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"Wir teilen die Sorge des Zentralrats der Juden in Deutschland" - Antifaschisten warnen vor einem neuen Antisemitismus

VVN-Sprecher: "Angesichts der deutschen Geschichte ein Verbrechen"

Pressemitteilung, 29. Mai 2002

Gegen die »Wiederbelebung des Antisemitismus in einem bisher nicht gekannten Ausmaß« wenden sich die Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), Peter Gingold und Dr. Ulrich Schneider, in einer gemeinsamen Erklärung. Gingold ist zugleich Mitglied des Auschwitz-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland. Die beiden VVN-Sprecher betonen: »Angesichts der politischen Entwicklungen im Nahen Osten erleben wir eine öffentliche Debatte, die von neuen Formen des Antisemitismus geprägt wird. Dabei wird die legitime und an sich nicht antisemitische Kritik an der verhängnisvollen Politik der gegenwaertigen israelischen Regierung mit einer pauschalen Diffamierung des Staates Israel oder Menschen jüdischen Glaubens in unserem Land verbunden.«

Darüber hinaus fänden »historisch verzerrte Vergleiche« mit dem »Vernichtungskrieg«, eine Identifizierung von Flüchtlingslagern mit KZs und ähnliches nicht nur in der neofaschistischen Polemik statt.

»Ein schlimmes Beispiel« böten die Äußerungen von FDP-Politiker Möllemann. »Statt eine politische Lösung der Probleme im Nahen Osten, wie sie von der israelischen und palästinensischen Friedensbewegung gefordert wird, zu unterstützen, betätigt er sich als ´Tabu-Brecher`, indem er aus erkennbar wahltaktischen Gründen nicht nur antisemitische Ressentiments in unserer Gesellschaft bedient, sondern durch seine Art der öffentlichen Präsentation sie auch noch forciert«.

»Endlich dürfe man sagen, was man schon immer dachte«, laute eine der Reaktionen auf Möllemanns Vorstoß. Dessen öffentlichen Anwürfe gegen den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Michel Friedmann, im Zusammenhang mit dem Fall Karsli, seien »nur die Spitze eines Eisbergs, der offenkundig gesellschaftliches Bewusstsein widerspiegelt«.

Behauptungen wie jene, die Juden selber seien für die Zunahme des Antisemitismus verantwortlich, lägen auf einer ähnlichen Linie wie Nazi-Parolen von der »zionistischen Weltverschwörung«. Dabei würden »die Opfer zu Tätern gemacht und eine nicht greifbare "allgegenwärtige Bedrohung"; herbei phantasiert«.

»Im Endeffekt werden damit antisemitische Vorbehalte bedient und unterstützt, die in letzter Konsequenz zu Übergriffen, Brandstiftungen und Friedhofschändungen füh-ren.« Die Erklärung, das habe man »nicht gewollt«, sei »so glaubwürdig wie das Verhalten eines Biedermannes, der Benzinkanister ins Haus schleppt und anschließend den Brandstiftern noch die Streichhölzer aushändigt«.

»Wir teilen die Sorge des Zentralrats der Juden in Deutschland ueber die Wiederbelebung des Antisemitismus in einem bisher nicht gekannten Ausmaß«, heißt es in der Erklärung der beiden Bundessprecher der VVN-BdA. »Wir verurteilen das Spekulieren auf Wähler aus dem rechten Lager. Der Judenhass ist in unserem Land nach wie vor virulent; ihn wieder zu erwecken, ist angesichts der deutschen Geschichte ein Verbrechen«

Bundessprecher der VVN-BdA:
Peter Gingold (Mitglied des Auschwitz-Komitees in der BRD)
Dr. Ulrich Schneider (Historiker)


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