Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gegen Afghanistan-Krieg: Tausende demonstrierten in Berlin und Stuttgart

Lautstarker Protest und das Schweigen der Medien: Eine Auswahl von Pressemeldungen

Die Friedensbewegung gehört zweifellos nicht zu den gehätschelten Kindern der öffentlichen und privaten Medien. Das war nicht immer so und muss auch nicht unbedingt so sein. In den Monaten vor dem Irakkrieg 2003 zum Beispiel überschlus sich die Presse geradezu, um über die zunehmenden Poteste der Friedensbewegung gegen den drohenden Krieg zu berichten. Vielleicht weil damals auch die Bundesregierung offiziell diesen Krieg ablehnte. Beim Afghanistan-Krieg ist das anders. Die Regierungspolitik wird von den Leitmedien dieses Landes vollständig mitgetragen, zum Teil leidenschaftlicher und bedingungsloser als es die Regierungskoalition kann. Auch dies ist nicht selbstverständlich und stellt für die Medien möglicherweise sogar ein gewisses Risiko dar. Denn sie setzen sich eklatant in Widerspruch zu ihren Kunden. Immerhin gibt es zahlreiche belastbare Umfrageergebnisse, wonach der Afghanistaneinsatz von der Mehrheit der Bevölkerung entschieden abgelehnt wird.
Dennoch durfte man gespannt sein, wie die Medien mit den beiden Demonstrationen vom 20. September (Berlin und Stuttgart) umgehen würden. Im Folgenden dokumentieren wir:
  • einen ausführlichen Artikel aus dem "Neuen Deutschland", der überwiegend auf die Berliner Demo eingeht: Friedensfahnen gegen ISAF
  • einen knapper gehaltenen Artikel aus der "jungen Welt", der sich aus unersichtlichen Gründen mit Randerscheinungen der Demo befasst: Kriegsgegner in Aktion
  • einen Artikel aus der Tageszeitung taz, der bereits vor der Demo erschien klar gegen die Demo Partei ergriff. Dies erklärt auch, warum die taz über die Demo im nachhinein nicht mehr berichtete: Unfrieden unter roten Fahnen
  • Damit fiel das Blatt, das sich immer noch für "alternativ" hält, sogar hinter die vielen Regional- und Lokalzeitungen zurück, die immerhin eine Agenturmeldung von den beiden Demos verbreiteten. Darin stimmten allerdings die Teilnehmerzahlen nicht: Agenturmeldungen und weitere Zeitungsberichte. Die taz wurde auch glatt von der "Frankfurter Rundschau" überrundet, die am selben Tag wenigstens ein unkommentiertes Interview mit einem Vertreter des Friedensbündnisses abgedruckt hatte (siehe: "Militär ist keine Lösung".)
Beginnen wollen wir aber mit der von den Veranstaltern im Anschluss an die Demo herausgegebenen Presseerklärung.

Dem Frieden eine Chance, Truppen raus aus Afghanistan

Nein zur Verlängerung der Mandate für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan!

P R E S S E E R K L Ä R U N G

Wer wirklich den Frieden in Afghanistan will, muss zuerst den Krieg beenden! VeranstalterInnen zufrieden mit Demonstrationen

Berlin, 20. September 2008

Zufrieden erklärten sich die SprecherInnen der heutigen Demonstration in Berlin gegen die Verlängerung des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr. Sowohl die Beteiligung mit über 8.000 Menschen als auch die politischen Aussagen bei Auftakt und Abschluss erfüllten das Ziel, die breite Ablehnung des Krieges in der Gesellschaft eindrucksvoll zu demonstrieren. Die Angaben der Polizei von 1.300 TeilnehmerInnen auf dem Gendarmenmarkt sei absolut lächerlich, besonders da die Polizei bei der Auftaktveranstaltung schon von 2.000 gesprochen hatte.

