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USA bomben "sorglos" in Wasiristan

Heftige Empörung in Pakistan und Afghanistan über blindwütiges Töten von Zivilisten

Von Hilmar König, Delhi *

Dutzende Zivilisten fielen auch an diesem Wochenende (23./24. Juni) dem Einsatz von NATO-Truppen in Afghanistan zum Opfer. Im Nachbarland Pakistan kamen ebenfalls durch Bombardements aus NATO-Flugzeugen unschuldige Menschen ums Leben.

Wie ein Kommandeur des US-Militärs in Afghanistan erklärte, habe es sich am Sonnabend in der Provinz Paktika, nahe der pakistanischen Grenze, um die »größte Insurgenten-Konzentration« seit Jahresbeginn gehandelt. Gegen sie habe sich die massive Operation gerichtet. 60 Feinde seien getötet worden.

Bei dem gleichen Einsatz schlugen etliche der abgefeuerten Raketen auf pakistanischem Gebiet in der Region Wasiristan ein. Der pakistanische Armeesprecher Generalmajor Wahid Arshad teilte mit, dass eine Rakete ein kleines Hotel getroffen hat. Dabei kamen fünf Männer, drei Frauen und ein Kind ums Leben. Augenzeugen berichteten, etwa 80 Menschen seien verletzt worden.

Generalmajor Arshad sprach von Informationen, laut denen bei der NATO-Operation auch auf afghanischer Seite Zivilisten getötet worden sind.

Die Regierung in Islamabad hat gegen die Attacke beim USA-Militär in Afghanistan energisch protestiert, jedoch nur die lakonische Erklärung erhalten, der Angriff sei unabsichtlich erfolgt. »Wir hatten nur böse Burschen im Visier«, hieß es lapidar, und es sei gut möglich, dass »etwas Munition auf der pakistanischen Seite gelandet sein könnte«.

Der pakistanische Fernsehsender »Geo« meldete unterdessen, dass am Wochenende außerdem Koalitionsflugzeuge, von Afghanistan kommend, Bomben auf Gebiete im pakistanischen Südwasiristan abgeworfen hätten. Es habe 20 Tote und 40 Verletzte gegeben. 15 Häuser seien zerstört worden.

In der afghanischen Provinz Kandahar zählten NATO-Soldaten am Sonnabend nach einem sieben Stunden dauernden Gefecht 20 Tote, angeblich seien alle Talibankämpfer.

Am Freitag hatte ein NATO-Luftangriff in der Provinz Helmand 25 Zivilisten und 20 Militanten den Tod gebracht. In Kabul beklagte daraufhin Präsident Hamid Karsai die zunehmenden »sorglosen Operationen« der ausländischen Verbündeten. Er forderte von ihnen eine enge Koordinierung mit den afghanischen Sicherheitskräften und mit der Regierung in Kabul. Karsai nannte die Zahl von 90 Zivilisten, die in zehn Tagen getötet worden sind. »Wir wollen mit der internationalen Gemeinschaft kooperieren. Wir sind dankbar für deren Hilfe. Aber das bedeutet nicht, dass afghanische Menschenleben weniger wert sind«, äußerte er verärgert.

In NATO-Kreisen und in der afghanischen Regierung wachsen unterdessen die Sorgen darüber, dass die Selbstmordanschläge dramatisch ansteigen und dass die Lage mehr und mehr der in Irak zu ähneln beginnt. Militärexperten errechneten, dass von Selbstmordattentätern in Kabul und anderen Teilen Afghanistans verübte Anschläge in den letzten sechs Monaten um 230 Prozent zugenommen haben.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Juni 2007


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