Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Außer zur Selbstverteidigung ist Krieg selbst Terror"

Erklärung des Bundesausschusses zum Abschluss des Friedenspolitischen Ratschlags am 1./2. Dezember 2001 in Kassel

Im Folgenden dokumentieren wir die Erklärung, die der Bundesausschuss Friedensratschlag im Anschluss an den Kasseler Ratschlag herausgegeben hat.

Erstmals seit Ende des zweiten Weltkrieges ist Deutschland mit allen Waffengattungen wieder weltweit zum Kriegseinsatz bereit. Interventionen und Krieg sind unter der rot/grünen Bundesregierung zu einem normalen Bestandteil deutscher Politik geworden. Damit missachtet die rot-grüne Bundesregierung die furchtbaren Erfahrungen unseres Landes mit Krieg und Faschismus.

Zu dieser Politik gibt es nach Regierungsansicht keine Alternative. Deshalb werden Kritiker diffamiert, abweichende Meinungen, die sich auch innerhalb der Regierungsparteien äußern, mit Ausgrenzung bedroht. Durch außen- und innenpolitische Militarisierung verabschiedet sich die Berliner Republik endgültig von den antifaschistischen, antimilitaristischen und demokratischen Wurzeln Nachkriegsdeutschlands.

Deutschland soll wieder als "normale" Militärmacht dabei sein, wenn es um geopolitische Interessen, um die Kontrolle der Bodenschätze, der Energiequellen, um Erdöl und Erdgas geht.

Im "Kampf gegen den Terror" wurde am 16. November 2001 im Deutschen Bundestag eine umfassende Kriegsermächtigung mit einer Laufzeit von einem Jahr und einem sehr weit reichenden Einsatzraum beschlossen. Mit "Mittelasien", "Nordostafrika" und "Zentralasien" kann vieles gemeint sein. Der Irak kann ebenso Kriegsziel sein wie Somalia, der Sudan oder Libyen. US-Präsident Bush will den für lange Zeit geplanten und notfalls mit allen Arten von Waffen zu führenden Krieg über Afghanistan hinaus auch in andere Länder tragen.

Wir sagen: Soldaten der Bundeswehr haben dabei nichts zu suchen. Wir fordern das sofortige Ende des Krieges in Afghanistan und die Absage an alle weiteren Militäreinsätze, die im Zeichen des "Kampfes gegen den internationalen Terrorismus" geplant sind. Unser NEIN zum Krieg ohne Wenn und Aber ist eine grundsätzliche Absage an den Krieg, aus humanitären, moralischen, politischen und auch aus wirtschaftlichen Gründen.

Außer zur Selbstverteidigung ist Krieg selbst Terror und schon deshalb kein geeignetes Mittel zur Terrorbekämpfung. Jeder Krieg nimmt den Tod und das Leid unschuldiger Menschen in Kauf, er ruft weiter gesteigerten Hass und neue Gegengewalt hervor und gibt dadurch dem Terrorismus weitere Nahrung.

Der weltweit auftretende Terrorismus muss im Rahmen einer international anerkannten Rechtsgrundlage unter Verantwortung der Vereinten Nationen bekämpft werden. Ein Internationaler Strafgerichtshof ist von allen Staaten, einschließlich den USA, anzuerkennen. Ein Recht auf Rache gibt es international ebenso wenig wie im nationalen Bereich ein Recht auf Selbstjustiz.

Mehr Schutz gegen den Terrorismus erwächst vor allem aus sozialer Gerechtigkeit und Solidarität. Die verheerenden Folgen einer neoliberalen Globalisierung, die ausschließlich die reichen Industrieländer begünstigt, müssen beseitigt werden, gerechte Handelsbeziehungen und mehr Entwicklungshilfe sind notwendig, Abrüstung statt Aufrüstung kann Mittel für humanitäre Programme freisetzen.

Die traditionelle auf Waffen beruhende Politik erweist sich mehr und mehr als untauglich. Da hilft es auch wenig, immer neue Rechtfertigungen für Militäreinsätze vorzubringen. Dominierten im Golfkrieg und beim Somaliaeinsatz die angebliche Stärkung der UNO, führte man den Jugoslawienkrieg für die Menschenrechte und gegen Völkermord, so werden jetzt zwar auch Frieden und Menschenrechte, aber vor allem Sicherheit und Stabilität als Kriegsziele genannt. Bei keinem dieser Kriege wurden die angegebenen Ziele erreicht.

