Japans stiller Abzug
Opposition zwingt Premier Fukuda zum Rückzug aus USA-Militärmission
Von Daniel Kestenholz, Bangkok *
Als der Marinetanker »Tokiwa« am Montag im Indischen Ozean von einem pakistanischen Zerstörer
abdockte, dürfte es das letzte Mal gewesen sein, dass Japan aktiv an Bushs Antiterrorkrieg
teilnahm. Gestern endete Tokios Versorgungsmission für den Afghanistan-Krieg der USA.
Die Verlängerung der Mission galt einst als reine Formsache – bis Japans Opposition im Juli
erstmals in der Nachkriegszeit das Oberhaus übernahm. Seither zeigt Oppositionsführer Ichiro
Ozawa Zähne. Der Chef der Demokraten fordert, dass Japan nicht länger an Militärmissionen der
USA teilnehmen dürfe. Premier Yasuo Fukuda (Foto: AFP) musste dem Druck jetzt nachgeben.
Thomas Schieffer, der USA-Botschafter in Tokio, hatte zuletzt Überstunden gemacht – er konnte
den Schritt aber nicht verhindern. Allerdings sieht Washington die Abkühlung der bilateralen
Beziehungen nicht als grundlegenden außenpolitischen Kurswechsel, sondern als Folge der
japanischen Innenpolitik.
Seit dem Sieg der Opposition im Senat stehen die regierenden Liberaldemokraten (LDP) in einer
ganz neuen Erklärungspflicht, mit der sie sich schwer tun. Premier Shinzo Abe nahm nach nur
einem Amtsjahr seinen Hut. Sein Nachfolger, der gemäßigte Fukuda, galt als Kompromisskandidat,
um der Opposition wenigstens Zugeständnisse in Sachen Versorgungsmission im Indischen Ozean
abzuringen.
Doch Oppositionsführer Ozawa blieb fest: Das offiziell pazifistische Japan, dem laut Verfassung
eigene Streitkräfte verboten sind, dürfe nicht Teil von »Amerikas Kriegen« sein: »Wir haben uns an
Prinzipien zu halten. Wir können der Mission nicht zustimmen, solange sie nicht Teil einer UNOperation
ist.« Fukuda hielt dem vergeblich entgegen, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt
eine stärkere Rolle in der globalen Sicherheitspolitik zu übernehmen habe.
Die Versorgungsmission war 2001 vom damaligen Premier Junichiro Koizumi begonnen worden.
Seither haben japanische Marinetanker im Indischen Ozean öl im Wert von rund 200 Millionen US-Dollar
ausgegeben – drei Millionen Liter allein vor Beginn der Irak-Invasion. Was Koizumi damals
harsche Kritik einbrachte, weil er damit Artikel 9 der Verfassung zur Pazifismusverpflichtung Japans
gebrochen habe. Koizumi schaffte es mit Verfassungszusätzen und dank einer soliden
Regierungsmehrheit, an der Mission festzuhalten. Sein Nachfolger Abe wollte Artikel 9 gleich ganz
streichen, um Japan den Aufbau regulärer Streitkräfte zu erlauben. Mit den Juli-Wahlen stellte das
Wahlvolk dann jedoch klar, dass es andere Prioritäten sieht als diesen »neuen Militarismus« und
»konservativen Nationalismus«, vor denen nicht nur in Japan inzwischen wieder gewarnt wird.
Ministerpräsident Fukuda, der den Sinkflug der LDP bremsen und die traditionelle Regierungspartei
neu formieren soll, wird am Wochenende vielleicht ein weiteres Mal mit Ozawa zusammentreffen,
hieß es jetzt aus den Reihen der Demokraten. Doch vorerst scheint Japans letzte militärische
Unterstützungsmission unter USA-Kommando ad acta gelegt zu sein. Aus LDP-Kreisen hieß es
lediglich, die Mission werde frühestens im nächsten Jahr wieder aufgenommen. Wobei es aber der
Opposition nicht nur um das symbolträchtige Ende von Tankmanövern auf hoher See geht, die
ohnehin mehr eine Alibiübung Tokios waren, um Bündnistreue zu demonstrieren. Premier Fukuda
soll zur Ausrufung von Neuwahlen gedrängt werden, Wahlen, die sonst erst im Jahr 2009 fällig
wären.
* Aus: Neues Deutschland, 1. November 2007
Zurück zur Afghanistan-Seite
Zur Japan-Seite
Zurück zur Homepage