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Alternativen zum Krieg in Afghanistan:

18 Punkte-Vorschlag von Matin Baraki *

Die freie Welt führt seit mehr als dreißig Jahren einen verdeckten und seit zehn Jahren einen offenen Krieg gegen Afghanistan. Damit hat sie das gesamte Gefüge der afghanischen Gesellschaft zerstört. Die Infrastruktur, die ökonomischen, politischen und sozialen Fundamente des Landes vernichtet bzw. so aus dem Gleichgewicht gebracht, daß die Gesellschaft am Hindukusch auf unabsehbare Zeit nicht funktionsfähig sein wird. Es ist längst an der Zeit, über Alternativen zum NATO-Krieg nachzudenken. Folgende Thesen sollten dazu als Diskussionsgrundlage dienen:
  1. Ein einseitiger und bedingungsloser Waffenstillstand der NATO, zunächst für die Dauer von mindestens sechs Monaten.
  2. Ablösung der NATO-Einheiten durch eine International Security Assistance Force (ISAF) bestehend aus Einheiten der islamischen und Blockfreien Staaten.
  3. Auflösung aller NATO-Militärbasen und Stützpunkte sowie diesbezüglich geschlossener Verträge mit der Kabuler Administration.
  4. Eine nationale Versöhnungspolitik mit allen politischen und militärischen Gruppen, einschließlich der islamisch geprägten, wie den Taleban, der Hesbe Islami von Gulbudin Hekmatyar und dem Haqani-Netzwerk.
  5. Bildung einer Wahrheitskommission nach dem Muster von Südafrika.
  6. Auflösung aller militärischen, paramilitärischen Verbände der Warlords sowie der ausländischen und afghanischen privaten Sicherheitsfirmen.
  7. Vorbereitung von landesweiten Wahlen z.B. in den Dörfern, Kreisen, Bezirken usw. zu einer nationalen Loya Djerga (Ratsversammlung), unter der Kontrolle unabhängiger internationaler Organisationen, wie Friedens-, Frauen-, Studenten- und Gewerkschaftsbewegungen.
  8. Konstituierung einer vom Volk gewählten Loya Djerga, jedoch keine Ernennung von irgendwelchen Abgeordneten durch den Präsidenten.
  9. Auf dieser Loya Djerga sollen dann eine provisorische Regierung und Kommissionen zur Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfes basierend auf der Abschaffung des Präsidialsystems sowie eines Wahl-, Parteien- und Gewerkschaftsgesetzes gewählt werden.
  10. Durchführung von allgemeinen freien und von unabhängigen Gremien kontrollierten Parlamentswahlen.
  11. Wahl einer neuen Regierung unmittelbar durch das Parlament, ohne vorherigen Vorschlag des noch amtierenden Interimsministerpräsidenten.
  12. Abschaffung der Politik der offenen Tür und Einleitung einer auf dem nationalen Interesse basierenden Wirtschafts-, Finanz-, Zoll- und Steuerpolitik.
  13. Maßnahmen zum Wiederaufbau des zerstörten Landes, wofür ein Viertel der NATOKriegskosten aufzuwenden wären. Diese Mittel sollen auf einem unter unabhängiger Kontrolle stehenden Treuhandkonto geparkt und nur projektgebunden verwendet werden.
  14. An den Wiederaufbaumaßnahmen sollten die Nachbarn Afghanistans bevorzugt beteiligt werden. Dies wird die regionale Kooperation und Stabilität fördern.
  15. In der Region um Afghanistan soll auf eine mittel-südasiatische Union hingearbeitet werden. Neben Afghanistan sollen ihr die vier mittelasiatischen Länder, Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan und Kasachstan, sowie Iran, Pakistan und Indien angehören. Denn alle diese Länder haben viele Gemeinsamkeiten, wie Sprache, Religion und sogar Geschichte.
  16. Als vertrauensbildende Maßnahme soll Afghanistan als erstes Land nach etwa fünf Jahren seine nationale Armee auflösen.
  17. Eine mittel-südasiatische Union könnte zumindest zu einer endgültigen Lösung des Kaschmir-Konfliktes zwischen Indien und Pakistan und des Konfliktes um die Durand-Linie zwischen Afghanistan und Pakistan beitragen.
  18. Dann wäre es an der Zeit, die Atomarsenale Indiens und Pakistans abzuschaffen. Dadurch könne eine der konfliktreichen Regionen des asiatischen Kontinents zur Zone des Friedens, der Stabilität und der Prosperität werden.
Oktober 2011

* Dr. phil Matin Baraki, Sachverständiger für Afghanistan; Entwicklungspolitischer Gutachter; Institut für Politikwissenschaft; Zentrum für Konfliktforschung; Zentrum für Nah- und Mittelost-Studien (Philipps-Universität Marburg).
Von Matin Baraki erschien zuletzt auf unserer Seite:
Afghanistan: NATO-Terror contra Menschenrechte



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