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Viel zu sagen - aber wenig Gehör, vor allem in den Medien

Die Friedensbewegung und der zehnte Jahrestag des Afghanistankriegs. Eine Nachlese


Zum 10. Jahrestag des Beginns des Afghanistankrieges fanden in der Bundesrepublik zahlreiche Veranstaltungen und Aktionen statt. Sie fanden indessen kaum Eingang in die herrschenden Medien. Lediglich die linksgerichtete Presse berichtete darüber. Im Folgenden dokumentieren wir - sozusagen als Nachlese zum Jahrestag - ein paar Berichte; sie geben den Umfang der Aktivitäten nur rudimentär wider. In einem aber haben sie leider recht: Das Engagement der Kriegsgegner lässt zu wünschen übrig. Die 70 Prozent der Gegner des Afghanistankrieges - wo sind sie?
Es folgen diese Beiträge:


Zu viel Beton für zu wenige Demonstranten

Gegner des Afghanistan-Krieges demonstrierten vor dem Kanzleramt

Von René Heilig *


Friedensaktivisten und linke Gruppen haben am Samstag (8. Okt.) in Berlin unter dem Motto »Truppen abziehen - sofort und bedingungslos« für ein Ende des Afghanistan-Krieges demonstriert. Sie zogen vom Potsdamer Platz zum Kanzleramt, das sie am Nachmittag symbolisch umzingeln wollten.

Um die Mittagszeit zogen die Demonstranten mit Transparenten, Trommeln, Trillerpfeifen am Reichstag vorbei zum Dienstsitz Angela Merkels. Das Kanzleramt sollte symbolisch umzingelt werden, um zu zeigen, dass das Volk es nicht länger dulden mag, wenn seine Regierenden Krieg führen. Die Liste der Organisationen, die aufgerufen hatten, war lang. Die Kette am Kanzleramt war es nicht. Nur gut 300 Friedensbewegte standen vor der riesigen Betonburg, die uneinnehmbar scheint.

»Ach der Ströbele.« Ein Mann mit Frieden forderndem Pappschild in der Hand, hatte den Grünen-Bundestagabgeordnete beim Abradeln der Demonstranten entdeckt. »Na, wieder mal die Hand gehoben zum Krieg?« Wahrlich, eine unfaire Anschuldigung - im Falle Ströbele. Was der Mann dann auch einsah und mit dem Satz kommentierte: »Na ja, der Ströbele ist eben ein Auslaufmodell...«

Mancher, der die wenigen inzwischen zur Bühne strebenden zumeist älteren Demonstranten betrachtete, mochte sich ähnlich befragt haben. Wie weiter mit der Friedensbewegung? Wie lange noch leisten einige wenige Gewissensdienst für Nachbarn und Nation? Gewiss, 70 Prozent aller Deutschen sind gegen die Beteiligung deutscher Soldaten am Afghanistankrieg. Doch aus diesen abgefragten Überzeugungen entsteht kaum sicht-, geschweige ein weithin vernehmbarer Protest gegen die Politik der Regierung. Nicht mal Ströbele kann sich artikulieren, wenn im Bundestagsplenum über den Krieg am Hindukusch debattiert wird. Seit zehn Jahren gibt ihm die eigene Fraktion keine Redezeit, um Grundfeste seines Gewissens zu erklären. Und hier am Kanzleramt?

Da redete volksnah, weil nur von einem kleinen Lkw herab, Reiner Braun. Der vertritt IALANA - Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen. Er verwies auf den jüngsten Bericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, laut dem in Afghanistans Gesundheitswesen gerade der »kritische Tiefpunkt« erreicht wird. Das UN-Programm für Ernährung bittet dringend um 100 Millionen US-Dollar zusätzlich, um Lebensmittel für 2,6 Millionen Afghanen kaufen zu können, die sonst nicht durch den Winter zu bringen sind. Das, so Braun, seien auch Ergebnisse von zehn Jahren Krieg gegen den Terrorismus und für »Menschenrechte« in Afghanistan.

