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CIA-Truppen in Afghanistan

Verbände im Dienst des US-Geheimdienstes führen bewaffnete Aktionen durch

Von Knut Mellenthin *

Die USA bereiten sich auf den »Abzug« aus Afghanistan auf ihre eigene Art vor: Indem sie immer mehr bewaffnete Verbände aus Einheimischen aufstellen, finanzieren und führen, die nicht der Regierung in Kabul unterstellt sind. Darüber berichtete die linksliberale britische Tageszeitung The Guardian am Freitag auf Grundlage eines Gesprächs mit Aimal Faizi, dem Pressesprecher von Präsident Hamid Karsai.

Der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA kontrolliere große »spezialtruppenartige« Einheiten aus Afghanen, erläuterte Faizi. Einige von diesen operierten im Namen des Kabuler Geheimdienstes, des Nationalen Direktorats für Sicherheit, im Englischen als NDS abgekürzt. In Wirklichkeit habe dieser aber keine Kontrolle über sie. »Einige sagen, sie arbeiten für den NDS. Aber sie bekommen ihre Waffen nicht vom NDS, sie werden nicht vom NDS bezahlt, und der NDS schickt sie nicht zu Operationen. Manchmal informieren sie den NDS erst Minuten vor einer Operation. Sie führen Operationen durch, ohne die örtlichen Behörden in Kenntnis zu setzen. Wenn etwas schief geht, heißt es, daß es eine gemeinsame Operation gewesen sei.«

Faizi bezog sich dabei hauptsächlich auf eine militärische Aktion in der Provinz Kunar, bei der Anfang April zehn oder elf Kinder durch einen NATO-Luftangriff getötet worden waren. Die Kinder im Alter zwischen einem und zwölf Jahren sowie mehrere Frauen, die bei dem Angriff verletzt wurden, hatten sich in einem Haus aufgehalten, das von NATO-Hubschraubern und Kampfflugzeugen gezielt zerstört wurde. Angeblich hatte man dort einen Taliban-Kommandeur vermutet.

Von afghanischer Seite hieß es zunächst, die Operation sei vom NDS gemeinsam mit ausländischen Truppen durchgeführt worden. Dagegen behaupteten mehrere NATO-Sprecher, daß von ihrer Seite keine Bodenkräfte beteiligt gewesen seien. Gleichzeitig erklärten sie jedoch übereinstimmend, daß der Luftangriffen nicht von den Afghanen angefordert, sondern vom Kommando der Besatzungstruppen selbstständig angeordnet worden sei. Möglicherweise war das eine reine Schutzbehauptung, da Karsai allen afghanischen Sicherheitskräften schon vor einigen Monaten aufgrund ähnlicher Zwischenfälle verboten hat, Luftangriffe auf Ziele in bewohnten Gebieten zu veranlassen.

Unverständlich blieb bei dieser Darstellung, auf welcher Grundlage die NATO Luftangriffe anordnen konnte, wenn sie gar nicht mit eigenen Kräften vor Ort war. Auch dafür gab Faizi dem Guardian eine plausible Erklärung. Gleich nach dem Zwischenfall hatten NATO-Sprecher den Medien mitgeteilt, daß bei den Kämpfen in Kunar ein US-amerikanischer »Zivilist« getötet worden sei. Bei diesem Mann habe es sich, so Faizi, um einen CIA-Agenten gehandelt, der den einheimischen Einheiten in »beratender« – in Wirklichkeit wohl auch in befehligender – Funktion zugeordnet war. Sein Tod sei Auslöser für den Luftangriff gewesen.

Der US-Journalist Bob Woodward, bekannt geworden durch seine Artikel zur Watergate-Affäre (1972–1974), gibt in seinem 2010 erschienenen Buch »Obama’s Wars« an, daß eine 3000 Mann starke afghanische Kampftruppe für die CIA arbeite. Danach befragt, sagte Faizi dem Guardian, die Regierung in Kabul kenne weder die genaue Stärke dieser Truppe noch ihre Stationierungs- und Einsatzorte. Karsai hat aufgrund des Zwischenfalls in Kunar seine schon im Februar gegebene Anordnung bekräftigt, daß alle »parallelen Strukturen« dieser Art aufzulösen seien. Aber ohne Kooperationsbereitschaft der USA wird er damit kaum weit kommen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 23. April 2013


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