Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Berliner Erklärung

Im Wortlaut: Abschlusserklärung der Internationalen Afghanistan-Konferenz 2004 in Berlin

Im Folgenden dukumentieren wir die Abschluserklärung der Internationalen Afghanistan-Konferenz, die am 31. März und 1. April in Berlin stattfand.


Berliner Erklärung

Wir, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Berliner Afghanistankonferenz 2004

in dem Bekenntnis zu der Vision eines sicheren, stabilen, freien, wohlhabenden und demokratischen Afghanistans, wie in der afghanischen Verfassung beschrieben und in der von Präsident Hamid Karsai bei dieser Konferenz gehaltenen Rede bestätigt, und besonders erfreut über die Ankündigung, bis September 2004 direkte Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abzuhalten,

mit Befriedigung von den wesentlichen Fortschritten Kenntnis nehmend, die im Rahmen des Abkommens von Bonn vom Dezember 2001 bei der Förderung von Frieden, Stabilität, nationaler Einheit, Demokratisierung und wirtschaftlicher Entwicklung in Afghanistan erreicht worden sind und die im Januar 2004 in der Verabschiedung einer neuen afghanischen Verfassung gipfelten, die das Fundament für eine gewählte Regierung und ein gewähltes Parlament sowie eine unabhängige Justiz legt, die verfassungsmäßigen Rechte aller Bürger - Männer und Frauen - garantiert und der Achtung des Grundsatzes der Menschenrechte und dem Aufbau einer sich selbst tragenden marktorientierten Wirtschaft verpflichtet ist,

erfreut über die Fortschritte beim Prozess des Aufbaus von Staat und Institutionen, insbesondere der friedlichen Durchführung von zwei Loya Jirgas zur Wahl eines Präsidenten und zur Verabschiedung einer Verfassung, die Fortschritte bei der Schaffung und Stärkung der nationalen Sicherheitsinstitutionen, die Verabschiedung grundlegender Gesetze, die Wiedererrichtung einer Zentralbank und die erfolgreiche Einführung einer neuen Währung, die Verabschiedung eines nationalen Entwicklungsrahmenplans und eines nationalen Haushalts sowie die Einrichtung von Kommissionen für Menschenrechte, Wahlen, Justizreform und die Reform des öffentlichen Dienstes,

mit Befriedigung Kenntnis nehmend von den Fortschritten, die die Afghanen und die internationale Gemeinschaft beim Kampf gegen die Reste des internationalen Terrorismus erzielt haben, sowie von der gemeinsamen Entschlossenheit, Terroristen, die die Sicherheit und die Wiederaufbaubemühungen in Afghanistan untergraben, zu besiegen,

erfreut über die Beiträge und Zusagen für Afghanistans Wiederaufbau- und Reformprogramme, die auf der Tokyo-Konferenz im Januar 2002 von Staaten gemacht wurden und die dazu beigetragen haben, eine humanitäre Krise abzuwenden und die Wiederansiedlung von bislang über drei Millionen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen zu ermöglichen, und die die Grundlage für künftige wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum gelegt haben,

in dem festen Willen, den Bonner Prozess durch die Herstellung von Rahmenbedingungen zu vollenden, die es der afghanischen Bevölkerung erlauben, die eigene politische Zukunft durch die Errichtung einer vollständig repräsentativen Regierung durch freie und faire Wahlen in einem sicheren und friedlichen Umfeld frei zu bestimmen,

in dem festen Willen, im Geiste des Abkommens von Bonn und im Wege einer gemeinsamen Anstrengung des afghanischen Volkes und der internationalen Gemeinschaft die Aufgaben des Wiederaufbaus und der Reform der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen Afghanistans fortzuführen, um dauerhaft Frieden, Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung zu erreichen und allen Afghaninnen und Afghanen in gerechter Weise greifbare Perspektiven einer besseren Zukunft zu eröffnen -