"Afghanistan hat nur eine Chance auf Frieden, wenn alle Truppen abgezogen werden!", dass war die wiederholte Nachricht an die Bundestagsabgeordneten der bundesweiten Demonstration in Berlin und in Stuttgart. Sie wurde von einem Bündnis von über 250 Organisationen der sozialen, gewerkschaftlichen und Friedensbewegung und vieler weiterer Zusammenschlüsse durchgeführt. Genaue Angaben finden sich unter: www.afghanistandemo.de

Als ein weiterer Erfolg des heutigen Tages wird die internationale Ausdehnung der Aktionen und Demonstrationen gegen den Krieg in Afghanistan gewertet. Die US-Amerikanerin Medea Benjamin von der Friedensorganisation CODEPINK berief sich auf dem Gendarmenmarkt in Berlin auf das Zusammengehen der internationalen Bewegung gegen den Krieg seit den Aktionen, die gegen das Völkerrecht verstoßende Invasion in den Irak zu verhindern. Afghanistan sei kein guter Krieg: In den sieben Jahren des Krieges seien viel mehr afghanische Zivilisten getötet worden als im New York des 9/11.

Am heutigen Samstag protestieren tausende nicht nur in Deutschland gegen den Afghanistankrieg, sondern auch in anderen Ländern. Darunter Belgien, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Italien und bei dem zeitgleich beendetem Europäischen Sozialforum in Malmö.

In Manchester forderte die Demonstration den Rückzug der Truppen aus dem Irak und aus Afghanistan. In einer Botschaft an Berlin und Stuttgart hieß es: „... unterdessen wird uns erzählt Afghanistan sei - im Gegensatz zum Irak - der gute Krieg. Die Fakten zeigen, dass das nicht stimmt: Hilfsorganisationen haben im August darauf hingewiesen, dass Gewalt so verbreitet ist wie seit 2001 nicht mehr. Die Zahl der zivilen Opfer nimmt mit jedem Bombenangriff zu. Es gibt keinen Wiederaufbau mehr. Mehr und mehr britische Soldaten sterben mit dem Anstieg des Widerstands. Es ist eine Schande, dass New Labour diesen Krieg immer noch unterstützt.“

Aus Belgien hieß es: „Es ist gut, dass dieselben Demonstrationen stattfinden und dieselben Forderungen in verschiedenen Ländern der EU erhoben werden. In Belgien wird mehr und mehr Menschen bewusst, dass die Armee in Afghanistan keine humanitäre Hilfe leistet, sondern einen kriminellen Krieg kämpft und tausende von Zivilisten getötet hat. Die Truppen müssen zurückkommen! Nato raus aus Afghanistan!“




Friedensfahnen gegen ISAF

Tausende für einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan

Von Nissrine Messaoudi *


Mehrere tausend Kriegsgegner protestierten am Samstag in Berlin und Stuttgart unter dem Motto »Dem Frieden eine Chance - Truppen raus aus Afghanistan« gegen die Verlängerung des Bundeswehrmandats für die internationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF.

So langsam füllt sich der Platz des 18. März an der Westseite des Brandenburger Tors. Verschiedene Gruppen halten ihre Transparente hoch, die rote Fahne der LINKEN flattert neben der bunten Friedensfahne im Wind, als würden sie zum Takt der aufspielenden Trommelgruppe tanzen. Rechts vom Lautsprecherwagen stehen Stände von politischen und sozialen Organisationen. Zwischen den Menschen drängen sich unzählige Aktivisten, die ihre Flyer verteilen.

Viele sind nicht gekommen, aber immerhin sind nach Angaben der Veranstalter rund 7000 Menschen in Berlin und etwa 5000 in Stuttgart dem Ruf der Friedensbewegung gefolgt und demonstrieren gegen die Verlängerung des ISAF-Mandats. Während vorne die Auftaktkundgebung bereits begonnen hat, von der man weiter hinten nicht viel mitbekommt, ziehen zwei Frauen in langen blauen Burkas die Blicke der Menschen auf sich. Diese Frauen, darunter auch Fahima Safi, gehören zur afghanischen Frauenbewegung. Fahima versteht keines der Worte, die aus den Boxen kommen, nicht nur weil es zu leise ist, sondern weil sie kein Deutsch spricht.

