüros in Doha gefeiert hatten. Dabei war in Anwesenheit von Vertretern der Regierung Katars die Hymne der Aufständischen gespielt und ihre Flagge gehißt worden. Am Gebäude war eine Tafel angebracht, die es als Botschaft des »Islamischen Emirats Afghanistan« – das war der Name des Taliban-Regimes bis zu dessen Sturz im Herbst 2001 – auswies. Die Feier wurde von Al-Dschasira und anderen Sendern live übertragen.

Afghanistans Präsident Hamid Karsai reagierte auf die Provokation, für die er Washington eine erhebliche Mitschuld gab, äußerst verärgert und ließ die laufenden Verhandlungen mit den USA über ein langfristiges »Sicherheitsabkommen« unterbrechen. Etwas später folgte die Ankündigung Karsais, seine Regierung werde sich an den Gesprächen in Doha nicht beteiligen, solange nicht sichergestellt sei, daß diesea »unter afghanischer Führung« stattfinden. Tatsächlich war wegen des Widerstands der Taliban zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht beabsichtigt, Abgesandte Kabuls nach Doha einzuladen.

Erst nachdem sich Karsai in dieser Weise öffentlich geäußert hatte, folgte die Gesprächsabsage des State Department. Der Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan, James Dobbins, der eigentlich die US-Delegation bei dem abgesagten Treffen in Doha hätte leiten sollen, beteuerte jedoch, seine Regierung sei »selbst sehr verärgert« über die Eröffnungsfeier des Taliban-Büros gewesen, da sie den Vereinbarungen und Zusagen widersprochen habe. Dobbins und Außenminister John Kerry mußten sich mit mehreren Anrufen in Kabul und Doha um Schadensbegrenzung bemühen. Sie erreichten, daß die Fahne und die Platte am Taliban-Büro entfernt wurden.

Warum trotzdem noch kein neuer Gesprächstermin vereinbart wurde, ist unklar. Einem Bericht der New York Times, wonach die Taliban zunächst auf der Wiederherstellung des alten Zustands bestünden, widersprach Sabihullah Mudschahid, ein offizieller Sprecher der Aufständischen. Die zitierten Quellen gäben nicht die Meinung der Taliban wieder. Andererseits macht das Team von Diplomaten und Außenpolitikern, das die Taliban schon seit einiger Zeit in Doha unterhalten, durch seinen Sprecher Schahin Suhail eine eigene Öffentlichkeitsarbeit, die nicht immer mit der zentralen Führung abgesprochen zu sein scheint. Von Suhail und nicht von Mudschahid kam die Auskunft gegenüber der Nachrichtenagentur AP, daß erster Tagesordnungpunkt für Verhandlungen der Austausch des vor vier Jahren entführten US-Offiziers Bowe Bergendahl gegen fünf im Lager Guantánamo gefangene Taliban-Funktionäre sein müsse. »Zuerst muß die Freilassung der Festgehaltenen erfolgen. Danach wollen wir Schritt für Schritt Brücken des Vertrauens bauen, um voranzuschreiten«, erläuterte Suhail. Dem geforderten Gefangenenaustausch widersetzt sich jedoch die US-Regierung, anscheinend hauptsächlich aus innenpolitischen Gründen.

* Aus: junge Welt, Montag, 1. Juli 2013


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