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"... dass 15 bis 20 Mann da waren"

Afghanischer Bericht weist Einzeltäter-Version bei Massaker zurück *

Nach dem Massaker an Zivilisten im südafghanischen Kandahar geht das Parlament in Kabul entgegen der Darstellung der US-Armee nicht von einem Einzeltäter aus.

»Mehr als ein Dutzend Soldaten (...) haben Dorfbewohner getötet und dann die Leichen verbrannt«, sagte der Abgeordnete Nahim Lalai Hamidsai aus Kandahar am Sonntag. Das habe die Untersuchung einer Parlamentskommission ergeben, der Hamidsai angehört. »Alle Dorfbewohner, mit denen wir gesprochen haben, sagten, dass 15 bis 20 Mann da waren.« Aus Hamidsais Sicht sprechen auch die unterschiedlichen Orte des Massakers gegen die Einzeltäter-These. Eines der Häuser, in dem Zivilisten getötet worden seien, liege nördlich der US-Basis, von der aus der oder die Täter kamen, erklärte der Abgeordnete. »Die anderen zwei (Häuser) sind in einem anderen Dorf südlich der Basis. Zwischen der Basis und den Häusern liegen mindestens vier Kilometer.«

Bei dem Massaker waren am Sonntag vergangener Woche nach afghanischen Regierungsangaben 16 Zivilisten getötet worden, darunter neun Kinder. Die USA verdächtigen einen 38 Jahre alten Unteroffizier namens Robert Bales, der nach einem Bericht der »New York Times« inzwischen in ein Militärgefängnis im US-Bundesstaat Kansas gebracht wurde.

Das Parlament in Kabul hatte ein öffentliches Verfahren gegen den US-Soldaten in Afghanistan verlangt. Angesichts der Bluttat forderte das Parlament Präsident Hamid Karsai auf, ein Abkommen aufzulösen, das ausländische Soldaten vor Strafverfolgung durch afghanische Behörden schützt. Die Resolution sei einstimmig verabschiedet, von Karsai aber bislang nicht unterzeichnet worden, sagte Hamidsai. Bislang werden Straftaten in den jeweiligen Truppenstellernationen verfolgt.

Unterdessen haben die Anwälte des mutmaßlichen US-Amokschützen Bales Berichte über dessen angeblich ausgeglichenes Wesen bestätigt. Der Feldwebel sei Vorgesetzten, Angehörigen und Freunden als »besonnener, erfahrener Soldat« bekannt gewesen, teilten die Verteidiger am Wochenende mit. Es sei daher weiterhin »zu früh«, etwas über die Ursachen des Amoklaufs zu sagen. In dieser Woche sei ein mehrtägiges Treffen mit Bales geplant, gaben die Anwälte an.

* Aus: neues deutschland, 19. März 2012


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