Holbrooke wirbt um mehr Soldaten
US-Gesandter kritisiert bisherige Afghanistan-Strategie / CSU skeptisch zu Truppenaufstockung
Der US-Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, hat für die Entsendung
weiterer Bundeswehr-Soldaten an den Hindukusch geworben. Zugleich räumte er Fehler bei der bisherigen Strategie für Afghanistan ein.
Berlin (AFP/ND). In einem am Mittwoch (9. Dez.) veröffentlichten Interview mit der »Süddeutschen Zeitung«
antwortete der US-Sondergesandte Holbrooke auf die Frage, ob die Bundesregierung lieber
zusätzliche zivile Helfer oder mehr Soldaten schicken solle: »Schön wäre beides.« Der US-Beauftragte
für Afghanistan und Pakistan sagte, es sei »kein Problem«, wenn Deutschland für eine
derartige Entscheidung noch sechs Wochen brauche. Auch der Entscheidung der US-Regierung, 30
000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu schicken, sei eine mehrmonatige Prüfung
vorausgegangen.
Holbrooke kritisierte die bisherige internationale Afghanistan-Strategie. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass sich die Deutschen um die Ausbildung der afghanischen Polizei, die Briten um den
Kampf gegen den Drogenhandel und die Italiener um den Aufbau des Rechtssystems in Afghanistan kümmerten. »Das Ganze war unkoordiniert und hat uns nicht sonderlich weit gebracht«, sagte der
US-Gesandte der »SZ«. »Im Ergebnis fangen wir im neunten Jahr des Krieges wieder von vorne an.«
Im Gespräch mit der »Berliner Zeitung« lobte Holbrooke den Einsatz der Bundeswehr in
Nordafghanistan. Die Lage dort werde »immer gefährlicher«, so dass die deutschen Soldaten
»unabkömmlich« seien. Der von der Bundeswehr angeforderte Luftangriff auf zwei Tanklastzüge
nahe Kundus Anfang September habe allerdings »sehr geschadet«.
Rückblickend kritisierte der US-Sondergesandte die Irak-Politik der USA nach dem 11. September
2001. »Die USA haben sich auf Irak konzentriert, das war ein Riesenfehler«, sagte er dem ZDF.
»Jetzt müssen wir die Folgen tragen und das reparieren.« Aus diesem Grund habe US-Präsident
Barack Obama in der vergangenen Woche die Entscheidung getroffen, 30 000 zusätzliche USSoldaten
nach Afghanistan zu schicken und die Verbündeten aufgefordert mitzumachen.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU), äußerte sich
skeptisch über eine mögliche deutsche Truppenaufstockung. Nach acht Jahren Bundeswehr-Einsatz
am Hindukusch sei es »unangemessen, die Diskussion über mehr oder weniger Soldaten in den
Vordergrund zu stellen«, zitiert der »Kölner Stadt-Anzeiger« aus einem Positionspapier von Uhl.
Vielmehr bedürfe es »einer Überprüfung unserer Ziele und einer effektiven Strategie zu deren
Erreichung«. Erst danach solle über die dafür notwendigen Mittel nachgedacht werden.
Die geplante Aufstockung des US-Kontingents in Afghanistan wird die Taliban nach Einschätzung eines Vertreters der US-Armee massiv unter Druck setzen. Wenn sich die Aufständischen auf eine direkte Konfrontation mit den US-Soldaten einließen, würden sie »einfach vernichtend geschlagen«, sagte der US-Vertreter. Daher würden die Taliban voraussichtlich häufiger Selbstmordattentate verüben.
* Aus: Neues Deutschland, 10. Dezember 2009
Holbrooke-Zitate
Frage: Warum verstärkt Amerika jetzt nur die Schutztruppe Isaf, nicht aber seine rund 30 000 Kräfte unter dem Antiterrormandat "Operation Enduring Freedom"?
Holbrooke: Das ist nur noch eine formale Frage, seit beide Truppen unter dem Kommando eines Kommandeurs stehen.
Frage: Deutschland und Frankreich wollen über eine Truppenverstärkung nicht vor der Londoner Afghanistan-Konferenz im Januar befinden. Was können sie von der Tagung erwarten?
Holbrooke: Sie werden in London nichts hören, was sie nicht vorher schon gehört haben. Wir haben uns enorm eng mit den Europäern abgestimmt. Wenn ich anderslautende Beschwerden in Europa oder in Pakistan lese, amüsiert micht das.
Frage: Soll in London vielleicht eine "Exit-Strategie" vereinbart werden?
Holbrooke: Präsident Obama hat bewusst nicht diesen Begriff verwendet. Wir entsenden 30 000 amerikanische und weitere alliierte Soldaten, um maximalen Druck auf die Taliban auszuüben. Damit kaufen wir der afghanischen Regierung Zeit, um ihre Armee und Polizei zu verbessern. (...)
Frage: (...) War es ein Fehler, die Isaf über das ganze Land auszubreiten - etwa Bundeswehrkräfte nach Faizabad im Nordosten zu schicken?
Ja, es gibt abgelegene Vorposten, die wir verlassen müssen, um unsere Kräfte zu bündeln.
Auszüge aus einem Interview, das am 9. Dezember 2009 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) erschien.
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