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Der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea

Krieg, Verhandlungen, Waffenstillstand - Chronik Juni 2000

16. Juni 2000

Aus dem Amt des äthiopischen Premierministers Meles Zenawi verlautete am Mittwochabend (14.06.00), seine Regierung habe den Plan der OAU-Organisation der afrikanischen Einheit für eine Beendigung des Kriegs mit Eritrea gutgeheißen, da er früher erhobene Forderungen Äthiopiens berücksichtige. Meles habe daraufhin den gegenwärtigen OAU-Vorsitzenden, den algerischen Präsidenten Bouteflika, über den Beschluss des äthiopischen Kabinetts unterrichtet. Eritrea hatte den Plan schon ein par Tage früher (09.06.00) akzeptiert.

Asmara begrüßte den äthiopischen Beschluss und behauptete, Addis Abeba habe wegen schwerer Niederlagen in den letzten beiden Wochen Ja zum Abkommen gesagt. Doch das entspricht wohl nicht ganz den kriegerischen Realitäten. Kurz vor dem Einlenken Äthiopiens stießen äthiopische Truppen noch tief auf eritreisches Territorium bis zum Städtchen Tessenei an der sudanesischen Grenze vor. Erst am Donnerstag blieb die Lage laut Agenturberichten an der gesamten Front ruhig.

Das Abkommen wird am Sonntag (18.06.00) in Algier von den Außenministern der beiden Staaten unterzeichnet; dann soll umgehend ein Waffenstillstand in Kraft treten. Der Plan sieht die Stationierung einer UNO-Truppe in einer Pufferzone zwischen den eritreischen und den äthiopischen Truppen vor.

Dass damit ein Frieden noch nicht gesichert ist, geht aus begleitenden Kommentaren aus Addis Abeba hervor. Äthiopien behält sich z.B. das Recht vor, auf "Provokationen" militärisch zu antworten. Solche "Provokationen sind jederzeit möglich. Denn die Äthiopier müssen sich erst zwei Wochen nach der Stationierung der künftigen UNO-Truppe auf ihre neuen Positionen zurückziehen. Dabei müssen alle Gebiete geräumt werden, die sie seit ihrer Gegenoffensive im Februar 1999 einnahmen, es sei denn, diese Gebiete standen schon vor Ausbruch des Kriegs unter äthiopischer Verwaltung. Die eritreische Armee muss dagegen einen Gebietsstreifen von 25 Kilometern Tiefe von dieser Linie aus räumen: Die sogenannte «temporäre Sicherheitszone» wird also vollständig auf eritreischem Gebiet liegen. Während einer Übergangszeit bis zur endgültigen Demarkation der Grenze von rund 1.000 Kilometern Länge sollen neben der Bevölkerung nur eritreischen Zivilbehörden wieder Zugang in diese Zone erhalten. Der endgültige Grenzverlauf soll von Spezialisten geklärt werden.



Die Medien berichteten die vorstehenden Ereignisse mit Erleichterung, in die sich Skepsis mischte. So lautete die Schlagzeile in der Neuen Zürcher Zeitung: "Aufatmen nach Äthiopiens Ja zum Friedensplan. Das Ende des Kriegs in Reichweite, aber nicht der Friede". Weshalb nach Meinung der Zeitung, die gewöhnlich gut unterrichtet ist, die Lage weiterhin instabil und gefährlich bleibt, wird mit folgendem Umstand erklärt:
"Der äthiopische Aussenminister Seyoum erklärte am Mittwoch, in seiner Einschätzung werde erst wieder richtiger Frieden einkehren, wenn die eritreische Führung unter Präsident Isaias abgelöst werde; das Problem für die Region sei in Asmara zu Hause. Es gibt Anzeichen dafür, dass Addis Abeba, wenn nicht mit einem direkten militärischen Schlag, so doch wenigstens verdeckt auf einen Sturz der Regierung in Asmara hinarbeitet. In den westeritreischen Gebieten, die vom Rest des Landes abgeschnitten sind, sollen Kader der regimekritischen Alliance of Eritrean National Forces ihre Präsenz sichtbar verstärkt haben. Die mehrheitlich muslimische Bevölkerung in diesen Gegenden hatte früher zur Eritrean Liberation Front (ELF) gehalten, die während des Unabhängigkeitskriegs die grosse, schliesslich unterlegene Rivalin der heute regierenden Eritrean People's Liberation Front war."(NZZ, 16.06.00)

