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Der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea 1998

Afrika ist seit Jahren der Kontinent mit den meisten Grenzkonflikten, zwischen- und innerstaatlichen bewaffneten Auseinandersetzungen und den schlimmsten gegenseitigen Ausrottungsfeldzügen verfeindeter Völker und Stämme. Das Massensterben in Südsudan geht weiter, die inneren Kämpfe in Kongo, in die auf Seiten der Regierung Kabila Angola, Namibia und Simbabwe, auf Seiten der Rebellen Uganda und Ruanda eingegriffen haben, sind nicht zu Ende, der Bürgerkrieg zwischen Regierung und UNITA-Rebellen in Angola ist wieder aufgeflammt und selbst das unbescholtene Post-Apartheid-Regime Nelson Mandelas beorderte im September Truppen nach Lesotho, um "Chaos und Anarchie" zu beenden. Dass sich aber ausgerechnet die beiden von den USA als zuverlässige Partner in Ostafrika unterstützten - und militärisch aufgerüsteten - Regierungen Äthiopiens und Eritreas in die Haare geraten würden, hat kaum jemand vorhersehen können. Im Juni eskalierte zwischen beiden Staaten ein Krieg, in dessen Verlauf sogar Kampfflugzeuge eingesetzt und Städte bombardiert wurden. Tausende Menschen flohen vor den Kämpfen aus dem Grenzgebiet zwischen beiden Staaten.

Dennoch geht es nur vordergründig um einen Grenzkonflikt. Die eigentlichen Ursachen für die Streitigkeiten liegen woanders. Äthiopien hat keinen eigenen Zugang zum Meer und ist seit 1993, als Eritrea seine Unabhängigkeit erlangte, auf den eritreischen Hafen Assab angewiesen. Hier wird der Großteil der äthiopischen Ein- und Ausfuhr abgewickelt. Um sich davon unabhängig zu machen, baute Äthiopien seine Beziehungen zu dem international nicht anerkannten "Somaliland" (dem Norden Somalias) aus. Hier liegt, am Ausgang des Roten Meeres, die Hafenstadt Dschibuti, die mit Äthiopien sogar durch Eisenbahn und Straßen verbunden ist. Eine Umlenkung der äthiopischen Handelswege von Assab auf Dschibuti bedeutet das Ende der hochfliegenden Träume Eritreas, eine Art Hongkong Ostafrikas zu werden. In dem Konflikt geht es den beiden Staaten letztlich also um die wechselseitige wirtschaftliche Strangulierung. Einen Gewinner wird es dabei nicht geben. Ein Verlierer steht aber fest: Es ist eine Niederlage für die US-Strategie in diesem Teil Afrikas, die nun wohl nicht mehr auf ihre "nice fellows", den eritreischen Präsidenten und den äthiopischen Ministerpräsidenten, im Kampf gegen das an beide Staaten angrenzende radikal-islamistische "Schurkensystem" Sudan setzen kann.
Aus: Friedens-Memorandum 1999

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