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Gutes trinken und Gutes dabei tun

Schweizer Unternehmerin schützt mit Gourmetkaffee einen der letzten Urwälder Äthiopiens

Von Philipp Hedemann, Addis Abeba *

Die Schweizer Unternehmerin Maria Müller Steiner zahlt äthiopischen Kaffeebauern für die handverlesenen Kaffeekirschen rund das Doppelte des Weltmarktpreises. Für die Bauern ist das Anreiz genug, die Urwaldriesen, die den Kaffeesträuchern Schatten spenden, nicht abzuholzen.

Das leuchtende Grün sonnendurchfluteter Blätter der Urwaldriesen, das silbrig glänzende Grün der Palmwedel, das verschwenderische Grün der meterhohen Farnpflanzen, das bescheidenere Grün des an den Stämmen wachsenden Mooses. Admasu Haile (30) kann die unzähligen Schattierungen genau unterscheiden. Doch er ist nicht wegen Grüns hier, sondern wegen der einzelnen roten Punkte, die dazwischen hervorschimmern. Das Rot ist wilder Kaffee, der im Kafa-Regenwald im Südwesten Äthiopiens wächst.

Edle Wildbohnen haben ihren Preis

Dank der Schweizer Unternehmerin Maria Müller Steiner (49) aus Hergiswil helfen die roten Punkte Haile, seine sechs Kinder zu ernähren und gleichzeitig einen der letzten Bergnebelwälder Äthiopiens zu schützen. Müller Steiner zahlt dem Kaffee-Bauern für die handverlesenen Kaffeekirschen rund das Doppelte des Weltmarktpreises, für die Bauern Anreiz genug, die Urwaldriesen, die den Kaffeesträuchern Schatten spenden, nicht abzuholzen.

Während er die Kaffeekirschen begutachtet, denkt Haile an das neue Wellblechdach, mit dem er seine Hütte gegen die unbarmherzigen tropischen Regengüsse schützen will. Der Bauer ist eines von 6700 Mitgliedern einer Kooperative, die ihren Kaffee an Müller Steiner verkauft. »Früher hat sich das Kaffeesammeln hier nicht gelohnt, die Bauern haben den Urwald gerodet, um Mais anzubauen. Jetzt schützen sie ihren Wald, weil sie von ihm leben«, erklärt Müller Steiner.

2003 stieg die Unternehmerin in den fairen Kaffeehandel ein. Reiner Klingholz, Feinschmecker und damals Geschäftsführer des Vereins »Geo schützt den Regenwald«, hatte die edlen, urwüchsigen Arabica-Bohnen bei einer Afrikareise entdeckt. Mit den Großen der Branche wollte er den Wald und seine Aroma-Vielfalt schützen. Doch die spielten nicht mit. Zwar überzeugte der unverwechselbare Geschmack die Kaffeetester der Konzerne, doch der Weltmarktpreis war damals im Keller. In Kooperation mit dem deutschen Social Entrepreneur Florian Hammerstein und mit Unterstützung vom Naturschutz Bund Deutschland, »Geo schützt den Regenwald«, der staatlichen deutschen Entwicklungshilfe-Organisation gtz (inzwischen giz) und anderen Partnern importierte Müller Steiner im Jahr 2005 die ersten paar Tonnen handgepflückten Wildkaffees in die Schweiz.

Abnahme-Garantien für die Kaffeebauern

Seitdem konnte sie die Menge jedes Jahr steigern. 2010 kamen bereits über 20 Tonnen äthiopischen Regenwald-Kaffees in die Schweiz, 2011 sollen es schon über 30 sein. Jetzt kann Müller Steiners Zwei-Mann-Firma Original Food das erste Mal schwarze Zahlen schreiben.

Der hervorragende Geschmack des unverzüchteten Regenwald-Kaffees und das gute Gewissen haben ihren Preis. »Wir sind vier Mal so teuer wie Jacobs – und zehn Mal so gut«, meint die Marketing-Expertin, die ihren Spezialitäten-Kaffee in über 200 Bio- und Delikatessen-Läden und über das Internet vertreibt.

»Dank der Abnahme-Garantien und der guten Preise, die Maria zahlt, können immer mehr der 6700 Bauern unserer Genossenschaft ihre Hütten renovieren, sich Ochsen zum Bestellen ihrer Felder kaufen und ihre Kinder auf weiterführende Schulen schicken. Es macht sie stolz, dass für ihren Kaffee in der Schweiz bis zu 40 Franken pro Kilo gezahlt werden. Insgesamt profitieren in Äthiopien rund 50 000 Menschen von der Direktvermarktung«, sagt Frehewit Getahun, Manager der Kafa Forest Coffee Farmers Cooperative Union, zu der sich 25 lokale Genossenschaften zusammengeschlossen haben. Und nicht nur die Bauern freuen sich, auch der Wald. Noch in den 70er Jahren waren 40 Prozent der Fläche Äthiopiens von dichtem Grün bedeckt, heute sind es weniger als drei. Die Bäume fielen dem rasanten Bevölkerungswachstum zum Opfer, doch zumindest in Bonga wurde dem zerstörerischen Trend jetzt Einhalt geboten. »Hier hat der Raubbau am Wald ein Ende«, sagt Mesfin Tekle, äthiopischer Programm-Koordinator des Naturschutz Bundes Deutschland. Die UNO hat den Kafa-Regenwald mit seinen 244 Pflanzen- und 294 Tierarten jetzt zu einem der ersten zwei Biosphärenreservate in Äthiopien erklärt.

Steigende Nachfrage ist nicht ohne Risiko

Doch die Vermarktung des sogenannten Wildkaffees stößt auch auf Skepsis. »Das Sammeln und Pflanzen von Kaffee im Wald hat negative Auswirkungen auf die Natur. Deshalb muss darauf geachtet werden, dass die steigende Nachfrage nicht zu einer Gefahr für die letzten Kaffeewälder wird«, sagt der Kirchzartener Entwicklungsexperte Jörg Volkmann (46), der mit seiner Firma Maskal selbst Kaffee aus Äthiopien importiert.

Maria Müller Steiner, die jeden Tag mit einem von ihr selbst importierten Espresso beginnt, hingegen ist überzeugt: »Wir können Mensch und Natur auf Dauer nur helfen, wenn wir ökonomische und ökologische Interessen auch am Ursprung unter einen Hut bringen können.«

* Aus: Neues Deutschland, 30. August 2011


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