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Mehr Aufklärung - mehr Truppen

AWACS-Aufklärung soll der NATO mehr Klarheit in Afghanistan verschaffen - Obama will mehr GIs in den Kampf schicken. Zwei Artikel

AWACS nach Afghanistan

Von Rüdiger Göbel *

Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr soll offensichtlich noch weiter ausgedehnt werden, als bisher von der Bundesregierung öffentlich eingestanden. Presseberichten zufolge rüsten sich Soldaten der NATO-Airbase Geilenkirchen für einen Kriegseinsatz am Hindukusch. Sie sollen mit AWACS-Flugzeugen die Luftraumüberwachung übernehmen. Bisher ist dafür die US-Armee zuständig. »Die Soldaten der AWACS-Aufklärungsflugzeuge mit deutschen Besatzungen stehen auf der Wunschliste der NATO-Einsatzkräfte im Kampf gegen die Taliban ganz oben«, berichtete die Aachener Zeitung am 1. Juli. NATO-Offizielle in Brüssel hätten die Pläne bestätigt. Wie das Blatt weiter meldet, liegt dem Verteidigungsministerium in Berlin, wo zur Zeit eine umfassende Truppenaufstockung für Afghanistan um 1000 auf 4500 Bundeswehrsoldaten geplant wird, bereits eine entsprechende Anfrage der ­NATO vor. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete dagegen am Freitag, das Ministerium bestreite, daß eine solche Anfrage vorliegt. Focus-Reporter Thomas Wiegold bestätigte im Internetportal des Münchner Magazins dagegen den Bericht über die AWACS-Anforderungen: »Wie ich aus dem Verteidigungsministerium höre, ist da schon was dran«, auch wenn es bislang noch keine offizielle Anfrage an Berlin gebe.

Derzeit wird der AWACS-Aufklärungsverband für insgesamt 1,6 Milliarden Dollar technisch modernisiert. Das sei auch bei den NATO-Strategen angekommen, so die Aachener Zeitung. »Der E3-A-Verband hat genau die militärischen Fähigkeiten, die wir in Afghanistan brauchen«, habe es bei der NATO in Brüssel geheißen. Offiziell dienten die Maschinen der Luftraumüberwachung für Bündnisstaaten. »Doch ist Afghanistan weder Bündnisstaat, noch besitzen die Taliban eine Luftwaffe«, merkte das Blatt süffisant an.

FAZ und Focus online zufolge könnten die AWACS als »fliegende Tower« den immer umfangreicheren Luftverkehr der NATO und der US-Armee über Afghanistan koordinieren und leiten: von den Transportflugzeugen und -hubschraubern bis zu den Kampfbombern, die zur Unterstützung der Bodentruppen eingesetzt werden und bisweilen auch in der Luft betankt werden müssen. »Das würde dann allerdings auch bedeuten, daß die AWACS-Besatzungen Ziele zuweisen, also aktiv Jagdbombereinsätze leiten – über ganz Afghanistan«, stellt Focus-Wehrexperte Wiegold klar. Hierfür wäre ein neues bzw. eine Erweiterung des bestehenden Afghanistan-Mandats des Bundestages erforderlich.

Was die Medien verschweigen: Mit den AWACS-Maschinen über Afghanistan können auch der Luftraum über Iran überwacht und mögliche Angriffe koordiniert werden. In den vergangenen Wochen häuften sich Berichte, wonach Israel und die USA entsprechende Attacken gegen das erdölreiche Land vorbereiten (siehe jW vom 30.6. und 1.7.). Vorbild für den länderübergreifenden AWACS-Einsatz wäre der völkerrechtswidrige Irak-Krieg 2003. Damals hatten die NATO-Luftaufklärer von der Türkei aus der US Army assistiert.

* Aus: junge Welt, 5. Juli 2008


Mehr US-Soldaten nach Afghanistan **

Präsidentschaftskandidat Obama verlangt für »neue Strategie« neue Kampfbrigaden Der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Barack Obama, will 10 000 weitere US-Soldaten nach Afghanistan schicken. Dort starben weitere Menschen bei Anschlägen und Kampfhandlungen.

Angesichts der zunehmenden Gewalt in Afghanistan bräuchten die Soldaten stärkere Unterstützung, erklärte Senator Obama am Montag in der »New York Times«. »Als Präsident würde ich eine neue Strategie verfolgen und damit beginnen, mindestens zwei weitere Kampfbrigaden zur Unterstützung unserer Mission in Afghanistan bereitzustellen«, meinte Obama in einem Schreiben, das die Zeitung veröffentlichte. Das bedeutete rund 10 000 Soldaten zusätzlich zu den bereits 33 000 dort eingesetzten.

Die USA bräuchten »mehr Truppen, mehr Hubschrauber und mehr Geheimdienstinformationen«, betonte Obama. Erst am Sonntag hatten US-Medien berichtet, dass die USA eine Beschleunigung ihres Truppenabzuges aus dem Irak erwägen, um mehr Soldaten nach Afghanistan zu senden. Möglicherweise könnten von September an bis zu drei der 15 im Irak stationierten US-Kampfbrigaden abberufen werden, berichtete die »New York Times«.

Bei einem Bombenanschlag auf einen Konvoi der internationalen Schutztruppe ISAF in der südafghanischen Provinz Helmand sind sechs einheimische Sicherheitskräfte getötet worden. Laut Angaben hatten die Männer am Vortag einen ISAF-Versorgungskonvoi eskortiert, als ein am Straßenrand versteckter Sprengsatz explodierte.

Zuvor waren am Sonntag bei einem Angriff der Taliban auf einen Posten der NATO-geführten ISAF in der ostafghanischen Provinz Kunar neun amerikanische Soldaten getötet worden. Es waren die schwersten Verluste für die ISAF bei einem Gefecht in diesem Jahr.

»Es war ein gut geplanter und brutal geführter Angriff«, sagte ein ISAF-Sprecher am Montag. Die Aufständischen hätten den Posten im Dorf Wanat am frühen Sonntagmorgen mit Mörsergranaten und automatischen Waffen attackiert und dabei Wohnhäuser, Geschäfte sowie eine Moschee als Deckung benutzt. ISAF und afghanische Armee hätten den Angriff mit Bodentruppen und Kampfhubschraubern zurückgeschlagen. Die Opferzahl auf Seiten der Taliban soll nach ISAF-Angaben im »hohen zweistelligen Bereich« liegen.

Das Grenzgebiet im Süden und Osten Afghanistans ist eine Hochburg der radikalislamischen Taliban. Die Stammesgebiete auf pakistanischer Seite der Grenze gelten als Rückzugsraum der Extremisten. Seit Jahren wirft die Regierung in Kabul Pakistan vor, nicht entschieden genug gegen Taliban-Kämpfer und Terroristen von Al Qaida vorzugehen. Der afghanische Präsident Hamid Karsai erklärte am Montag erneut, dass Pakistan hinter Anschlägen und Gewalt in Afghanistan stecke.

»Die Gewalt, die Morde, die Zerstörungen in Afghanistan werden von den pakistanischen Geheimdiensten verübt«, erklärte Karsai. »Wir wissen, wer unschuldige Menschen tötet. Wir haben das der pakistanischen Regierung und der Welt gesagt und von nun an wird dies jedes Mitglied der afghanischen Nation wiederholen«, heißt es in der Erklärung weiter. Karsai bezog sich unter anderem auf einen Selbstmordanschlag in der südlichen Provinz Urusgan.

** Aus: Neues Deutschland, 15. Juli 2008


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