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Verhandlungen im Schatten der Stahlmauer

Ägypten will im innerpalästinensischen Konflikt vermitteln und befestigt die Grenze zum Gazastreifen

Von Karin Leukefeld *

Israel hat verärgert auf US-Andeutungen über mögliche Sanktionen wegen des »stockenden Friedensprozesses« reagiert. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte am Sonntag, für den Stillstand bei den Verhandlungen sei die palästinensische Autonomiebehörde verantwortlich. Der US-Sondergesandte George Mitchell hatte zuvor in einem Fernsehinterview angedeutet, daß Wa­shington Sanktionen gegen Tel Aviv verhängen könnte, um Druck auszuüben und Zugeständnisse zu erreichen. Die USA könnten beispielsweise Kreditgarantien zurückhalten, erklärte Mitchell.

Die isrelisch-palästinensischen Gespräche waren wegen des Überfalls Tel Avivs auf den Gazastreifen Ende 2008 abgebrochen worden. Die Palästinensische Autonomiebehörde um Präsident Mahmud Abbas fordert einen Stopp des Siedlungsbaus in den von Israel völkerrechtswidrig besetzten palästinensischen Gebieten, was die Regierung Netanjahu kategorisch ablehnt.

Viele Palästinenser hoffen unterdessen, daß der innerpalästinensische Streit zwischen Hamas und Fatah endlich beendet wird. Ägypten, das zwischen beiden Seiten vermittelt, legte in der vergangenen Woche einen neuen Vorschlag vor, wonach die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Westjordanland und Gazastreifen im kommenden Juni stattfinden könnten. Die Fatah hat dem Vorschlag bereits zugestimmt, eine Äußerung der Hamas steht noch aus. Nicht nur im Gazastreifen wird die Vermittlerposition Ägyptens allerdings zunehmend in Frage gestellt, vor allem, weil das Land seit 2007 die israelische Blockade gegen den Gazastreifen unterstützt. Zudem hat Ägypten damit begonnen, eine Stahlmauer entlang der Grenze zu bauen mit dem offensichtlichen Ziel, die Tunnel zu veröden, die den eingeschlossenen Menschen als Lebensader dienen. Die Hamas bezeichnet den Bau als »Todesmauer«.

Khalid Meschaal, der Chef der islamischen Hamas-Organisation, hatte Anfang des Jahres Saudi-Arabien besucht, um dort mehr Unterstützung für die innerpalästinensische Versöhnung zu erhalten. Ob die Saudis Einfluß auf Ägypten nehmen, die Stahlmauer gegen den Gazastreifen nicht zu bauen, ist unklar. Während des dreiwöchigen Gaza-Krieges 2008/09 machte Saudi-Arabien die Hamas mitverantwortlich für den israelischen Waffengang. Die Unterstützung für sie aus dem Iran behindere zudem einen neuen Friedensprozeß, hieß es in Riad. Auf die saudische Forderung nach Klarstellung, »was die Orientierung und Ziele (der Hamas) sind«, versicherte Meschaal, seine Organisation stehe klar an der Seite der arabischen Welt. Das wiederholte er auch in Bahrain und Kuwait. Die Fatah wird von den USA und deren Verbündeten unterstützt, die Hamas erhält Rückendeckung von Syrien, Libyen und dem Iran, die im Westen als Pariastaaten denunziert werden. c Auch Abbas reiste zu seinen arabischen Verbündeten: In Damaskus hält sich hartnäckig das Gerücht, er werde noch im Januar auch mit dem syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad und Hamas-Führer Meschaal in Damaskus zusammentreffen. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle besprach derweil den Friedensprozeß im Mittleren Osten in der Türkei, Saudi-Arabien und Katar. Das Bundeskanzleramt schickte seinerseits den Leiter für Außenpolitik, Christoph Heusgen, nach Damaskus, wo er Medienberichten zufolge dem syrischen Präsidenten eine Botschaft von Kanzlerin Angela Merkel überbracht haben soll. Syrische Medien zitieren Heusgen mit der Aussage, Deutschland wolle die Beziehungen mit Syrien ausweiten und - mit der EU - zum Nahostfriedensprozeß beitragen.

Israel hat derweil erneut seine tödliche Macht gegenüber den Palästinensern in Gazastreifen demonstriert. Am Sonntag wurden zwei Palästinenser im Norden des Palästinensergebiets erschossen. Die Männer hätten Schrott gesammelt, berichteten Augenzeugen dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira. Israel erklärte hingegen, die Männer hätten einen Raketenangriff vorbereitet.

* Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags erschien am 11. Januar 2010 in der jungen Welt


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