Die 42-jährige Afghanin ist erst seit vier Monaten in Deutschland. »Die Ansprachen und das Engagement der Demonstranten in allen Ehren, was die Menschen in Afghanistan erleben und fühlen, kann aber keine Rede beschreiben«, sagt sie. Anders als der Großteil der Demonstranten ist sie direkt und persönlich vom Krieg am Hindukusch betroffen. »Die Taliban haben uns gezwungen, die Burka zu tragen, wir Frauen und Mädchen durften weder zur Schule noch ohne männliche Begleitung das Haus verlassen.« Ihre großen braunen Augen sehen betrübt aus, ihr Gesicht trägt Sorge, denn die Verbrechen in ihrer Heimat sind nach wie vor präsent. Die Anwesenheit des internationalen Militärs hat die Lage im Land nicht verbessert, im Gegenteil. »Die Soldaten müssen Afghanistan verlassen, die NATO muss Platz für UNO-Blauhelme machen, die sollen alle Kriegsverbrecher festnehmen und vor den Internationalen Gerichtshof bringen.« Fahima hat sich schon in Afghanistan für die Frauenrechte stark gemacht -- so gut es eben ging. Zweimal die Woche telefoniert sie mit ihrer Familie in Kabul. »Soweit geht es ihnen gut, sagen sie, aber nur, um mich nicht zu beunruhigen.« Die Frau mit schulterlangen dunklen Haaren kann nicht still stehen, sie hat ebenfalls Flyer in der Hand und bahnt sich den Weg durch die Menschen, um die Flyer zu verteilen.

Währenddessen spricht auf der Auftaktkundgebung Sabine Schiffer. Die in Erlangen lehrende Medienpädagogin kritisiert die Kriegsberichterstattung der bundesdeutschen Presselandschaft scharf. Wenn es der Regierung nicht gelingt, die Bürger vom gerechten Krieg zu überzeugen, dann treten die Medienanstalten - meist durch regierungsnahe »Think Tanks« wie dem Bertelsmann-Konzern - auf den Plan. Diese liefern, wie während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien oder des aktuellen Georgien-Konfliktes, »gefälschtes Bildmaterial« und gezielte Falschinformationen, um die Akzeptanz für einen Krieg in der Bevölkerung zu erzwingen. Damit betreibe man eine große »Inszenierung«, die den Deutschen ein falsches Bild der Bundeswehr vorgaukele. Der Bundeswehrsoldat werde als ein Arzt in Uniform und nicht als ein Teil einer Kampfeinheit dargestellt.

Mit viel Applaus wird die Rede von Aleida Guevara March bedacht. Die Tochter des argentinischen Revolutionärs Ernesto »Che« Guevara zeigt sich angesichts weltweit operierender Interventionstruppen besorgt. Die in Afghanistan kämpfenden Soldaten seien »unsere Kinder, Brüder und Schwestern. Wie lange werden wir es noch zulassen, dass unsere Familien in Kriege überall auf der Welt geschickt werden?«, sagt die auf Kuba praktizierende Kinderärztin.

