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Äthiopiens Opposition wehrt sich

Willkür der Regierung sechs Monate vor der Parlamentswahl

Von Omer Redi, Addis Abeba (IPS) *

Ein halbes Jahr vor den Wahlen in Äthiopien im Mai 2010 sehen sich die Oppositionsparteien massiven Schikanen ausgesetzt.

Wenn es um die Macht geht, ist die in Äthiopien regierende Revolutionäre Demokratische Volksfront (EPRDF) von Ministerpräsident Meles Zenawi nicht zimperlich. Die Regierung lasse Versammlungen auflösen, nehme Politiker willkürlich fest und schrecke selbst vor Morden nicht zurück, klagt die Opposition.

Ein kürzlich eingeführter Verhaltenskodex für die Wahlen werde zudem als Druckmittel benutzt, um ihre Kandidaten kaltzustellen. Die EPRDF missbrauche den rechtlich bindenden Kodex unter anderem dazu, die Prüfung von Wahlbeschwerden zu verzögern, kritisieren Vertreter oppositioneller Parteien wie der Union für Demokratie und Gerechtigkeit (UDJ).

Die Regierung wies die Anschuldigungen zurück. Wenn mutmaßliche Kriminelle festgenommen würden, spiele deren Parteizugehörigkeit keine Rolle, erklärte Regierungssprecher Bereket Simon. Die Betroffenen sehen dies jedoch anders. Mehrere der insgesamt 90 Parteien im Land beschuldigten die EPRDF, bereits 450 ihrer Mitglieder ins Gefängnis gebracht zu haben. »Immer wenn Wahlen nahen, setzt die Regierung verschiedene Strategien ein, um unsere Politiker zu denunzieren und sie von einer Kandidatur abzubringen«, bestätigte Universitätsprofessor Beyene Petros vom Forum für demokratischen Dialog in Äthiopien (FDDE). 24 potenzielle Kandidaten seien bereits schikaniert und teils sogar inhaftiert worden, prangerte er an.

In dem Kodex sind unter anderem Regeln für den Wahlkampf, den Urnengang und die Benutzung von Parteisymbolen fixiert worden. Ebenso wird vorgeschrieben, wie in Fällen von Amtsmissbrauch, Korruption, Einschüchterungen und Gewaltausübung vorzugehen sei. Ein Rat aus Vertretern mehrerer Parteien soll etwaige Streitigkeiten schlichten. Parteien können Wahlbeschwerden vor dieses Gremium bringen, haben jedoch auch weiterhin das Recht, die Wahlbehörden und die Justiz anzurufen. Zunächst sind die Parteien jedoch gehalten, ihre Unstimmigkeiten durch einen direkten Dialog auszuräumen.

Nach Ansicht von Petros wird die Prüfung von Beschwerden durch diese Vorschriften unnötig kompliziert. Der neue Wahl-Verhaltenskodex diene vor allem dazu, jegliches Abweichen von der offiziellen Linie zu bestrafen. Die Tatsache, dass auch drei Oppositionsparteien an der Abfassung des Dokuments beteiligt waren, bedeutet nach Ansicht von Kritikern nicht, dass alle politischen Standpunkte berücksichtigt worden seien. Der Demokratischen Partei Äthiopiens (EDP), der Gesamtäthiopischen Einheitsorganisation (AEUO) und der Koalitionspartei für Einheit und Demokratie (CUDP) wird vorgehalten, mit der Regierung unter einer Decke zu stecken.

Bei den Wahlen 2005 war es zu gewaltsamen Ausschreitungen mit mindestens 200 Toten gekommen. Im regionalen Vergleich schneidet Äthiopien bei Sicherheit und Rechtstaatlichkeit, Menschenrechten sowie menschlicher Entwicklung sehr schlecht ab, so die Mo- Ibrahim-Stiftung. Nur die Wirtschaftsentwicklung des Staates wird überdurchschnittlich hoch eingestuft. Politische Beobachter befürchten nun, dass es der EPRDF unter den gegebenen Umständen leicht fallen werde, im Mai wieder einen haushohen Sieg davonzutragen. Vertreter der Opposition kündigten unterdessen an, weiterhin gegen die Praktiken der Regierung zu protestieren, auch wenn sie dadurch Festnahmen riskieren.

* Aus: Neues Deutschland, 14. Dezember 2009


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