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Öltraum geplatzt - Mark Thatcher wegen Putschversuchs in Äquatorialguinea vor Gericht

Afrika im Griff von Söldnern?

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel*, die anlässlich des Prozesses gegen den Sohn der ehemaligen britischen Premierministerin Margret Thatcher, Mark Thatcher, enstanden sind. Dabei werden grundsätzliche Fragen der prekären Sicherheitslage in Afrika angesprochen.

Öltraum geplatzt

Ein halbes Jahr nach einem in Äquatorialguinea geplanten Söldnerputsch muß sich der Politpromisprößling Mark Thatcher in Südafrika vor Gericht verantworten

Von Roswitha Reich, Kapstadt


Ob Mark Thatcher, der Sohn von Großbritanniens Eisernen Lady, für seine Mitwirkung an dem im März versuchten Putsch in Äquatorialguinea in der kommenden Woche mehr als nur ein Pro-Forma-Prozeß gemacht wird, ist zu bezweifeln. Er ist zwar in Südafrika als einer der Hintermänner des Staatsstreiches identifiziert worden, doch die Anklage lautet nur noch auf finanzielle Mithilfe, was dem prominenten Sprößling nicht mehr als eine Geldstrafe einbringen wird. Die Verhaftung des 51jährigen Thatcher am 25. August, seine Abführung in Handschellen und umgeben von Polizisten wurde zwar von Presse und Fernsehen in der ganzen Welt lustvoll vermarktet, aber gegen eine Kaution von zwei Millionen Rand – von Expremierministerin Margaret Thatcher persönlich bezahlt und beim Wynberg-Gericht in Kapstadt hinterlegt – war er gleich wieder frei. Bei einem Kurs von etwa zwölf britischen Pfund zum Rand bezahlt die Familie Thatcher so etwas aus der Portokasse.

Mark Thatcher darf auf Anweisung der südafrikanischen Behörden Kapstadt nicht verlassen und muß sich täglich einmal auf einer Polizeistation melden. Sein derzeitiger Aufenthaltsort wird allerdings geheimgehalten. Seine Villa, versteckt hinter hundertjährigen Bäumen im Stadtviertel Constancia, gleich neben dem Domizil von Princess-Diana-Bruder Earl Spencer, ist leer. Nachdem Mark Thatchers US-amerikanische Ehefrau mit den beiden Kindern in ihre texanische Heimat zurückgekehrt ist, verwaltet das Haus die Vermögensagentur, die es für 22 Millionen Rand auf den Markt gebracht hat. Ob es schon verkauft ist und wer die vornehme Herberge nun besitzt, wird ebenfalls streng geheim gehalten, denn für diesen Preis kann sich ein neuer Hausherr schon Ruhe und Frieden vor neugierigen Journalisten ausbitten.

Prozeß in Malabo

Mark Thatcher war zumindest Mitfinanzier des von südafrikanischen Söldnern versuchten Putsches gegen Äquatorialguinea. Nahezu zeitgleich mit seiner Festnahme am Kap begann in der Hauptstadt Malabo des ölreichen westafrikanischen Landes der Prozeß gegen siebzehn vorwiegend südafrikanische Söldner, die für den geplanten Umsturz in Interesse britischer Ölkonzerne angeheuert wurden. Er war unterbrochen und ist gerade wieder aufgenommen worden. Presseveröffentlichungen, daß die Regierung von Äquatorialguinea die Auslieferung Thatchers verlangt hat, wurden von der südafrikanischen Regierung dementiert. Die 67 südafrikanischen Söldner, die auf dem Flughafen Harare beim Aufladen von Gewehren und Munition für den Putsch gefaßt wurden, sind bereits verurteilt und verbüßen ihre Strafe im simbabweschen Chikurubi-Gefängnis.

Boeing 727-100 aufgebracht

Thatcher lebte in Südafrika seit 1996 als »Geschäftsmann« und soll Waffenhandel betrieben haben, weshalb er ins Visier des südafrikanischen Geheimdienstes geriet. Die Polizeisondereinheit Scorpions hatte nach seiner Verhaftung das Haus nach belastendem Material durchsucht und konnte daraufhin auch einige südafrikanische Firmen der Beteiligung an dem Putsch überführen. So kam heraus, daß Mark Thatcher etwa 1,7 Millionen Rand für die Putschisten über eine private Fluggesellschaft weitergeleitet hat. Die in dem kleinen Städtchen Bethlehem in der Free-Staat-Provinz ansässige und als Air Ambulance getarnte Firma hat für das Söldnerflugzeug nach Simbabwe, das die Mugabe-Regierung dann einbehalten hat, auch gleich den Piloten gestellt. Neil Steyl, der Söldnerpilot, ist der Bruder von Air-Ambulance-Chef Crause Steyl. Der Air Ambulance gehört auch die Maschine, mit der Oppositionspolitiker Severo Moto aus Madrid zum Zeitpunkt des versuchten Putsches gegen den Präsidenten von Äquatorialguinea, Teodoro Obiang Nguema, nach Bamako ins Nachbarland Mali geflogen wurde, von wo er in einer halben Stunde hätte vor Ort sein können.

