Äthiopien und Eritrea schließen Friedensvertrag
Ist der Krieg nun dauerhaft beendet? Zweifel bleiben
Einer der schlimmsten Kriege der letzten Jahre ist nun auch formell beendet worden. Nach dem am 18. Juni vereinbarten Waffenstillstand haben die beiden Kriegsgegner am 12. Dezember 2000 in Algier einen Friedensvertrag unterzeichnet. Die Unterzeichnung haben der äthiopische Premierminister Meles Zenawi und der eritreische Präsident Isaias Afewerki vorgenommen. Damit wurde ein - hoffentlich nicht nur vorläufiger - Schlussstrich unter einen Krieg gezogen, der im Mai 1998 begann und mehr als hunderttausend Todesopfer forderte.
Der Vertragsunterzeichnung war ein langes Hin und Her vorausgegangen. An der Zeremonie nahmen auch UN-Generalsekretär Kofi Annan, die amerikanische Staatssekretärin Albright, der togolesische Staatschef Eyadéma als gegenwärtiger Vorsitzender der Organization of African Unity (OAU), der nigerianische Präsident Obasanjo, der algerische Präsident Bouteflika sowie als Vertreter der Europäischen Union Staatssekretär Serri vom italienischen Aussenministerium teil. Diese Präsenz hochkarätiger Politiker wurde in Algerien als Erfolg der Diplomatie Bouteflikas gewertet, die im eigenen Einzugsgebiet - im Verhältnis zu Marokko - noch keinen vergleichbaren Erfolg erzielen konnte. Auch innenpolitisch hatte Bouteflika nach einem verheißungsvollen Start keine besonders glückliche Hand. Ausschlaggebend für das Zustandekommen des eritreisch-äthiopischen Friedensvertrags waren aber vor allem der internationale Druck und die Abhängigkeit der beiden Konfliktparteien von ausländischer Entwicklungshilfe.
Es sieht so aus, als hätten die beiden verfeindeten Staaten mit der unheilvollen Kriegsvergangenheit abgeschlossen. Von vielen ausländischen Beobachtern war der krieg als "sinnlos" eingestuft und als "Bruderkampf" interpretiert und wenig verstanden worden. Der Friedensvertrag weckt Hoffnungen auf einen Neuanfang. Im Kern der geschlossenen Vereinbarung geht es um den beiderseitigen Verzicht auf Gewalt, um Festlegungen der gemeinsamen Grenze und um Regelungen der Schuld-und Reparationsfrage.
Beobachter stellen aber auch kritisch fest, dass die Hoffnungen auf Versöhnung und auf einen wirklichen Neubeginn dann eine solidere Grundlage hätten, wenn der Friedensschluss von Algier nicht Ergebnis einer militärischen Pattsituation wäre, sondern echtem Friedenswillen entspräche. In Eritrea hinterlässt der Krieg ein brisantes Gefühl: Der Krieg hat dem eritreischen Mythos der Unbesiegbarkeit einen empfindlichen Stoß versetzt. Der Traum der Regierung in Asmara, sich auf Kosten des äthiopischen Nachbarn wirtschaftlich zu sanieren und eine Art "Singapur in Afrika" zu werden, hat sich nicht verwirlklichen lassen. Von vielen in Eritrea wird das als Rückschlag, nicht aber als Endgültigkeit verstanden. Gewaltige Rüstungsanstrengungen zum Aufbau eines relevanten militärischen Gegengewichts gegen das stärkere Äthiopien stehen daher auf der Tagesordnung und deuten nicht auf einen stabilen Friedesnprozess hin.
Auf der anderen, der äthiopischen Seite, dürften die Stimmen, die auf eine Wiedereingliederung des 1993 von Äthiopien abgespaltenen Eritrea aus sind, wieder neuen Auftrieb erhalten haben. Der Staatsführung in Addis Abeba ist durchaus zuzutrauen, dass sie weiter daran arbeitet, die verlorene Provinz wieder in die Hand zu bekommen. Premierminister Meles Zenawi hat unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die Unterzeichnung des Friedensvertrags keineswegs bedeute, dass sich Äthiopien mit der gegenwärtigen Staatsführung in Eritrea abfinden würde. Gutnachbarschaftliche Beziehungen könne es in Meles' Augen erst geben, wenn das Regime in Asmara ausgewechselt würde.
Die gut informierte Neue Zürcher Zeitung befürchtet: "Äthiopien könnte versucht sein, über die in der Alliance of Eritrean National Forces organisierten Angehörigen der westeritreischen Kunama-Minorität Druck auf Asmara auszuüben - oder dann einen Aufstand unter den Afar im Osten Eritreas anzuzetteln. Umgekehrt dürfte es für Asmara ein Leichtes sein, den Kampf der Oromo Liberation Front gegen die in Addis Abeba regierenden Tigrayer nach Kräften zu schüren. Weder in Eritrea noch in Äthiopien sind die inneren Machtverhältnisse so weit gefestigt, dass sie gegen derartige Subversionsversuche völlig immun wären." (NZZ, 13.12.2000)
In einem Kommentar der Frankfurter Rundschau vom 13.12.2000 heißt es zum Friedensschluss u.a.:
... Äthiopien und Eritrea waren 1991 nach dem Sturz des roten Diktators Mengistu Haile Mariam befreundete Staaten gewesen, die Präsidenten beider Länder Waffenbrüder im Kampf gegen Mengistu. Im Mai 1998 brach der Krieg wegen Streitigkeiten um den Grenzverlauf in der dürren Badme-Ebene aus. Beide Staaten, regiert von verkrusteten "Befreiungsfronten", waren nicht in der Lage, einvernehmlich die alten Kolonialgrenzen zu interpretieren. Im Krieg haben sich beide die Sympathien der Weltöffentlichkeit gründlich verscherzt. Nicht Friedenssehnsucht, sondern erst eine militärische Niederlage Eritreas im Frühsommer brachte den algerischen Friedensvermittlern den Erfolg.
Sieger des Krieges sind allein die OAU-Diplomaten und die UN. Mit der Überwachung einer Pufferzone haben die 4200 UN-Blauhelme eine klar umrissene Aufgabe. Beide Staaten wünschten diese Hilfe. Anders als in Sierra Leone oder in Kongo dürfte das Risiko für die Truppe am Horn von Afrika eher gering sein. Nach Jahren des Fernbleibens dienen mit Dänen, Holländern und Italienern erstmals wieder Europäer in einer Mission in Afrika. Viele Afrikaner sehen das mit Wohlwollen, zeigt es doch, dass der Schwarze Kontinent den Europäern nicht gleichgültig ist.
Christoph Link
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