Nach dem Abschied der Mehrheit der Regierungsparteien von einer friedensorientierten Politik und von der Friedensbewegung gilt es umso mehr, die außerparlamentarischen Kräfte zu stärken. Die Diskrepanz zwischen Volkswillen auf der einen und Parlaments- sowie Regierungshandeln auf der anderen Seite wächst. Daraus ergeben sich Möglichkeiten, neue und breitere Koalitionen für Frieden und soziale Gerechtigkeit zu entwickeln.

Wir werden zeigen, dass es realistische Alternativen zum Regierungskurs gibt, und wir werden unsere friedenspolitischen Alternativen auch in Wahlkämpfen zum Thema machen. Damit wollen wir dazu beitragen, dass möglichst viele Rüstungsgegner aus verschiedenen Parteien in den nächsten Bundestag einziehen.

Wir wollen eine breite Bewegung entwickeln, die Fragen des Friedens und der Sicherheit in einer großen öffentlichen Debatte thematisiert, für eine konsequente Friedenspolitik gesellschaftliche Mehrheiten gewinnt und diese Politik durchsetzen hilft.

Dass deutsche Außenpolitik Friedenspolitik wird, ist nur durch neue Anstrengungen der Friedensbewegung zu erreichen. Politik braucht Alternativen. Dafür stehen wir.

Wir werden weiter für eine Außenpolitik arbeiten, die den Namen Friedenspolitik verdient. Das bedeutet Abrüstung, nichtmilitärische Konfliktlösung und internationale Solidarität. Wir lehnen die neue NATO-Strategie, den Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee und die Beschaffung neuer Waffen ab. Wir verlangen die Auflösung der sogenannten Einsatzkräfte ("Krisenreaktionskräfte"), die Reduzierung des Rüstungshaushaltes und ein Verbot des Waffenexports. Wir fordern den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland. Wir setzen uns dafür ein, die durch Abrüstung eingesparten Gelder in zivile Projekte zu investieren. Wir verlangen schließlich die Rücknahme der sog. Antiterrorgesetze, weil Frieden und Sicherheit nicht durch Abbau demokratischer Rechte zu gewährleisten sind.

Wir unterstützen den Appell gegen den Umbau der Bundeswehr in eine Angriffsarmee:
"Kriege verhindern - 'Einsatzkräfte' auflösen
Ich lehne den Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee ab und fordere Bundestag und Bundesregierung auf,
  • die dafür vorgesehenen 150.000 Soldaten starken "Einsatzkräfte" aufzulösen,
  • die damit verbundene Beschaffung neuer Waffen und Ausrüstungen zu stoppen, und
  • die dadurch eingesparten rund 100 Milliarden € in zivile Projekte zu investieren (z.B. Bildung, Umwelt, Soziales )"
(www.friedensratschlag.de, www.imi-online.de)

Wir unterstützen den Appell "Raketen abrüsten - statt abwehren!", worin die Bundesregierung aufgefordert wird, jede Beteiligung an einem Raketenabwehrsystem abzulehnen und die Regierungen der USA und Europas zum Verzicht darauf zu bewegen. (www.friedenskooperative.de/abschaff.htm)

Wir unterstützen die vielfältigen Kampagnen für ein Verbot des Rüstungsexports. (Buko - Stoppt den Rüstungsexport, Tel. 0421-326045; Stop-arms-trade@t-online.de. "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen!" Tel. 0611-9102350; AntiRexpo@t-online.de)

Wir wissen uns mit der israelischen und palästinensischen Friedensbewegung einig und fordern mit ihnen ein Ende der Gewalt im Nahen Osten. Voraussetzung hierfür ist vor allem die Beendigung der israelischen Siedlungspolitik, welche für die Palästinenser Jahrzehnte dauernde Unterdrückung und Benachteiligung bedeutet. Eine Lösung des Konflikts ist nur möglich, wenn die beteiligten Parteien als gleichberechtigte Partner anerkannt werden und wenn ausschließlich zivile Mechanismen zur Konfliktregulierung eingesetzt werden. Hierzu scheint eine internationale Vermittlung unverzichtbar zu sein.

Wir fordern die Bundesregierung auf, das Embargo gegen den Irak zu beenden und die Sanktionen gegen den Irak nicht länger zu beachten. Das irakische Volk hat genug gelitten. (http://www.embargos.de)

Kassel, den 7. Dezember 2001
Bundesausschuss Friedensratschlag


Zurück zur Seite "Friedensbewegung"

Zurück zur Seite "Friedensratschlag 2001"



Zurück zur Homepage