Der Putschplan wurde ruchbar, als in Simbabwe ein südafrikanisches Cargo-Privatflugzeug aufgebracht wurde. Gab die Landung der Boeing 727-100 mit 70 südafrikanischen Männern an Bord auf dem Flughafen von Harare im März noch Rätsel auf, so wissen wir heute, daß es eine Maschine voller Söldner auf dem Weg nach Äquatorialguinea war. Sie wollten in Harare Waffen aufnehmen und dann zu den dort wartenden weiteren Putschisten stoßen, von denen die meisten ebenfalls aus Südafrika stammten. Der südafrikanische Geheimdienst hatte die Putschistentruppe im Visier und ließ sie nahezu gleichzeitig in Simbabwe und in Äquatorialguinea auffliegen.

Alle Putschisten sind ehemalige Angehörige des berüchtigten 32. Apartheid-Killerkommandos, das in Angola und Namibia eingesetzt war. Ihr Anführer von damals, der Südafrikaner Nick du Troit, hatte sich 1994 nach Westafrika abgesetzt und in Äquatorialguinea mehrere Firmen betrieben, die vor allem in illegale Waffengeschäfte verwickelt waren. Über seinen alten Apartheidkumpanen Simon Mann – nach dem Ende der Apartheid der Begründer der berüchtigten Sicherheitsfirma Executive Outcomes – hatte er den Putschauftrag angenommen. Mann ist inzwischen in Simbabwe zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.

Scherz eines Exzentrikers

Auch wenn Großbritannien heute versucht, den mißlungenen Putsch eher als den Scherz einiger Exzentriker um Margaret Thatchers mißratenen Sohn hinzustellen, so standen doch britische Ölfirmen dahinter. Die Briten wollten nicht hinnehmen, daß seit 1996 Exxon Mobil, Chevron Texaco und Total Final Elf das Rennen machen. In Äquatorialguinea geht es um gewaltige Reserven an Öl und Gas. Im Golf von Guinea soll es nach bisherigen Untersuchungen mehr Öl als in Kuwait geben. Und dort liegen die Inseln sowie die kleine Landenklave zwischen Gabun und Kamerun, die 190 Jahre lang spanische Kolonie waren und heute den Staat Äquatorialguinea ausmachen.

Die Erschließung dieses Reichtums beginnt zwar erst, aber jetzt schon ist klar, daß das kleine Land mit seinen nur 500000 Einwohnern nach Nigeria und Angola Afrikas drittgrößten Ölreserven birgt. Um die Inseln und im Meer dazwischen wimmelt es von Bohrplattformen. In Kürze wird die tägliche Rohölausbeute 500000 Barrel erreichen. Die Ölreserven betragen schätzungsweise zwölf Milliarden Barrel. Außer Öl hat Äquatorialguinea große Erdgasreserven und Mineralien wie Titan, Magnesium, Uran und Gold. Das sind weitere Begehrlichkeiten für Globalstrategen, die das Land eher politisch destabilisieren denn für seinen Reichtum bezahlen wollen.



Äquatorialguinea in Zahlen und Fakten

Die Präsidialrepublik Äquatorialguinea bedeckt eine Fläche von insgesamt 28 051 Quadratkilometern und ist damit etwas kleiner als Brandenburg. Davon entfallen rund 26 000 Quadratkilometer auf den Festlandsteil Mbini. Zudem gehören verschiedene Inseln zum Staatsgebiet, die größte davon ist mit 2017 Quadratkilometern Bioko, das bis 1973 unter den Namen Santa Isabel und Fernando Poo bekannt war. Auf Bioko liegt auch Malabo, die Hauptstadt des Landes. Die Insel beherbergt etwa 20 Prozent der gut 500000 Einwohner des Landes.

Seit 1991 vor der Küste Biokos und vor dem Festland große Erdöl-Lagerstätten entdeckt und von internationalen Ölfirmen ausgebeutet wurden, ist die Wirtschaft rasant gewachsen. Mittlerweile macht die Ölwirtschaft rund 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Möglich wurde diese Entwicklung erst durch den Abschluß neuer Förderverträge, nachdem die Verträge der ersten Generation die äquatorialguineische Seite stark benachteiligt hatten. Ende 2001 betrug die Tagesförderung rund 250000 Barrel, bis 2005 soll sie auf 500000 Barrel steigen. Das Land wäre dann nach Nigeria und Angola der drittgrößte Ölproduzent südlich der Sahara.

Ebenfalls 2001 begann die Ausbeutung der Erdgasvorkommen des Landes. Allerdings sind die Einrichtungen der Ölgesellschaften weitgehend vom Umland abgeschirmt. Der einheimische Arbeitsmarkt und die äquatorialguineische Privatwirtschaft profitieren kaum von den Niederlassungen, da selbst die Versorgung hauptsächlich von ausländischen Firmen sichergestellt wird.