Mit der Friedensfahne in der einen und einem großen Flugzeug aus Pappe mit der Aufschrift »Raus aus Afghanistan« in der anderen Hand, versuchen Mitglieder des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac den Ansprachen zu lauschen. Seit sechs Uhr morgens sind die zwei Aktivisten aus dem Vogtland auf den Beinen, um gegen den Bundeswehreinsatz zu protestieren. Auch Mechthild Hartum hört gebannt zu. Die 59-Jährige ist Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Zusammen mit zehn anderen, darunter auch die Trommelgruppe, die zwischen den Reden den Takt vorgibt, ist sie aus Wolfsburg angereist. »Es sind zu wenige da, aber so ist das mit Protesten, mal sind es mehr, mal weniger.« Die kleine Frau im grünen Wollmantel weiß, wovon sie spricht. Sie ist seit 30 Jahren politisch aktiv. »Wichtig ist, dass es Menschen mit langem Atem gibt, die die Bewegung vorantreiben«, sagt sie und wirft etwas Kleingeld in einen kleinen blauen Spendeneimer. Ihre langjährige Erfahrung hat ihr eine realistische Sichtweise auf Möglichkeiten von Protest gegeben: »Ich denke nicht, dass wir die Abstimmung der Abgeordneten im Oktober beeinflussen können, aber es ist wichtig, trotzdem auf die Straße zu gehen, um zu zeigen, dass das Volk anders denkt als die Regierung.« Nach Umfragen repräsentativer Meinungsinstitute lehnen zwischen 60 und 80 Prozent der deutschen Bevölkerung den Kriegseinsatz am Hindukusch ab.

Kritisch äußert sich auch Bernd Riexinger, Mitglied im Landesvorstand der LINKEN in Baden-Württemberg, in Stuttgart. Er bezeichnet den Bundeswehreinsatz als gescheitert. »Der Terrorismus ist nicht eingedämmt, sondern die Taliban sind gestärkt«, meint der Gewerkschafter Riexinger. Die Stimmung während der Demonstration ist friedlich, nur auf der Abschlusskundgebung gibt es kurzzeitig Aufregung, als der antikapitalistische Block einen Papp-Panzer symbolisch in Brand setzt.

In Berlin ziehen die Protestierenden mit Trommelwirbel und türkischem Rap durch die Innenstadt in Richtung Gendarmenmarkt. Hier und da bleiben ein paar Touristen und »Wochenendshopper« stehen. Einige hören zu und andere lesen die Plakate, die an ihnen vorüber getragen werden. Pünktlich um 14 Uhr trifft der Demonstrationszug dann zur Abschlusskundgebung am Gendarmenmarkt ein. Die Treppe zum Eingang des Konzerthauses ist beinahe komplett besetzt. Schnell werden noch die letzten Info-Stände aufgebaut, um Bücher, Zeitschriften und Flugblätter anzubieten. Vor der Bratwurstbude bildet sich eine lange Schlange und der Duft gegrillter Würstchen strömt auf die nahegelegenen Bänke, wo sich Friedensaktivisten von dem etwa eine Stunde dauernden Marsch ausruhen. Nicht wie zum Auftakt am Brandenburger Tor von einem geliehenen Kleinlaster, sondern von einer Bühne, die auch auf dem nächstgelegenen Hardrock-Festival hätte stehen können, tragen die Redner ihre Argumente für den sofortigen Abzug der internationalen Besatzungstruppen aus Afghanistan vor.

Ein Höhepunkt ist sicherlich der Beitrag von Martin Baraki. Der gebürtige Afghane konstatiert, dass der »Krieg gegen Afghanistan« bis in die Zeit des deutschen Kaiserreichs zurückgehe. 1914/15 sei die »Geburtsstunde« der »Verteidigung Deutschlands am Hindukusch« gewesen. Diese Ambitionen einer imperialen Großmacht führte, so der in Marburg lehrende Politikwissenschaftler, die Wehrmacht unter Hitlers Kommando mit der »Operation Barbarossa« fort. Auch dort seien deutsche Interessen verteidigt worden. Der aktuelle Krieg unterstreiche erneut die Großmachtambitionen der Bundesregierung.

Wie Peter Struck und dessen Vorgänger und SPD-Parteigenosse Rudolf Scharping steht auch der amtierende Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) für Kriegseinsätze jenseits bundesdeutscher Grenzen und damit auch abseits der deutschen Verfassung, die nach Artikel 87a die Bundeswehr eindeutig als eine Verteidigungsarmee definiert. Minister Jung kennt entweder das Grundgesetz nicht, was eher unwahrscheinlich ist, oder der CDU-Mann leidet an einer Art Realitätsverlust, was auf den zweiten Blick plausibler erscheint.

