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Nachschub für Corporal Harrison

Es gibt für viele viele Gründe, dass die NATO in Afghanistan bleibt

Von René Heilig *

Afghanistan ist Geld wert - für jene, die am Krieg verdienen. Und die gibt es beileibe nicht nur in den kriegführenden Ländern, sondern auch in der so friedlichen Schweiz. Man muss nicht gewinnen, um Gewinn zu haben.

Craig Harrison hat es geschafft! Craig Harrison hat eine Seite bei Wikipedia. Da steht, dass Craig Harrison Corporal of Horse der Household Cavalry der britischen Streitkräfte ist und unlängst einen Rekord aufgestellt hat. Craig Harrison hat den weitesten erfolgreichen Präzisionsschuss unter Kampfbedingungen abgegeben.

Als Craig Harrison im vergangenen November mit seinem Kommandeur und afghanischen Soldaten in der Provinz Helmand unterwegs war, erblickte er in der Ferne zwei Taliban. Sie waren gerade dabei, ein MG in Stellung zu bringen. »Der erste Schuss traf einen der Maschinengewehrschützen in den Magen«, zitierte die »Daily Mail« den erfolgreichen Schützen. Der Gegner »ging sofort zu Boden und regte sich nicht mehr. Der zweite Aufständische griff sich die Waffe und drehte sich, als mein zweiter Schuss ihn in die Seite traf. Sie waren beide tot.«

Lassen wir mal - was schwer fällt - alle moralischen Erwägungen über das Töten und den Krieg und das Töten im Krieg außen vor. Festzuhalten ist der Rekord: 2470 Meter flog das Geschoss bis zum Ziel. Sogar die seriöse »Times« begeisterte sich und rechnete nach, dass die Kugel fast drei Sekunden brauchte, um aus dem Gewehrlauf zu entweichen und in den anvisierten Körper einzuschlagen. Das klappt nur, wenn Schütze, Gewehr und Patronen topp sind.

Das Gewehr ist ein Rifle L115A3. Es kostet 6900 Pfund und wird von der Royal Ordnance Factory in Großbritannien hergestellt. Die Patrone kostet 2 Pfund und kommt aus der Schweiz. Die Schweiz ist ein friedliebendes Land, neutral und in Afghanistan derzeit gar nicht mehr durch Soldaten vertreten. Bis 2008 reichte ein eidgenössisches Mandat, das die Abordnung von bis zu vier Offizieren an den Hindukusch gestattete, die ihre Waffen nur zur Selbstverteidigung hätten einsetzen können.

Die Schweiz ist auf andere Art und Weise am Krieg beteiligt. Durch Export vom Waffen, Gerät und Munition. Die Eidgenössische Zollverwaltung ist eine akribische Behörde, sie listet in Kilogramm und Franken auf, was das Land an Rüstungsgütern wohin exportiert. Sogar Pakistan, das ja nun wirklich ein Krisen- und Kriegsgebiet ist, wird bedient.

2009 erhielt das Vereinigte Königreich von Großbritannien 1 296 973 Kilogramm Kriegsgerät für 69 271 409 Schweizer Franken. In den ersten drei Monaten dieses Jahres lieferte man bereits für 13 564 132 Franken Militärbedarf auf die Insel.

Die Zahlen machen deutlich, dass es sich nicht nur um Patronen handeln kann. Doch Großbritannien belegt nur Platz vier auf der aktuellen Einkäuferliste. An der Spitze steht Deutschland, das 2009 für 1 823 155 Kilogramm 138 239 475 Franken hinblätterte. Zwischen Januar und März 2010 überwies man bereits 36 706 395 Franken für Militärgerät ins Nachbarland. Der Renner sind Eagle IV-Panzerwagen, die von der Firma General Dynamics, European Land Systems MOWAG im Kanton Turgau hergestellt und in Kaiserslautern endgültig ausgestattet werden. »Deutschland ist mit Abstand unser wichtigster Eagle-Kunde«, heißt es im Schweizer Kreuzlingen. Zusätzlich zum Auftrag vom Juli 2008 über eine Lieferung von 25 Fahrzeugen hat man im November mit dem deutschen Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung einen Vertrag über weitere 173 Fahrzeugen sowie den Aufbau der Logistik- und Serviceunterstützung unterzeichnet. Der Vertrag hat einen Umfang von 105,7 Millionen Euro. Zusätzlich werden 25 Eagle für bewegliche Arzttrupps aus Deutschland geordert.

Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) hat jüngst nach dem Tod von sieben Bundeswehrsoldaten in Afghanistan - drei fuhren einen Eagle IV - betont, dass alles, was deutsche Soldaten im Einsatz brauchen, beschafft wird. Auch im Ausland. MOWAG wird noch in diesem Jahr 60 weitere Eagle IV an die Bundeswehr übergeben.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Mai 2010


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