Die gewaltigen Ölvorkommen in der Bucht von Guinea lassen US-Ölmanager ins Schwärmen geraten. Nach Schätzung der texanischen Ölfirma Vanco belaufen sich die Reserven allein in Westafrika auf 100 Milliarden Barrel. Das entspricht den Vorkommen im Irak. Vanco-Chef Gene Van Dyke schätzt, daß Westafrika schon bald zehn Millionen Barrel pro Tag produziert – und damit mehr als Saudi-Arabien, der weltweit größte Ölproduzent. Schon jetzt beziehen die USA rund 16 Prozent ihrer Ölimporte aus Westafrika. Bis 2015 soll der Anteil auf 25 Prozent steigen.



Lukratives Geschäft mit Tradition

Afrika: Ein Kontinent im Griff der Söldner – und vor allem derer Auftraggeber

Von Moyiga Nduru, Johannesburg (IPS)


Im März wurden auf dem Flughafen in Simbabwes Hauptstadt Harare 68 Männer festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, als Legionäre einen Putsch gegen Teodoro Obiang Nguema, den Staatspräsidenten des winzigen ölreichen Staats Äquatorialguinea, geplant zu haben. Seit ihrer Festnahme ist eine Debatte über die Rolle der Söldner auf dem afrikanischen Kontinent entbrannt.

»Das Zeitalter der Söldner ist noch nicht vorbei. Wir werden noch mehr von ihnen sehen«, sagte Nhomo Samasuwo vom Institut für Globalen Dialog (IGD) in Pretoria. »Selbst die USA setzen im Irak private Sicherheitsfirmen ein.« Ihre Mitarbeiter fungierten dort als Leibwächter oder schützten strategische Ziele in dem ebenfalls ölreichen Land.

Zwischen den 60er und 80er Jahren schafften sich Söldner wie der Franzose Bob Denard einen zweifelhaften Ruf in Afrika. Denard spielte bei mehreren Staatstreichen auf den Komoren eine tragende Rolle. Sei dem Ende des Kalten Krieges sind Sicherheitsfirmen wie »Executive Outcomes« und »Corporate Warriors« wie Pilze aus dem Boden geschossen. Sie bieten ihre Dienste jedem an, der zahlt. »Diese Firmen bestehen nur zur Tarnung. Kurz gesagt, dahinter stehen Legionärstruppen«, so Samasuwo.

Söldner werden in Afrika immer wichtiger, seit die armen Staaten des Kontinents – nicht selten unter Druck der Geberstaaten – ihre Verteidigungsbudgets zurückfahren und die eigenen Armeen verkleinern. In Südafrika bekam dieser Trend nach dem Ende der Apartheid zusätzlichen Antrieb, weil sich plötzlich viele gut ausgebildete Soldaten in der Arbeitslosigkeit wiederfanden. Viele von ihnen hatten während der Apartheid an Operationen gegen Nachbarstaaten teilgenommen.

Von diesen Soldaten arbeiteten etliche bei der mittlerweile geschlossenen Firma Executive Outcomes, die von Pretoria aus Truppen unter anderem nach Sierra Leone, Liberia und Papua-Neuguinea entsandte. Zur Zeit arbeiten nach Medienberichten rund 3 000 Südafrikaner als Sicherheitsleute im Irak. Samasuwo vermutet, daß die Zahl noch viel höher liegen könnte: »Das ist ein attraktives Geschäft. Söldner bekommen dreimal soviel Geld wie ein normaler Soldat.«

In Sierra Leone arbeitete Executive Outcomes daran mit, die Regierungskontrolle über die diamantenreiche Provinz Kono wiederzuerlangen. Dort wurden zahllose der Blutdiamanten gefördert, mit denen er jahrelange Bürgerkrieg in dem westafrikanischen Staat finanziert wurde.

Obwohl die genauen Hintergründe für den angeblichen Putsch in Äquatorialguinea weiter unklar sind, hat er in aller Deutlichkeit gezeigt, wie eng der Einsatz von Söldnern mit der Kontrolle über Bodenschätze verbunden ist. »Schließlich ist Äquatorialguinea der drittgrößte Ölproduzent in Afrika, gleich nach Nigeria und Angola. Außerdem steht das Land im Zentrum der US-amerikanischen Ölinteressen«, sagte Sarah Wyke von der internationalen Menschenrechtsorganisation »Global Witness«.

Die Afrikanische Union (AU) arbeitet nun an einem Gesetz, das die Aktivitäten von Söldnern auf dem Kontinent unterbinden soll. Im Juli hat AU-Generalsekretär Alpha Oumar Konaré die Schaffung eines neuen Gerichtshofs angeregt, der sich speziell mit Söldnern befassen soll. Im November will der Exekutivrat der Organisation darüber entscheiden, ob dieser tatsächlich ins Leben gerufen wird. »Das wäre ein guter Schritt. Die Rechtslage sollte auf dem ganzen Kontinent angeglichen werden und die AU einen Weg finden, das Söldnertum erfolgreich zu bekämpfen«, meint Samasuwo.

* Beide Artikel wurden am 23. Oktober 2003 in der Tageszeitung "junge Welt" veröffentlicht.


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