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Friedenslicht für die Front

Bundesregierung schreibt in "Fortschrittsbericht" Lage in Afghanistan schön

Von Rüdiger Göbel *

Die Bundesregierung verabschiedet heute (14. Dez.) ihren »Fortschrittsbericht Afghanistan«. Das 88seitige Papier beschreibt den Krieg als Erfolgsgeschichte. »Das militärische und zivile Engagement hat in den vergangenen zehn Jahren den Aufbau eines afghanischen Staats ermöglicht, der ab Ende 2014 selbst für seine Sicherheit sorgen soll«, heißt es in dem jW vorliegenden Entwurf. »Der Trend einer sich von Jahr zu Jahr verschlechternden Sicherheitslage ist vorerst gebrochen. Die Sicherheitslage hat sich 2011 trotz spektakulärer Anschläge insgesamt konsolidiert.« Und weiter: »Bis Ende 2014 werden die internationalen Kampftruppen Afghanistan verlassen haben.« Im Einklang »mit der von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Verkleinerung des Bundeswehrkontingents« werde zum Beginn des nächsten Mandats »eine erste Reduzierung möglich« sein. Erst am Montag (12. Dez.) hatte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière in der Leipziger Volkszeitung dargelegt, daß im kommenden Jahr erst einmal eine Truppenaufstockung möglich sei.

In den Afghanistan-Report der Bundesregierung aufgenommen ist ein »Neun-Punkte-Aktionsplan« des europäischen Bergbaudachverbands EUROMINES über die gewünschte Ausbeutung bedeutender Bodenschätze im Besatzungsgebiet am Hindukusch. Noch würden Investoren vor der Bedrohungslage und der mangelnden Rechtssicherheit in Afghanistan zurückschrecken, lautet die Unternehmerklage.

Vor der heutigen Kabinettsentschließung (14. Dez.) simulierte die Bundeswehr einen Teilabzug. Am Dienstag wurde das erste Regionale Wiederaufbauteam in Faisabad unter eine zivile Leitung gestellt. Dem PRT steht nun ein deutscher Diplomat vor. Am Freitag schließlich fliegt die Truppe ein »Friedenslicht aus Bethlehem« an die Front. Mediale Aufmerksamkeit ist der vorweihnachtlichen PR-Aktion garantiert – im Gegensatz zum in Berlin abgesegneten Ausbeutungsbericht.

* Aus: junge Welt, 14. Dezember 2011

Wiederaufbau und Entwicklung schreiten voran

Mi, 14.12.2011

Durch das militärische und zivile Engagement konnte in Afghanistan viel erreicht werden. In den vergangenen zehn Jahren wurde der Aufbau eines afghanischen Staates begonnen, der ab Ende 2014 selbst für seine Sicherheit sorgen soll.

Das Bundeskabinett hat den Fortschrittsbericht zu Afghanistan am 14. Dezember 2011 beschlossen.

Die Fortschrittsberichte der Bundesregierung zur Lage in Afghanistan dienen der Unter­rich­tung des Deutschen Bundestags. Sie werden von den in Afghanistan engagierten Ressorts gemeinsam unter Leitung des Sonder­beauf­tragten der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Botschafter Michael Steiner, erstellt.

Partnerschaft mit Afghanistan erneuert

Im Fortschrittsbericht Afghanistan werden zunächst die Ergebnisse der Internationalen Afghanistan-Konferenz in Bonn am 5. Dezember 2011 zusammengefasst. Dort wurde die Partner­­schaft Afghanistans mit der internationalen Gemeinschaft erneuert und auf eine klare und belastbare Grund­lage für das Jahrzehnt nach 2014 ge­stellt.

Zehn Jahre nach der Petersberg-Konferenz ist Afghanistan heute auf dem Weg zur vollen Aus­­ü­bung seiner Souveränität. Nach dieser ersten Phase des Wieder­­aufbaus des afghanischen Staates richtet sich der Blick nun über die Über­gangs­zeit bis 2014 hinaus. Der Befürchtung vieler Afghanen, die Taliban könnten den Truppenabzug einfach abwar­ten, hat die Konferenz ein klares Zei­chen entge­gen­gesetzt: Das inter­na­tio­nale Engagement wird nicht plötzlich enden.

