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Der Friedenspolitische Ratschlag 2010 in den Medien

Pressespiegel mit ausgewählten Artikeln vor und nach dem Kongress


Im Folgenden dokumentieren wir eine Auswahl von Presseberichten über den 17. Friedenspolitischen Ratschlag", der am 4./5. Dezember 2010 in der Uni Kassel stattfand. Die ersten beiden Artikel sind Kongress-Ankündigungen, die darauf folgenden Artikel Kongress-Besprechungen.

Friedensbewegung lädt nach Kassel

Kriegsgegner diskutieren am kommenden Wochenende und dem Motto »Die Ausplünderung der Welt stoppen« *

Am Wochenende findet in Kassel der 17. Friedenspolitische Ratschlag unter dem Motto »Kampf um Rohstoffe, Wasser, Energie – Die Ausplünderung der Welt stoppen!« statt. Zu dem Kongreß, der von der AG Friedensforschung an der Uni Kassel mit Unterstützung des Bundesausschusses Friedensratschlag durchgeführt wird, werden mehrere hundert Teilnehmer an der Uni erwartet.

Im Mittelpunkt der Diskussion soll der Kampf um Rohstoffe stehen, der schon heute im Irak, in Afghanistan und in Afrika tobt. Themen sind auch die Rolle und das Verhältnis von NATO, Europäischer Union und der Bundeswehr, die kleiner, aber effektiver werden soll.

»Der Friedensratschlag«, so Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses, »wird den Blick aber auch auf heraufziehende Bedrohungen richten, bei deren Bewältigung die Großmächte erneut dem Militär den Vorzug geben wollen«. Dies betreffe die Sanktions- und Kriegsdrohungen gegen Iran, die Fortsetzung des »Krieges« gegen den internationalen Terrorismus, die Vorbereitungen auf einen möglichen neuen Bürgerkrieg im Sudan oder den Wettlauf um den vermuteten Rohstoffreichtum der Arktis. Andere Dauerkonflikte wie etwa der im Nahen Osten würden ausgesessen und damit dem Drehbuch der regionalen militärischen und nuklearen Großmacht Israel überlassen, kritisiert Strutynski.

Neben der Analye der Kriegspolitik geht es in Kassel um die Entwicklung der Friedensbewegung. Dem Bedeutungszuwachs des Militärischen stünden eine »emsige«, aber wenig beachtete friedenswissenschaftliche Expertise sowie eine in der öffentlichen Wahrnehmung unterbewertete Friedensbewegung gegenüber, umreißt Strutynski das Problem. Beide müßten sich mit der Frage auseinandersetzen, warum sich die überwältigende Mehrheit für eine atomwaffenfreie Welt oder gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan nicht »auf der Straße« sehen lasse.

Gemäß dieser umfassenden Themenpalette gibt es am 4. und 5. Dezember in Kassel eine Vielzahl von Diskussionsangeboten. Angekündigt sind vier Plenarveranstaltungen, 27 Foren und Workshops sowie mehr als 30 Referenten aus Politik und Friedensforschung. Zu den Höhepunkten zählen die Veranstalter den Auftritt des Anwalts und Autors Heinrich Hannover (Samstag, 16.30 Uhr), der auch sein neues Buch »Reden vor Gericht« signieren wird. Auf Interesse stoßen wird sicher auch die Ansprache des ehemaligen jugoslawischen Außenminister Živadin Jovanovi (»Balkan: Region des Friedens oder Region der ›kontrollierten‹ Instabilität?«) am Sonntag um 9 Uhr. (jW) Der Kongreß beginnt am Samstag, 4. Dezember, um 12 Uhr, in der Uni Kassel (Standort Wilhelmshöher Allee 73) und endet am Sonntag, 5. Dezember um 14 Uhr. Das vollständige Programm steht unter: www.ag-friedensforschung.de/rat/2010