Shala Aslam, eine junge Frau, die zur Demonstration gekommen ist, hat für die angeblich so demokratischen Heilsgaben der NATO nur ein Wort übrig: »Heuchelei!« Sie schüttelt den Kopf über die angebliche Befreiung der Frauen und Mädchen. Sie musste aus Afghanistan fliehen, weil sie es gewagt hatte, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen zu wollen. Und sie musste mit ansehen, wie NATO-Soldaten über ihr Dorf herfielen. Weg, nur weg, wollte sie - und leidet nun unter dem Verlust von Heimat. Daher kam sie - wie ein Dutzend Landsleute - zur Demo.

Sie ist aber wie die meisten Teilnehmer skeptisch, dass die USA und ihre Verbündeten tatsächlich abziehen werden aus Afghanistan. Das Wort vom Täuschungsmanöver machte die Runde. Man hat in Irak gesehen, wie Kriege »privatisiert« werden, um den USA Stützpunkte zu erhalten. Afghanistan bietet sich an im asiatischen Raum, der zunehmend weltpolitische Geltung erhält. Daher fordert die Friedensbewegung: Waffenstillstand sofort! Verhandlungen mit allen beteiligten Gruppierungen, Abzug aller ausländischen Truppen und koordinierte Hilfe für eine friedliche Entwicklung in Afghanistan. Die Mittel dafür sind da. Bis zum Abzug im Jahre 2014 wird allein die Bundesrepublik Deutschland rund 22 Milliarden Euro aus Steuerkassen für den Krieg verschleudert haben.

Gut ein Dutzend Meter von den Polizeipferden, mit denen der Protestzug begleitet worden war, lag an einer Parkplastik ein Haufen Wolldecken. Auf dem noch grünen Gras des Tiergartens standen zwei Lidl-Tüten. Deren Besitzer hob nur kurz die Decke, um zu sehen, was vor seinem »Heim« vorgeht. Seine Ruhe war gestört, die der Kanzlerin und ihres Kabinetts wohl kaum.

Eine kleine historische Anmerkung - nicht ganz am Rande: Am 10. Oktober 1981, also vor 30 Jahren, hatten sich 300 000 Menschen im Bonner Hofgarten gegen die Bedrohungen durch den NATO-Doppelbeschluss zur Wehr gesetzt.

* Aus: neues deutschland, 10. Oktober 2011


Armut, Chaos und Gewalt

Friedensbewegung diskutiert in Berlin über Folgen und Perspektiven des NATO-Feldzugs in Afghanistan. Weitere Demos und Konferenzen geplant

Von Carmela Negrete **


Es ist eine erstaunliche Aussage. »Das sind nur humanitäre Argumente, und mit diesen Argumenten kann man den USA nicht kommen.« Die Worte stammen von einem Mitarbeiter des Auswärtiges Amtes. Sie galten dem Dokumentarfilmer Frieder Wagner. Der war am 1. Juni 2010 auf Einladung von Regierungsvertretern im Auswärtigem Amt zu Besuch. Dort hatte er eindringlich vor den von Konsequenzen von mit Uran angereicherter Munition gewarnt, wie sie den Verbündeten der Bundeswehr bis heute in Afghanistan verwendet wird.

Wagner erzählte diese Anekdote am Freitag abend (7. Oktober) bei einer Antikriegsveranstaltung zum zehnten Jahrestag des Afghanistanfeldzugs in Berlin. [Warum die Autorin dieses Artikels an keiner Stelle erwähnt, dass es sich um eine Veranstaltung des Bundesausschusses Friedensratschlag handelt, bleibt deren Geheimnis; Anmerkung: AGF.] Der Autor des Filmes »Deadly Dust – Todesstaub«, in dem es um den Einsatz von Uranmunition im Kosovo, in Bosnien und im Irak geht, war einer der Teilnehmer des Treffens im Haus der Gewerkschaft IG Metall. Welcher Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes seiner Warnung widersprochen habe, wollte er jedoch auch auf Nachfrage nicht erzählen.

