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UNO-Wahrheitskommission für den Krieg in Afghanistan gefordert

Pressemitteilung der NaturwissenschaftlerInnen Initiative

Pressemitteilung - 2001-10-16 -

Wieder einmal ist die Wahrheit das erste Opfer des Krieges. Durch unterdrückte Hinweise und vielfältige Gerüchte dringt immer stärker die Wahrheit über das wahre Gesicht des Krieges in Afghanistan an die Oberfläche: die zerstörte Moschee in Dschalalabad, das Dorf am Rande des Flughafens, die zerstörte Innenstadt von Kabul, hundert Angriffe auf die 250.000 menschengroße Stadt Kandahar, die zerstörten Dörfer an der Grenze zu Pakistan, Anschläge, die noch eine Stunde später zu hören sind als ein Dauerfeuer, der Bombentod an den 4 UNO-Mitarbeitern.

„Kollateral-Schäden“ lassen sich nicht mehr länger verheimlichen. Vieles bleibt im Ungewissen. Vieles bleibt der Zensur unterworfen, einer amerikanischen und afghanischen Militärzensur, der sich auch unabhängige Fernsehsender mehr und mehr fügen. Das Verschweigen der Wahrheit über Krieg und Vernichtung widerspricht grundsätzlichen demokratischen Rechten, vor allen Dingen dem Recht auf eine informierte Öffentlichkeit, die nur so abschätzen kann, was hinter den Propagandageschichten des chirurgischen Krieges wahr ist und was die reale Welt des Krieges gegen „die Terroristen“ ist.

Um die Wahrheit an die Öffentlichkeit zu bringen, um Informationen aus dem durch jahrzentelangen Krieg geschundenen Land zu bekommen, um einen Überblick über die Opfer der Zivilbevölkerung, über die Zerstörung der Infrastruktur, der Lebensmittelreserven, der Landwirtschaft und Industrie zu erreichen, fordert die NaturwissenschaftlerInnen Initiative die Einrichtung einer UNO-Wahrheitskommission u. a. aus Friedenswissenschaftlern, Friedensforschern, Nobelpreisträgern und Journalisten, aber auch von Vertretern von Hilfsorganisationen, die unter der Regie der UNO in den nächsten Tagen nach Afghanistan fahren soll, um das wahre Gesicht des Krieges zu untersuchen und die Weltöffentlichkeit darüber zu informieren.

Die NaturwissenschaftlerInnen Initiative bittet den Generalsekretär der UNO und Friedens-Nobelpreisträger Kofi Annan eindringlich, diese Delegation selbst zu leiten. Nur eine unabhängige Gruppe selbständig denkender und handelnder Fachleute kann jetzt die Weltöffentlichkeit informieren. Dies scheint uns deswegen dringend notwendig, um auf Grund der Informationen, die dann vorliegen, eine humanitäre Katastrophe ungeahnten Ausmaßes mit dem Beginn des Winters durch geeignete und rasche Hilfsmaßnahmen zu verhindern. Daher wenden wir uns heute an Kofi Annan mit der Bitte, diese Kommission innerhalb der nächsten Tage zu berufen und die Reise vorzubereiten. Wir fordern die Regierung von Afghanistan auf, dieser Kommission uneingeschränkten Zugang zu allen Städten und Plätzen des Landes zu ermöglichen und ihr jegliche Form der Bewegungsfreiheit zuzusichern.

Die Unabhängigkeit dieser Kommission soll durch ihre Zusammensetzung gewährleistet werden. Die Kompetenz der Delegation soll die Instrumentalisierung vor Propagandazwecken verhindern. Deswegen schlagen wir die Friedensnobelpreisträger Prof. Joseph Rotblat und Michael Gorbatchov sowie die Friedensnobelpreisträgerin Jody Williams als Mitglieder dieser Delegation vor. Die NaturwissenschaftlerInnen Initiative hat sich in einem Brief mit dem oben skizzierten Inhalt an den UNO-Generalsekretär Kofi Annan sowie an die Nobelpreisträger Joseph Rotblat und Michael Gorbatchov gewandt.

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