Mubarak-Prozess überraschend vertagt
Opferanwälte halten den Richter für befangen *
Der Prozess gegen den ehemaligen ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak
wegen der Tötung von mehr als 800 Demonstranten ist überraschend auf den 30. Oktober vertagt
worden. Anwälte der Angehörigen der Opfer stellten am Sonnabend einen Befangenheitsantrag
gegen den Vorsitzenden Richter Ahmed Rifaat, berichtete das ägyptische Fernsehen. Bei der
Anhörung wichtiger Zeugen aus dem Staats- und Sicherheitsapparat lasse Rifaat kaum Fragen der
Opferanwälte zu, begründeten sie ihren Antrag.
In der Sitzung am Sonnabend war erstmals der Chef des regierenden Militärrates in Ägypten,
Mohammed Hussein Tantawi, als Zeuge angehört worden. Wie frühere Aussagen anderer Zeugen
mit Insider-Wissen über die Unterdrückungsmaschinerie unter Mubarak unterlagen die Aussagen
Tantawis einer strikten Nachrichtensperre. Richter Rifaat hatte sie unter Berufung auf die »nationale
Sicherheit« verhängt. Dabei sind es genau diese Zeugenaussagen, die klären könnten, ob Mubarak
während der Massenproteste, die im Februar seinen Sturz bewirkt hatten, einen Schießbefehl
erteilte oder von einem solchen Kenntnis hatte.
Mubarak muss sich zusammen mit seinem Innenminister Habib al-Adli und sechs ehemals leitenden
Innenministeriumskadern vor dem Gericht in Kairo verantworten. Zusammen mit seinen Söhnen
Gamal und Alaa ist er überdies wegen Korruption und Veruntreuung angeklagt. Zu den
Verhandlungen erscheint der Expräsident im Krankenbett. Nach Angaben seiner Anwälte leidet er
an Herzproblemen. Gerichtsärzte befanden ihn aber für verhandlungsfähig.
Nach Informationen der Webseite »almasryalyoum.com« konnten die Nebenkläger am Sonnabend
nur eine einzige Frage an Tantawi richten. Die Verteidiger Al-Adlis stellten ihm hingegen zehn
Fragen. Insgesamt entstand so der Eindruck, dass der Militär die Angeklagten entlastete, schrieb die
Webseite.
In Alexandria verhängte am Sonnabend (24. Sept.) ein Gericht auch im Prozess gegen die mutmaßlichen
Mörder des Bloggers Chalid Said eine Nachrichtensperre. Angeklagt sind zwei Zivilpolizisten, die
Said im Juni 2010 vor einem Internetcafé in Alexandria zu Tode geprügelt haben sollen. Der
behördliche Mord an dem 28-Jährigen hatte entscheidend zur Mobilisierung der Jugendbewegung
beigetragen, die im Februar den autoritären Präsidenten Husni Mubarak stürzte. Die wichtigste
Facebook-Seite, die zu den Protesten aufrief, hieß: »We Are All Khaled Said« (Wir sind alle Chalid
Said).
Am Sonnabend (24. Sept.) wurde ein neues Gutachten über die Todesursache Saids präsentiert. Bislang hatte
ein noch unter der Mubarak-Herrschaft manipuliertes Behördengutachten behauptet, Said sei an
Drogen erstickt, die er vor der drohenden Festnahme verschluckt hätte. Das Verfahren wurde auf
den 22. Oktober vertagt.
* Aus: Neues Deutschland, 26. September 2011
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