sind sich darin einig,
  1. dass zwar die Verantwortung für die Herstellung von Sicherheit und die Durchsetzung von Recht und Ordnung im gesamten Land bei den Afghanen selbst liegt, der Einsatz der Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (ISAF) mit einem Mandat des VN-Sicherheitsrats und nun unter dem Kommando der NATO sowie die Operation "Enduring Freedom" (OEF) - von Afghanistan gewünscht und begrüßt - jedoch so lange fortgesetzt werden, bis die neuen afghanischen Sicherheits- und Streitkräfte hinreichend etabliert und funktionsfähig sind,
  2. dass die internationale Gemeinschaft entschlossen ist, weiter an der Stabilisierung der Sicherheitslage im gesamten Land, insbesondere durch den Einsatz von Provinz-Wiederaufbauteams (PRT) mitzuwirken, die auch zu den Wiederaufbau- und Entwicklungsmaßnahmen beitragen,
  3. dass es notwendig ist, die erste Phase des Abrüstungs-, Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramms, die gemäß dem Beschluss des afghanischen Präsidenten bis Ende Juni 2004 beendet sein soll, energisch umzusetzen und danach das Programm vor den Wahlen 2004 zu intensivieren sowie den Aufbau der Afghanischen Nationalarmee und der Nationalpolizei fortzusetzen,
  4. dass weitere Anstrengungen erforderlich sein werden, um im Einklang mit der Verfassung die Rechtsstaatlichkeit und ein funktionierendes Justizwesen vollständig zu etablieren,
  5. dass der Anbau von Schlafmohn, die Drogenproduktion und der Drogenhandel eine ernste Gefahr für Rechtsstaatlichkeit und Entwicklung in Afghanistan wie auch für die internationale Sicherheit darstellen und dass Afghanistan und die internationale Gemeinschaft daher alles - einschließlich der Entwicklung wirtschaftlicher Alternativen - tun werden, um diese Gefahr zu verringern und schließlich zu beseitigen,
  6. dass das in dem Bericht "Securing Afghanistan's Future" (Afghanistans Zukunft sichern) dargelegte Investitionsprogramm die beträchtliche weitere Hilfe umreißt, die erforderlich sein wird, um Afghanistans langfristigem Wiederaufbaubedarf zu begegnen, und dass die Umsetzung dieses Programms ebenso sehr von dem fortgesetzten Engagement der Geber wie vom Erfolg der afghanischen Regierung bei der Erreichung der selbst gesteckten ehrgeizigen Ziele abhängt,
  7. dass es wegen der besseren Vorhersagbarkeit wünschenswert wäre, die Hilfe für Afghanistan möglichst in Mehrjahreszusagen zu leisten und mit zunehmender Absorptionsfähigkeit einen wachsenden Anteil dieser Unterstützung über den afghanischen Haushalt als direkte Budgethilfe oder in Form von Beiträgen zum "Afghanistan Reconstruction Trust Fund" (ARTF - Treuhandfonds für den Wiederaufbau Afghanistans) und zum "Law and Order Trust Fund" (LOTFA - Treuhandfonds für Recht und Ordnung) bereitzustellen, und dass die afghanische Regierung weiterhin alles tun wird, um die Mobilisierung von Binneneinnahmen zu verbessern,
  8. den von der afghanischen Regierung vorgelegten und als Anlage beigefügten Arbeitsplan nachdrücklich zu unterstützen, die Bedeutung der darin beschriebenen Reformschritte und -maßnahmen zu unterstreichen und Afghanistans Entschlossenheit, diese Anliegen zu verfolgen, zur Kenntnis zu nehmen,
  9. dass die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für Afghanistan sich besonders auf die Förderung der Umsetzung dieses Arbeitsplans konzentrieren wird,
  10. dass alle Maßnahmen zum Aufbau eines neuen Afghanistan auch die Bestrebungen der im Land entstehenden Zivilgesellschaft widerspiegeln und die Beteiligung der Frauen gemäß ihren Rechten aus der Verfassung fördern sollen;
begrüßen
  1. die bei der Konferenz abgegebenen Mehrjahreszusagen für Wiederaufbau und Entwicklung Afghanistans in Höhe von 8,2 Milliarden US-Dollar für die Haushaltsjahre 1383 bis 1385 (März 2004 - März 2007), die eine Zusage von 4,4 Milliarden US-Dollar für das Jahr 1383 (März 2004 - März 2005) einschließen,
  2. die Zusage der NATO, die Mission der ISAF durch die Aufstellung von fünf weiteren Provinz-Wiederaufbauteams (PRT) bis Sommer 2004 sowie später weiterer PRT auszuweiten, sowie die Bereitschaft der ISAF und der Operation "Enduring Freedom", bei der Sicherung der Durchführung der Wahlen Hilfestellung zu leisten,
  3. die von Afghanistan und seinen Nachbarn unternommenen weiteren Schritte zur Förderung der regionalen Kooperation im Rahmen der Kabuler Erklärung über gutnachbarliche Beziehungen vom 22. Dezember 2002, insbesondere die als Anlage beigefügte Erklärung zur Drogenbekämpfung sowie die geplante Konferenz zur regionalen Polizeikooperation, die am 18. und 19. Mai in Doha stattfinden soll;
bekräftigen auf dieser Grundlage, dass

Afghanistan und die internationale Gemeinschaft auch weiterhin eine dauerhafte Partnerschaft für die Zukunft pflegen werden, die es Afghanistan erlaubt, den mit dem Abkommen von Bonn begonnenen Übergangsprozess zu vollenden, dem Willen des Volkes zu entsprechen, Afghanistan wieder aufzubauen und ein sicheres, friedliches und stabiles Land zu schaffen, das seinen rechtmäßigen Platz in der internationalen Gemeinschaft freier Völker wieder vollständig eingenommen hat.

Quelle: Homepage der Bundesregierung (www.bundesregierung.de)


Zu weiteren Beiträgen über Afghanistan

Zurück zur Homepage