* Aus: junge Welt, 30. November 2010


Friedensratschlag in Kassel **

Unter dem Titel »Kampf um Rohstoffe, Wasser und Energie – Die Ausplünderung der Welt stoppen« findet am Wochenende in der Universität Kassel der Friedensratschlag 2010 statt (Wilhelmshöher Allee 73). Mehrere hundert Teilnehmer werden bei dem zweitägigen Kongress erwartet, der die gegenwärtigen und heraufziehenden Konflikte in der Welt analysiert und nach Antworten jenseits von Krieg und Gewalt sucht. In den Foren, Workshops und Plenarveranstaltungen geht es um Alternativen zur NATO, zur Militarisierung der EU, zur Marginalisierung der UNO und zur »Versicherheitlichung« der Rohstoff- und Energiepolitik. Die Referentinnen und Referenten kommen aus der Friedensforschung, der Politik und aus der Friedensbewegung sowie anderen sozialen Bewegungen. Unter anderen werden der prominente Anwalt Heinrich Hannover sowie der ehemalige jugoslawische Außenminister Zivadin Jovanovic beim Kongress auftreten.

** Aus: Neues Deutschland, 1. Dezember 2010 ("Bewegungsmelder")


Wohlstandsinseln gegen den Rest der Welt

Kasseler Friedensratschlag diskutierte Bedeutung von Rohstoffen für Wirtschaft und künftige Kriege

Von Gisela Dürselen, Kassel ***


Die Themen lagen auf der Hand für den 17. Kasseler Friedensratschag am vergangenen Wochenende in der Universität. Im Mittelpunkt stand, was teils schon Realität ist, teils bald für jeden spürbar sein wird: globale Kriege, die um die letzten Reserven dieser Welt ausgefochten werden. »Kampf um Rohstoffe, Wasser und Energie – Die Ausplünderung der Welt stoppen« lautete der Titel der Tagung.

Welch entscheidende Rolle Rohstoffe nicht nur bei der Entstehung von Konflikten, sondern insgesamt im weltweiten Machtgefüge haben können, erläuterte in einem Workshop Achim Wahl von der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Beispiel Brasilien. Dieser neue »Global Player« mit seinen enormen Bodenschätzen sei nach wie vor Rohstofflieferant – heutzutage insbesondere für China.

Das vor Brasiliens Küste gefundene Erdöl sei schwierig zu erschließen, doch könnte es – würde es erschlossen werden – das Land in zehn Jahren auf das Niveau von Saudi-Arabien bringen. Auch mit seinen gewaltigen Wasserreservoirs und dem für die Pharmaindustrie interessanten Reichtum an Biodiversität im Amazonasbecken habe Brasilien längst die Aufmerksamkeit des Kapitals auf sich gezogen.

Diese Stellung habe Brasilien in den vergangenen Jahren genutzt, um sich zu emanzipieren. Zwar beute es seine Ressourcen nach wie vor in neoliberaler Manier aus, etwa für Biosprit. Doch in anderer Hinsicht habe sich unter Präsident Lula viel getan – vor allem durch demokratische Veränderungen und einen gestärkten Staat. Mit seinem Reichtum an Rohstoffen sei Brasilien ein interessanter Partner für viele. Diese Stellung nutze das Land in Lateinamerika und in der UNO. Indem es sich neue Partner in Asien und Afrika gesucht habe, sei der Einfluss der USA in Lateinamerika insgesamt zurückgedrängt worden.

Wie sich die europäischen Länder quasi als Wohlstandsinseln auf ihrer Suche nach Rohstoffen und Macht gegen den Rest der Welt stemmen, war Gegenstand eines Workshops mit Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen: Unter dem Titel »Imperiale Machtpolitik aus einem Guss« sprach Wagner zum Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD), der am 1. Dezember 2010 offiziell seine Arbeit aufgenommen hat. Der EAD sei das zentrale Instrument zur Durchsetzung von Interessen: Er vereine Entwicklungspolitik, die diplomatischen Aufgaben eines Auswärtigen Amts und alle Fragen des Militärischen. Zivile Kompetenzen würden dabei dem Militärischen untergeordnet. Mit der Erklärung »Entwicklung braucht Sicherhheit« würden Militärausgaben mit Geldern der Entwicklungshilfe finanziert; zivile Organisationen hätten sich bei der zivil-militärischen Zusammenarbeit dem Militär zu beugen, und die zivile Konfliktbearbeitung – einst als Alternative zum Militär konzipiert – werde zum »Mehrwertmaximierer« fürs Militär. Dadurch sei die EU als imperialer Akteur noch effektiver als bisher.