Langfristige Ziele formuliert

Unser Ziel bleibt es, dass von Afghanistan nie wieder eine Gefahr für die Welt ausgeht. Aus dem Krisenherd Afghanistan muss ein souveräner und verantwortlicher Staat werden. Er muss als gleichbe­rechtigtes Mitglied der Staatenge­mein­schaft nachhaltig zu Frieden und Stabilität in der Region beitragen.

Eine dauerhafte Stabilisierung Afghanistans erfordert einen politischen Friedensprozess. Die legitimen Interessen aller afghanischen Gruppen sollen dabei einbezogen werden. Dies schließt die Taliban ein. Die Internatio­na­le Afghanistan-Konferenz in Bonn hat grundlegende Prinzipien für den politi­schen Friedens­prozess und sein Ergebnis formuliert.

Die Botschaft von Bonn ist: Wir lassen Afghanistan nicht im Stich. Was gemeinsam er­reicht wurde, muss gemeinsam bewahrt werden – auch nach dem Abzug der Kampftruppen.

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In ihrem ersten Fortschrittsbericht im Dezember 2010 hatte die Bundesregierung eine Bestandsaufnahme und Kurs­bestimmung des deutschen Engagements in Afghanistan vorgenommen.

Nach einem Zwischenbericht im Juli 2011 legt die Bundesregierung nun wie angekündigt erneut einen ausführlichen Fortschrittsbericht vor. Er stellt die aktuelle Lage in Afghanis­tan dar, berichtet über das internationale und das deutsche Engagement in Afghanistan.


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Die Lage in Afghanistan hat sich verbessert

Der Fortschrittsbericht gliedert sich in die drei zentralen Aufgabengebiete des internatio­nalen Engagements in Afghanistan:
  • Sicherheit
  • Regierungs­führung
  • Entwicklung
Afghanen sorgen selbst für Sicherheit

Die Sicherheitslage hat sich 2011 trotz spektakulärer Anschläge insgesamt konsolidiert. Der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte verläuft weiter erfolgreich und planmäßig. Sie erreichten im Oktober 2011 eine Personalstärke von 305.600. Damit sind sie auf gutem Weg, die nötige Stabilität für Aufbau und Entwicklung in Afghanistan zu schaffen.

Im Juli 2011 hat die afghanische Regierung damit begonnen, die Sicherheitsverantwortung für ihr Land selbst zu übernehmen. Bis Ende 2014 soll die Transition abgeschlossen sein. Afghanistan wird dann seine volle Souveränität erlangen.

Die Afghanische Verfassung durchsetzen

Im Hinblick auf Regierungs­führung und Demokratie bleibt in Afghanistan noch viel zu tun. Deutschland engagiert sich bei der Ausbildung von Juristen und Ver­wal­tungsfachleuten in Afghanistan. Die Institutionen des Wahlsystems werden gestärkt. Die Entwicklung einer Rechtsordnung und die Korruptionsbekämpfung ist weiter im Fokus deutscher Bemühungen.

Die Menschenrechtslage in Afghanistan hat sich gegenüber 2001 erheblich verbessert. Die universellen Menschenrechte sind in der afghanischen Verfassung verankert, allerdings sind sie in Afghanistan bei weitem noch nicht vollständig verwirklicht. Dies ist ein stetiger Prozess und bleibt eine langfristige Aufgabe für die afghanische Regierung.

Bessere Lebensverhältnisse sorgen für ein stabiles und sicheres Land

In den vergangenen zehn Jahren konnte eine bessere Perspek­tive für die Bürgerinnen und Bürger Afghanistans geschaffen werden. Dazu zählt der flächendeckende Ausbau der Bildungs­chancen. Die Infrastruktur für Transport, Energie, Trink­wasser und Bewässerung konnte ausgebaut werden. Dadurch eröffnen sich langfristige Einkommens- und Beschäftigungs­möglich­keiten. Betroffen sind Landwirtschaft, Handel und die Bewirt­schaf­tung der bisher weitgehend unge­nutz­ten Bodenschätze.

Erstmals gibt es in Afghanis­tan eine medizinische Grundversorgung für einen großen Teil der Bevölkerung. Diese positive Entwicklung trägt mittel- und langfristig zu Sicherheit und Stabilität in Afghanis­tan bei.

Quelle: Website der Bundesregierung, 14. Dezember 2011; www.bundesregierung.de

Hier geht es zum

Fortschrittsbericht der Bundesregierung

vom Dezember 2011 [externer Link; pdf-Datei, 5,6 MB]




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