Wie Jung Anfang des Monats feststellte, führe Deutschland keinen Krieg, sondern beteilige sich lediglich am »Kampf gegen den Terror«. Nach dieser Auffassung stünden deutsche Soldaten auf dem »halben Erdball« für Frieden und Stabilität im Feld, wie Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, feststellte. Diese »Version vom Nicht-Krieg« soll die Bundeswehr legitimieren, »weltweit mitzuschießen«. Dass dabei - wie in Afghanistan - tausende Zivilisten umkommen, scheint die Bundesregierung billigend in Kauf zu nehmen.

Nach der letzten Rede werden die Fahnen und Transparente vorsichtig zusammengerollt. Es wird nicht die letzte Demonstration gegen den Krieg gewesen sein.

* Aus: Neues Deutschland, 22. September 2008


Kriegsgegner in Aktion

Friedensbewegung demonstrierte in Berlin und Stuttgart gegen Bundeswehreinsatz in Afghanistan. SPD-Fraktionschef für AWACS-Entsendung

Von Markus Bernhardt **


Mehrere tausend Kriegsgegner haben am Sonnabend in Berlin und Stuttgart gegen eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan demonstriert. Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung für den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan eintritt, will die Bundesregierung das Kontingent um 1000 Soldaten auf insgesamt 4500 Mann aufstocken. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sollen auf einer für den 7. Oktober geplanten Sondersitzung über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes beraten. Die Abstimmung selbst ist für Mitte Oktober angesetzt.

In Berlin hatte ein breites Bündnis von über 250 Gruppierungen zu der Demonstration aufgerufen. Nach Angaben der Polizei folgten dem Aufruf etwa 3300 Personen, die Veranstalter sprachen von 7000 bis 8000 Teilnehmern. Noch während sich der Zug am Brandenburger Tor in Bewegung setzte, kam es zu ersten Provokationen von seiten der Polizei. Beamte versuchten grundlos, eine Gruppe kurdischer Demonstranten zu bedrängen. Dies konnte jedoch durch das beherzte Eingreifen vor allem älterer Teilnehmer aus dem »Antikapitalistischen Block« verhindert werden, die sich schützend um die Kurden herum postierten.

Bei der Abschlußkundgebung am Berliner Gendarmenmarkt entzündeten Demonstranten einen Pappanzer, um gegen die Kriminalisierung von Kriegsgegnern im Rahmen des Verfahrens gegen die sogenannte militante Gruppe (mg) zu protestieren, deren Prozeß am Donnerstag in Berlin beginnen soll. Die Polizei löschte den Brand.

In Stuttgart nahmen etwa 3000 Menschen an der Demonstration teil. Bernd Riexinger, Mitglied des Landesvorstandes der Linkspartei in Baden-Württemberg, bezeichnete den Auslandseinsatz der Bundeswehr auf der Kundgebung als gescheitert. Die afghanische Frauenrechtlerin Zoya konstatierte: »Es gibt keine Meinungsfreiheit im Land. Die alliierten Truppen haben die bestehenden demokratischen Gruppen ignoriert, anstatt sie zu unterstützen«. Auch die Verstärkung der Besatzungstruppen, wie beispielsweise von US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama gefordert, werde an der Lage nichts ändern.

Zufrieden mit den Protesten äußerten sich deren Organisatoren. Es sei gelungen, ein beeindruckendes Zeichen gegen die völkerrechtswidrige Intervention in Afghanistan zu setzen. Immer mehr Bundesbürgern werde bewußt, daß Besatzung und Krieg sowie die vorgesehene Truppenverstärkung von US-Armee und Bundeswehr das Land weiter destabilisieren würden. Selbst Exverteidigungsminister Peter Struck, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, räumte am Wochenende ein, die Zustimmung zum Bundeswehreinsatz sinke. Dessenungeachtet sprach er sich erneut dafür aus, der möglichen Bitte der NATO um Entsendung von AWACS-Aufklärungsflugzeugen nachzukommen.

