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Fragwürdige Freunde

Australische ISAF-Einheit setzt auf enge Kooperation mit Warlord

Von Thomas Berger *

Er ist bekannt als »der Herr der Highways«: Matiullah Khan, einer der zahlreichen Warlords im kriegsgeschüttelten Afghanistan. Er gehört zu den einflußreichsten Persönlichkeiten in der Provinz Urusgan, wo die ISAF-Truppe der NATO von der australischen Einheit angeführt wird. Nicht nur verantwortliche australische Offiziere vor Ort pflegen eine fragwürdige Zusammenarbeit mit Matiullah. Eine Gruppe hochrangiger Mitglieder von dessen schlagkräftiger Privatarmee soll vergangene Woche zu Trainingszwecken sogar nach Australien geflogen sein. Zwar hüllt sich dazu die Regierung der sozialdemokratischen Premierministerin Julia Gillard offiziell in Schweigen. Sowohl die in Melbourne verlegte unabhängige nationale Tageszeitung The Age als auch einige Regionalblätter brachten aber die Meldung, daß die sechs Männer offenbar geheime militärische Übungen unter direkter Leitung der Armee (ADF) absolviert haben.

Zumindest die Reise selbst sowie das Zusammentreffen mit australischen Offizieren wurde von regierungsamtlichen Stellen bestätigt. Und auch die Kooperation mit Matiullahs Miliz in Afghanistan steht nicht in Zweifel: »Es ist wichtig, daß die ADF innerhalb der kulturellen Normen Afghanistans arbeitet. Deshalb ist in Gebieten, wo einflußreiche lokale Führer operieren, ihre Zusammenarbeit unabdingbar, um Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten«, wird ein nicht namentlich genannter Armeesprecher zitiert. Der Oberkommandiere der australischen Streitkräfte, Luftmarschall Angus Houston, hat es bei einem Kabul-Besuch Anfang Oktober gegenüber Präsident Hamid Karsai noch deutlicher ausgedrückt: Die Kooperation mit der Miliz sei so, daß man »stolz« sein könne.

Die Mitglieder der Truppe gebärden sich als lokale Einheit der afghanischen Polizei, ohne dies allerdings zu sein. Loyal sind sie nur gegenüber ihrem Chef, einem hageren Mann Ende 30 oder Anfang 40 mit sorgfältig gestutztem Bart. Matiullah hat den Ruf, nur für sich selbst zu arbeiten. Wie bei den meisten afghanischen Warlords sind seine Allianzen bisher immer nur kurzlebig gewesen. In Urusgan ist er mit seinen geschätzt 15000 Kämpfern die mächtigste Kraft, ohne allerdings einen offiziellen Posten zu bekleiden.

Ein Teil von Matiullahs Truppe unterstützt die Australier und die US-Amerikaner bei Kampfeinsätzen, während der andere Teil für die Sicherheit der Transporte auf den Überlandstraßen der Provinz zuständig ist und dafür von den ISAF-Truppen bezahlt wird. Wie fragwürdig diese Vereinbarung sein kann, zeigt ein Beispiel, das The Age in dem aktuellen Hintergrundbeitrag anführte. So sollen einige Männer des Milizführers vor knapp einem Jahr mit ihren Waffen einen Treibstoffkonvoi gestoppt und 2000 bis 3000 Dollar pro Tanklaster als »Maut« gefordert haben.

* Aus: junge Welt, 2. November 2010


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