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"Von demokratischer Wahl kann keine Rede sein"

In Äquatorialguinea hat der Diktator seine Macht gefestigt – im Interesse Frankreichs, Spaniens und der USA. Gespräch mit Joaquín Mbomio Bacheng *


Joaquín Mbomio Bacheng kommt aus Äquatorialguinea und lebt in Frankreich im Exil. Er ist Schriftsteller und Journalist.

In Äquatorialguinea hat die Partei von Präsident Teodoro Obiang Nguema bei den Parlaments- und Kommunalwahlen am 26. Mai erneut gesiegt. Der Öffentlichkeit wird das als Fortschritt in Sachen Demokratie verkauft – ist es das?

Von demokratischen Wahlen oder einem Fortschritt kann keine Rede sein. Das Gegenteil ist der Fall, zumal das Ergebnis nur den Status quo bestätigt: Die »Demokratische Partei Äquatorialguineas« hat wieder die absolute Mehrheit. Obiang hat so die Möglichkeit, seine totalitäre Herrschaft weiter zu festigen.

Er ist heute das dienstälteste Staatsoberhaupt in Afrika und legt Wert darauf, völlig unabhängig zu sein ...

Er ist es nicht, seine Macht verdankt er nicht seinen eigenen Leistungen, sondern jenen drei Ländern, die maßgeblich die Geschicke Äquatorialguineas bestimmen: Spanien, Frankreich und die USA.

Fangen wir mit Spanien an: Es ist die frühere Kolonialmacht, der Staatsstreich, mit dem Obiang 1979 an die Macht kam, wurde von König Juan Carlos persönlich abgesegnet. Frankreich interessiert alles, was in Äquatorialguinea geschieht – das Land befindet sich sozusagen in seinem Vorhof, in jenem Gebiet in West- und Zentralafrika, aus dem Frankreich traditionell seine Bodenschätze bezieht, Konkret: es geht auch um Gabun, Kamerun, Kongo-Brazzaville, Tschad und auch um die Zentralafrikanische Republik.

Die USA wiederum messen dem ölreichen Golf von Guinea höchste Priorität bei. Die größten US-Ölmultis operieren in aller Ruhe in Äquatorialguinea, zu Bedingungen, die weit vorteilhafter sind als am Persischen Golf. Das einzige, was Obiang im Gegenzug verlangt, ist, daß man ihn weiter an der Macht läßt und er fortfahren kann, die eigene Bevölkerung zu ermorden. Was zählen schon die Leben von ein paar Einheimischen angesichts von Tausenden Tonnen Öl, die US-Konzerne täglich als Gewinn einfahren?

Es gab aber Demonstrationen gegen den Präsidenten. Wer sind die Oppositionellen?

Es gibt fast täglich Demonstrationen gegen die Familie des Präsidenten, aber sie werden sofort unterdrückt. Es gibt zur Zeit niemanden, der ihn in Bedrängnis bringen könnte, denn er und sein Clan haben alle ermorden lassen, die dafür in Frage gekommen wären. Das letzte Opfer war Manuel Nsé Nsogo, Herausgeber der Zeitungen El Tiempo und La Opinion.

Es heißt, daß der Präsident seinen Sohn als Nachfolger einsetzen will. In Frankreich wird diesem aber Korruption vorgeworfen – wird das in Äquatorialguinea widerspruchslos hingenommen?

Die französische Regierung schätzt Obiang, mit ihm hat sie gute Geschäfte gemacht, Sie fühlt sich in Afrika meistens von »starken Männern« angezogen. Da die Franzosen stets sehr genau analysieren, mit wem sie es zu tun haben, sind sie zu dem Schluß gekommen, daß der Sohn des Präsidenten nicht das Format seines Vaters hat. Er paßt aus französischer Sicht nicht in das gewünschte Bild. Daß man ihm Korruption vorwirft, ist nur ein Vorwand.

Was illegale Machenschaften angeht, so sind die Franzosen seit jeher vorneweg: Sie provozieren Kriege, sie kungeln wirtschaftlich und finanziell, sie ermorden, wer ihren Interessen im Wege steht. Ihr letztes Opfer war Präsident Laurent Gbagbo in der Elfenbeinküste. Viele einflußreiche Franzosen betreiben in Afrika illegale Geschäfte, schlimmer als das, was sich der Präsidentensohn hat zuschulden kommen lassen.

2011 stand Obiang auch der »Afrikanischen Union« vor. Welchen Einfluß hat sein Land auf dem Kontinent tatsächlich?

Nicht die, die man dem Land manchmalzuschreibt. Zufällig findet sich auf seinem Hoheitsgebiet Öl im Überfluß, und es wird von Obiang geführt. Der ist – wie die meisten afrikanischen Diktatoren – über alle Maßen selbstverliebt. Also schmeichelt sich alle Welt bei ihm ein, um besser von der Ausbeutung der Bodenschätze profitieren zu können. Dennoch bleibt Äquatorialguinea ein kleines Land, das international kaum von Bedeutung ist.

Es ist das einzige spanischsprachige Land in Westafrika, seine Bevölkerung hat wenig Sympathien für die Hegemonialmacht Frankreich. Gesetzt den Fall, Obiang müßte aus aus irgendeinem Grund aufgeben, würde sich wohl Spanien der Sache annehmen.

Interview: Jörg Tiedjen

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 6. Juni 2013


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