* Aus: junge Welt, 22. September 2008


Unfrieden unter roten Fahnen

Mehrere linke Gruppen protestieren heute gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Einige halten sich raus. Ihnen ist das Motto zu platt. Zudem werde der Protest von der Linkspartei dominiert.

VON ELISE LANDSCHEK ***


In der Sache sind sich mal wieder alle einig, bloß um die Stoßrichtung gibt es Streit. Unter Linken kein unbekanntes Problem. Diesmal geht es um die Haltung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan - und um das Motto der dazugehörigen linken Kampagne.

Der Bundestag wird am 7. Oktober die weitere Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf beraten. Am selben Tag entscheidet auch das Bundeskabinett. Endgültig stimmen die Parlamentarier Mitte Oktober ab. Anzeige

Gegen die Verlängerung will heute eine Vielzahl von linken Bündnissen und Friedensinitiativen, Parteien und antifaschistische Vereinigungen in Berlin und Stuttgart demonstrieren. Motto der Protestzüge: "Dem Frieden eine Chance - Bundeswehr raus aus Afghanistan".

"Dieser Leitspruch ist uns viel zu allgemein", sagt Gabi Lips, stellvertretende Geschäftsführerin von Ver.di für den Bezirk Berlin. "Einfach nur die Truppen abziehen - das bringt niemandem etwas. Uns fehlt die Strategie dahinter, was dann mit dem Land passieren soll." Die Gewerkschaft hat daher ihre Mitglieder nicht zur Teilnahme aufgerufen. "Mit solch einem allgemeinen Spruch holt man die Leute nicht auf die Straße", sagt Lips. Im letzten Jahr war die Beteiligung an dem Demozug mit circa 5.000 Menschen in der Tat nicht berauschend - für Berliner Verhältnisse allerdings auch nicht zu verachten. Ver.di sieht das anders: "Es waren zu wenige auf der Straße. Zum Vergleich: Als es um den Irakkrieg ging, waren es 500.000", springt Jürgen Horn, Vorsitzender der Ver.di-AG Frieden und Antirassismus, der Bezirksvertreterin zur Seite.

Jens-Peter Steffen, Mitglied des "Friedensbündnisses gegen die Verlängerung der Bundeswehrmandate", wirft den Ver.di-Vertretern Realitätsferne vor. Seiner Meinung nach haben mehrere Studien bereits bewiesen, dass die Mehrheit der Deutschen für eine sofortige Beendigung des Bundeswehreinsatzes sei. Den Vorwurf der Planlosigkeit für die Zeit nach dem Abzug weist er zurück. "Wir sind eine sehr heterogene Gruppe. Einige von uns sind durchaus für die Erarbeitung einer Strategie, was nach dem Truppenabzug passieren soll."

Doch auch die Initiative "Musik gegen Gewalt", sonst immer in vorderster Front bei Friedensdemos, stellt sich gegen die Hauptveranstalter. Außer logistischer Unterstützung ist dieses Jahr von ihnen kein größeres Engagement zu erwarten. "Uns missfällt die einseitige politische Ausrichtung, die Akteure wie Ver.di verprellt", sagt Holger Werner, Sprecher der Initiative. Vor allem das starke Engagement der Partei Die Linke sieht er mit Argwohn. "Wir wollen überparteilich unsere Aussagen treffen", sagt er.

"Wir müssen uns nicht dafür schämen, dass wir stark für die Demo mobilisieren", entgegnet Linkspartei-Sprecher Thomas Barthel. Schließlich fordere die Linke den Bundeswehrabzug schon seit Jahren.

