Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Karsai macht dem Westen Vorwürfe

Präsident: Eigentliches Problem liegt in Pakistan *

Präsident Hamid Karsai hat den westlichen Einsatz in Afghanistan scharf kritisiert. Dem Antiterrorkampf mangele es an einer nachvollziehbaren Strategie, sagte der Staatschef der »Süddeutschen Zeitung« vom Dienstag. Der Westen habe »nicht die Rückzugsgebiete der Terroristen bekämpft, nicht ihre Trainingscamps«. Das eigentliche Problem liege im Nachbarland Pakistan und sei nicht angegangen worden. Karsai warf dem Westen vor, seine Regierung respektlos behandelt zu haben. »Wir möchten wie Verbündete behandelt werden, nicht wie ein Gegenstand«, sagte er in dem Gespräch im Präsidentenpalast von Kabul.

Die Chancen, bis zum Abzug des NATO-Kampftruppen 2014 mit den Taliban einen Friedensschluss zu erreichen, sind inzwischen gering. Karsai sagte, seine Regierung habe sporadische Kontakte mit den Islamisten, es gebe jedoch keine Verhandlungen. Er rief die Taliban auf, die Waffen niederzulegen und sich am politischen Prozess zu beteiligen. Talibanführer Mullah Omar könne 2014 Präsidentschaftskandidat werden und »den Afghanen die Möglichkeit geben, für ihn oder gegen ihn zu stimmen«.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 3. April 2013


Karsais Kritik

Von Olaf Standke **

Er hat es wieder getan. Dabei hatte doch NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die Regierung in Kabul gerade aufgefordert, Kritik am Afghanistan-Einsatz des Paktes zu unterlassen. Schließlich schwäche sie die öffentliche Unterstützung für den Krieg am Hindukusch. Präsident Hamid Karsai aber legte jetzt nach: Dem Anti-Terrorkampf des Westen mangele es an einer nachvollziehbaren Strategie, klagt er in einem Interview und verweist auf die zivilen Opfer oder die Tatsache, dass die Rückzugsgebiete der Terroristen nicht bekämpft werden. Das Problem im benachbarten Pakistan sei nicht wirklich angegangen worden. Und überhaupt müsse man zwischen Terroristen und Taliban unterscheiden.

Wo Karsai Recht hat, hat er Recht. Nur: Dieser Präsident von Washingtons Gnaden ist Teil des Problems. Mag er auch allein seinen nachsichtigen Umgang mit den »Befreiern« und ihren eigennützigen Interessen als persönlichen Fehler ansehen - seine Regierung hat sich als korrupt und unfähig erwiesen, der Bevölkerung wirtschaftliche und soziale Perspektiven zu bieten oder den Demokratisierungsprozess voranzutreiben. Und wenn es um Folter geht, können Polizei und Geheimdienst in Afghanistan mühelos mit den CIA-Spezialisten mithalten, wie ein UN-Bericht enthüllte. Mit einer Petition versuchen afghanische Asylbewerber hierzulande gerade einen Abschiebestopp zu erreichen. Für sie ist die Heimat inzwischen »einer der gefährlichsten Orte der Welt«.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 3. April 2013 (Kommentar)


Zurück zur Afghanistan-Seite

Zur Pakistan-Seite

Zurück zur Homepage