Bei der Tagung gab es vier Plenarsitzungen, 25 Foren und Workshops und 35 Referenten: Das Programm des diesjährigen Kasseler Friedensratschlags war so vielseitig, dass auch Platz blieb für Themen, die weniger öffentliche Beachtung finden: etwa das Auftreten der Bundeswehr in Schulen und im öffentlichen Raum sowie der Wettlauf um den Rohstoffreichtum in der Arktis.

Gekommen waren rund 250 Interessierte – etwa so viele wie in den Vorjahren. Dass es nicht mehr waren und es der Friedensbewegung offenbar nicht gelingt, an Einfluss zu gewinnen und eine kritische Masse für eine Protestbewegung zu gewinnen, wurde ebenfalls thematisiert. Die Friedensforschung müsse klare Worte finden zu aktuellen Konflikten und Weichenstellungen, forderte etwa Peter Strutynski vom Friedensratschlag im Plenum. Für eine Mobilisierung der Massen aber sei Betroffenheit die Voraussetzung. Wie die Proteste gegen Stuttgart 21 und die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke bewiesen hätten, sei eine solche Mobilisierung möglich: Allerdings seien diese Proteste nur ein erster wichtiger Schritt gewesen, jedoch noch keine Trendumkehr.

*** Aus: Neues Deutschland, 6. Dezember 2010


Kriegsgegner berieten in Kassel

Beim 17. Friedenspolitischen Ratschlag wurden neue Aktionen für 2011 beschlossen

Von Karin Leukefeld, Kassel ****


Bundesweite Mobilisierungen gegen den Afghanistan-Krieg, die Münchner Sicherheitskonferenz sowie die neuen Interventionsstrategien der NATO. Das sind die wichtigsten Aktionen, zu denen der Kasseler Friedensratschlag für das kommende Jahr aufruft. Etwa 300 Aktivisten der bundesweiten Friedensbewegung waren dem Aufruf nach Kassel gefolgt, wo sie am vergangenen Wochenende zum 17. Mal mit Experten aus Wissenschaft, Gewerkschaften, Medien und Politik über Kriege und Kriegsursachen in aller Welt diskutierten. Die Teilnehmer plädierten zudem für eine stärkere Zusammenarbeit von Friedens-, Umwelt- und Antiatombewegung.

Bei der zweitägigen Veranstaltung ging es um die Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen USA, Europa und China, und um Brasilien, den neuen »global Player«. Beleuchtet wurden auch die Hintergründe des »Kampfes gegen den Terror« in Afrika. Der militärische Wettlauf um die Kontrolle des Rohstoffreichtums in der Arktis wurde ebenso erörtert, wie Werbekampagnen der Bundeswehr an Schulen oder Neonazis in der Friedensbewegung. Am Sonntag (5. Dez.) diskutierten die Aktivisten unter anderem über mögliche Vorbereitungen auf einen neuen Bürgerkrieg im Sudan.

Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) stellte ein bemerkenswertes Zitat von Zbigniew Brzeziski an den Anfang seines Vortrages über den neuen Europäischen Auswärtigen Dienst. Früher sei es einfacher gewesen, eine Million Menschen zu kontrollieren, als sie zu töten, so der frühere US-Präsidentenberater, heute sei es umgekehrt. Ali Fathollah-Nejad von der Uni Münster nahm das »westliche Sanktionsregime« gegenüber dem Iran ins Visier. Das Land habe als Regionalmacht im Mittleren Osten ein berechtigtes Bedürfnis nach Sicherheit, betonte er. Der frühere Außenminister Jugoslawiens, Zivadin Jovanovic, wies auf die gefährliche Einmischung des Westens auf dem Balkan hin. Die NATO-Aggression 1999 bezeichnete er als »historischen Fehler« besonders der EU und Deutschlands. Peter Strutynski, Organisator des Friedensratschlages zeigte sich gegenüber jW »begeistert« darüber, daß es seit Jahren gelinge, »ein volles Haus« zu haben. Zum 10.Jahrestag des Afghanistan-Krieges im November 2011 plane man ein Tribunal, kündigte Strutynski an.

**** Aus: junge Welt, 6. Dezember 2010


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