In der Frankfurter Rundschau wird zudem auf die Lage der Flüchtlinge verwiesen:
"Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zufolge ist die Lage der durch den Krieg Vertriebenen dramatisch. 50 000 Flüchtlinge seien nahe der eritreischen Stadt Keren Hitze von mehr als 40 Grad ausgesetzt. Das UNHCR will Hilfsgüter aus Lagerbeständen in Albanien und Kosovo nach Eritrea einfliegen. Insgesamt gelten eine halbe Million Menschen als vertrieben."(FR, 16.06.00)

12. Juni 2000

Agenturen berichten am 12. Juni von Fortschritten bei den Verhandlungen in Algier. Nach Angaben der Vermittler seien Äthiopien und Eritrea bereit, die seit über vier Wochen andauernden Kämpfe einzustellen. Gleichzeitig hieß es jedoch in einer in Addis Abeba veröffentlichten Regierungserklärung, das äthiopische Parlament müsse einem möglichen Abkommen zustimmen.

An mehreren Frontabschnitten wurden unterdessen die Gefechte fortgesetzt. Dies betrifft vor allem die Bure-Front. Auch habe es unweit von Gulij in West-Eritrea Kampfhandlungen gegeben. Nach Angaben des äthiopischen Regierungssprechers in Addis Abeba, habe Äthiopien lediglich auf eritreische "Provokationen" geantwortet und dem Feind "schwere Verluste" zugefügt. Aus Asmara gab es hierzu keine Stellungnahme.

Glaubt man den Vermittlern in Algier, dann scheint die Unterzeichnung eines Waffenstillstandsvertrags in einer Woche möglich zu sein. Dies sagte der algerische Chef-Unterhändler Sid Ahmed Ouyahia am Samstag, den 10.06. Beide Seiten hätten einem von der Organisation Afrikanischer Einheit (OAU) unterbreiteten Vorschlag einer friedlichen Lösung "im Prinzip zugestimmt". Äthiopien legt Wert auf die Feststellung, dass eine solche Einigung kein Friedensvertrag sein werde, sondern nur ein "Vertrag über die Einstellung der Feindseligkeiten". In einer Erklärung des äthiopischen Außenministers Seyoum Mesfin wurden die Gespräche in Algier als "nützlich, konstruktiv und erfolgreich" bezeichnet. Der amerikanische Sondergesandte Anthony Lake bezeichnete das Erreichte in Algier als "großen Schritt" zur Beilegung der Krise am Horn von Afrika.

8. Juni 2000

Der Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien ging auch im Juni weiter. Trotz UN-Embargos und trotz Friedensverhandlungen in Algier werden von beiden Seiten neue Kämpfe gemeldet. So sollen nach erneuten Kämpfen zwischen äthiopischen und eritreischen Truppen im Südwesten Eritreas innerhalb eines Tages rund 3.000 Flüchtlinge das Land in Richtung Sudan verlassen. Mitarbeiter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR entdeckten unter den Eritreern, die im Sudan Schutz suchten, erstmals auch verletzte Zivilisten. Wie ein UNHCR-Sprecher am Dienstag in Genf berichtete, halten sich inzwischen mehr als 55.000 Flüchtlinge aus Eritrea in dem Nachbarland auf.

Gleichzeitig stieg die Zahl der Vertriebenen im Land selbst. Die Gefechte bei der Hafenstadt Assab zwangen Tausende zum Verlassen ihrer Häuser. "Die Menschen versuchen, bei Temperaturen von über 40 Grad, etwas Schatten in den Flussbetten zu finden", sagte UNHCR-Sprecher Kris Janowski.

Die beiden verfeindeten Länder bestätigten Berichte über Kämpfe bei Assab, beanspruchten aber jeweils den Sieg für sich und behaupteten, der Gegner habe schwere Verluste erlitten. (dpa, FR, 09.06.00)

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