Dabei sorgen diese Waffen für schwere gesundheitliche Schäden bei den Betroffenen. In der afghanischen Provinz Kandahar sei die Strahlendosis 400 Mal höher als in Tchernobyl, zitierte Wagner unabhängige Wissenschaftler. Auch das Trinkwasser in der Hauptstadt Kabul wird über Jahrhunderte vergiftet sein.

Doch die Uranmunition ist nicht das einzige Problem, mit dem die Menschen in Afghanistan zu kämpfen haben. Die vorläufige Bilanz des Krieges gegen die Taliban ist katastrophal. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 47 Prozent. Laut Lühr Henken vom Beirat der »Informationsstelle Militarisierung« (IMI) [hier hätte die Autorin des jW-Artikels zum zweiten Mal die Gelegenheit gehabt, den "Friedensratschlag" wenigstens zu erwähnen, ist doch Lühr Henken einer seiner Sprecher und als solcher auch bei der Veranstaltung aufgetreten.] ist das unter anderem die Folge einer Wirtschaft, die lediglich auf Opiumanbau basiert. Daran hat auch der Einsatz der westlichen Truppen nichts geändert. Es herrschen Armut, Chaos und Gewalt in Afghanistan, faßt die IMI die Situation im Land zusammen.

Mahmoud Kahn bezweifelt, daß es der NATO-»Schutztruppe« ISAF nur um die Bekämpfung des Terrorismus gehe. Der Afghane aus Kandahar hat drei Jahre lang als Dolmetscher für die ISAF gearbeitet. Kahn hat unter anderem bei Treffen der Geheimdienste der USA, Afghanistans und Pakistans übersetzt. Er wies darauf hin, daß es die USA waren, die die Taliban Ende der 80er Jahre im Kampf gegen die Sowjetarmee mit Waffen unterstützt hatten.

In Deutschland lehnt die Mehrheit der Bevölkerung den Einsatz der Bundeswehr ab. Am Samstag (8. Okt.) protestierten in Berlin etwa 1000 Menschen unter dem Motto »Truppen abziehen – sofort und bedingungslos« gegen den Krieg. Obwohl Ende 2011 der Abzug der deutschen Armee beginnen soll, sind vom 3. bis 5. Dezember in Bonn vielfältige Aktionen gegen den Krieg in Afghanistan geplant. Neben einer internationalen Konferenz rufen die Friedensaktivisten bundesweit auch zu einer Demonstration in die Rheinmetropole auf.

** Aus: junge Welt, 10. Oktober 2011


„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“

Beeindruckende Kundgebung der ‚Würselener Initiative für den Frieden’ am 10. Jahrestag des Kriegsbeginns in Afghanistan

Im vollbesetzten Saal des ‚Alten Rathauses’ eröffnete die Trommelgruppe ‚KANKOURAN’ der Würselener Realschule unter der Leitung von Ulla Kranhold die Veranstaltung. Barbara Krude, die Moderatorin des Abends, sagte zur Bedeutung der Kundgebung, dass sie dem Gedenken der Menschen gewidmet sei, die in Afghanistan in den letzten 10 Jahren durch den Krieg ihr Leben verloren haben und derjenigen, die an den Folgen des Krieges leiden, und dass der Forderung Nachdruck verliehen werden soll, die deutschen Truppen aus Afghanistan abzuziehen und Afghanistan zivil zu helfen. Sie betonte, dass In Afghanistan seit ca. 30 Jahren mit wechselnden Gegnern Krieg geführt würde und seit 10 Jahren Deutschland sich am Krieg beteilige, der in den letzten 10 Jahren 30 000 bis 40 000 Menschen das Leben gekostet habe. Sie unterstrich, dass viele Organisationen Würselens und der Städteregion die Kundgebung unterstützen und so viele engagierte Menschen die Veranstaltung mitgestalten würden. Marius Hänel von der Linksjugend Aachen forderte Geld für Bildung statt für Bomben und beschwerte sich über Werbemethoden der Bundeswehr in Schulen. Birgit Leisten trug Antikriegsgedichte von Ingeborg Bachmann, Erich Fried und ihrem Mann Christoph Leisten vor. Harald Claßen begleitete das Programm einfühlsam mit Klarinettensoli. Pfarrerin Alders beleuchtete das Motto der diesjährigen ökumenischen Friedensdekade: „Gier Macht Krieg“ aus christlicher Sicht. Hauptredner des Abends war Jürgen Heiducoff, Oberstleutnant a.D., der von 2005 bis 2008 in Afghanistan stationiert war und bis heute regelmäßige Kontakte zu afghanischen Freunden in Kabul pflegt. Er sprach über die Eskalation des 10 Jahre andauernden Krieges des Westens am Hindukusch und erinnerte an das unermessliche Leid der Menschen in einem Land, das zu den ärmsten der Welt gehört und an die ständig steigende Zahl der getöteten, verletzten und traumatisierten Menschen.