Ver.di fürchtet dennoch, dass der Protestzug zum Wahlkampfveranstaltung der Linken mutiert. "Das diskreditiert die ganze Demo, wenn die Linke sie mit ihren Fahnen optisch dominiert", sagt Jürgen Horn.

* Aus: taz (Berlin-Ausgabe), 20. September 2008


Agenturmeldungen und weitere Zeitungsberichte

Demos gegen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ****

Mehr als 5000 Demonstranten haben in Berlin und Stuttgart gegen eine Verlängerung des Mandats für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan protestiert. Die Aktionen unter dem Motto "Dem Frieden eine Chance - Truppen raus aus Afghanistan", wurden von einem Bündnis von über 250 Organisationen der Friedensbewegung sowie von Mitgliedern von Gewerkschaften und weiteren Verbänden organisiert. An den Umzügen in Berlin beteiligten sich nach Polizeiangaben etwa 3300 Menschen, in Stuttgart waren es demnach etwa 2000. Die Veranstalter sprachen von insgesamt 7000 Teilnehmern.

Der Bundestag berät am 7. Oktober über eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. "Afghanistan hat nur eine Chance auf Frieden, wenn alle Truppen abgezogen werden", hieß es dazu in einer Mitteilung der Friedensbewegung. Ihre Sprecher wiesen darauf hin, dass es auch in anderen europäischen Ländern Protesten gegen den Militäreinsatz in Afghanistan gegeben habe, darunter in Belgien, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Italien und bei dem Europäischen Sozialforum im schwedischen Malmö.

**** Agenturmeldung AFP


Proteste gegen Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes *****

Zu einer Demonstration gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan sind am Samstag in Berlin nach Veranstalterangaben rund 7000 Menschen gekommen. Aufgerufen hatte zu dem Protestzug ein bundesweites Bündnis aus rund 250 überwiegend linksgerichteten Initiativen.

Berlin - Der Protestmarsch in der Hauptstadt zog vom Brandenburger Tor zum Gendarmenmarkt, wo es am Nachmittag eine Abschlusskundgebung gab. Die Teilnehmer appellierten an die Bundestagsabgeordneten, gegen eine Fortsetzung des Einsatzes zu stimmen. Mitorganisatorin Christine Buchholz, Vorstandsmitglied der Partei Die Linke, sagte, mit der Demonstration sei ein deutliches Zeichen gegen die Verlängerung des Afghanistan-Mandats für die Bundeswehr durch den Bundestag gesetzt worden.

Größere Zwischenfälle gab es nach Angaben eines Polizeisprechers nicht. Zwei Plakate, die den ehemaligen Vorsitzenden der kurdischen Untergrundorganisation PKK, Abdullah Öcalan, zeigten, seien von Beamten beschlagnahmt worden. Festnahmen gab es nicht. Zeitgleich gab es einen Protestzug zum gleichen Thema in Stuttgart mit nach Polizeiangaben rund 2000 Teilnehmern.

Unterstützung sinkt

In der Debatte um den Bundeswehreinsatz räumte SPD-Fraktionschef Peter Struck ein, dass die öffentliche Unterstützung der Bürger für die Präsenz der Bundeswehr in Afghanistan sinke. Struck unterstützt jedoch eine mögliche Bitte der NATO um Entsendung von AWACS-Flugzeugen zur Luftraumüberwachung in Afghanistan.

Der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte Struck, er sei dafür, einer solchen Bitte zu entsprechen. "Denn wir müssen unseren Soldaten und den Soldaten der Partnernationen jeden Schutz geben, den sie brauchen", betonte der Ex-Verteidigungsminister. Im Oktober muss der Bundestag über die weitere Beteiligung der Bundeswehr an der Internationalen Schutztruppe ISAF entscheiden. (pb/ddp)

***** Aus: Der Tagesspiegel (online) / 20.9.2008


Zurück zur Afghanistan-Seite

Zur Seite "Friedensbewegung"

Zur Sonderseite "Truppen raus aus Afghanistan"

Zur Medien-Seite

Zurück zur Homepage