Da er bereits vor mehr als vier Jahren während seiner Dienstzeit als militärischer Berater an der deutschen Botschaft in Kabul diesen Krieg mit seinen zivilen Opfern als unerträglich empfunden habe, habe er 2007 in einem Brief an den damaligen Außenminister Steinmeier seine Kritik geäußert.

Er zitierte aus seinem damaligen Brandbrief aus Kabul:

„Herr Minister, ich beobachte eine wachsende Dissonanz zwischen den Zielen unserer Afghanistanpolitik und der militärischen Praxis. Ich stelle fest, dass in Unterrichtungen von ISAF für Politiker und Parlamentarier die militärische Lage unzulässig geschönt dargestellt wird. Auch deutsche Generale beschönigen oder verschweigen eigene Probleme.

Die ständigen Forderungen nach Truppenverstärkung, die steigenden Kosten des militärischen Engagements, das Anwachsen eigener Verluste und die wachsende Zahl ziviler Opfer verdeutlichen die Ungeeignetheit und Ausweglosigkeit der militärischen Gewalt als Lösung der inneren und äußeren gesellschaftlichen Probleme Afghanistans. … Wenn immer mehr zivile Opfer und unsägliches Leid durch die eigenen Militärs unter der Zivilbevölkerung produziert werden, dann eignet sich das Mittel der militärischen Gewalt nicht, um die Probleme in diesem Land zu lösen. … Tragen Sie bitte dazu bei, die weitere Eskalation der militärischen Gewalt in AFG zu stoppen.“


Auf eine Antwort des Außenministeriums warte er heute noch. Doch eine Reaktion habe es gegeben, und zwar seine Ablösung vom Dienstposten. Heiducoff schloss seinen Vortrag mit dem Appell: „Dies ist nicht mein Krieg! Dies ist nicht unser Krieg! Wir lassen es nicht zu, dass unsere demokratischen Werte in Kriegen der NATO vor aller Welt diffamiert werden. Wir fordern von unseren Politikern: beendet den Krieg in Afghanistan, verhindert weitere Kriege der NATO, folgt den Vorgaben unseres Grundgesetzes. KRIEG IST NIE DIE LÖSUNG!“

Mit der ‚Todesfuge’ von Paul Celan, in der immer wieder die anklagenden Worte: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ zitiert werden, leitete Helene Klein über zu dem zweiten Hauptthema des Abends, der Verurteilung des deutschen Waffenhandels. In einer eindringlichen szenischen Darstellung der Rede Jürgen Grässlins, die er anlässlich der Verleihung des diesjährigen Aachener Friedenspreises gehalten hat, wurde die Tatsache angeprangert, dass Deutschland weltweit der Drittgrößte beim Geschäft mit dem Tod ist. Eindrucksvoll: Jürgen Hohlfeld als ‚Waffentod’, Ursula Best in der Rolle der Kanzlerin und Ansgar Klein als Sprecher.

Fast alle Anwesenden unterschrieben die Forderung der von Grässlin initiierten „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“, die darauf zielt, den Artikel 26 (2) des Grundgesetzes durch den Satz zu ergänzen: „Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert.“

Würselen, den 9.Oktober 2011
Ansgar Klein



Faustdicke Kriegslügen

Von Peter Strutynski ***

Der Kasseler Politikwissenschaftler ist Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag.

Gestern jährte sich zum zehnten Mal der Beginn des US-Kriegs gegen Afghanistan, dem sich die Bundesrepublik Deutschland bereitwillig angeschlossen hatte. Der Krieg war mit faustdicken Lügen gepflastert. Ging es zunächst angeblich um die Organisierung dessen, was George Bush den »Krieg gegen den Terror« nannte, so wurden im Laufe der Zeit zusätzliche »Begründungen« nachgeschoben. So versprachen die Interventionsmächte, Afghanistan Wohlstand und Demokratie zu bringen. Die fast völlige Abwesenheit garantierter universeller Menschenrechte legte es nahe, den Fokus auf den Menschenrechtsdiskurs zu legen. Eine prominente Rolle nahm dabei die Stellung der Frau in Afghanistan ein. Sieht man sich Berichte diverser Menschenrechtsorganisationen an, so werden Gewalt gegen Frauen, Zwangsheiraten minderjähriger Mädchen, Bildungsdiskriminierung sowie der Zwang zur Ganzkörperverschleierung thematisiert. Also wurde der Krieg als Kampf um die Befreiung der Frau verkauft. Das Ergebnis ist nach zehn Jahren Krieg ein totales Desaster. Von Frauenrechten kann keine Rede sein, die Analphabetenquote ist heute nicht geringer als 2001, die Jugendarbeitslosigkeit stark angestiegen, immer größere Teile der Bevölkerung leiden an Hunger und der Terrorismus konnte weltweit keineswegs eingedämmt werden. Das einzige, was blüht in Afghanistan, sind Mohnanbau und Korruption.

Eine Lüge ist auch der von der Kriegsallianz in die Welt gesetzte magische »Abzugs«-Termin 2014. Die Großmächte werden dort bleiben. So wollen die USA mit dem afghanischen Präsidenten Karzai einen Vertrag aushandeln, der ihnen eine Reihe wichtiger Stützpunkte im Land sichern soll. Diese Stützpunkte würden Washingtons Einfluss im energiereichen Zentralasien, aber vor allem in Afghanistans Nachbarländern Iran und Pakistan stärken. Dazu sind drei bis fünf Stützpunkte vonnöten: Bagram, das derzeitige US-Hauptquartier, 75 km nordöstlich von Kabul, Kandahar im strategisch wichtigen Süden und Masar-i-Scharif im Norden. Auf der Wunschliste der Militärs stehen auch Shindand im Westen (nahe Irans Grenze) sowie Dschalalabad im Osten Afghanistans - eine Art Sprungbrett für Operationen Richtung Pakistan. Andere Nationen, die sich heute am Krieg beteiligen, werden sich ebenfalls schadlos zu halten versuchen. So gibt es jede Menge Konzessionen für Pipelines oder Schürfrechte zu ergattern. Letztlich geht es um die Kontrolle über die an Bodenschätzen, Öl und Erdgas reiche und strategisch so wichtige zentralasiatische Region. Wer in der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts eine führende Rolle spielen möchte, muss, einem Diktum Brzezinskis zufolge, das »eurasische Schachbrett« beherrschen - und dazu ist Afghanistan ein Schlüsselfeld.

Die Bürger der Interventionsstaaten sind mit dem Krieg nicht einverstanden. Selbst in den USA sind heute 62 Prozent der Bevölkerung für den sofortigen Abzug der US-Truppen. So könnte das Kontrastprogramm zum endlosen Krieg der Großmächte aussehen: sofortiger Waffenstillstand sowie unverzüglicher und bedingungsloser Abzug der Bundeswehr und der anderen Besatzungstruppen. Tod und Zerstörung würden gestoppt und Ressourcen der Kriegskoalition könnten für den Wiederaufbau des Landes eingesetzt werden. Damit würden längst nicht alle, aber wichtige Voraussetzungen für Frieden und Entwicklung geschaffen. Und die Afghanen würden ihre Souveränität zurück gewinnen.

*** Aus: neues deutschland, 8. Oktober 2011 (Gastkolumne)


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