Aufruf zur Desertion: Berufungsverfahren lässt auf sich warten
Vor einem Jahr wurde Tobias Pflüger freigesprochen - Der Staatsanwalt legte Berufung ein - Bisher tat sich nichts
Pressemitteilung der IMI, Tübingen, 27.06.2001
An die Staatsanwaltschaft Tübingen:
Nehmen Sie die Berufung gegen den Freispruch von Tobias Pflüger zurück
oder was soll ein zweiter Prozeß?
Genau ein Jahr liegt nun der Prozeß gegen Tobias Pflüger wegen Aufrufs
zur Fahnenflucht im NATO-Krieg gegen Jugoslawien zurück. Tobias Pflüger
wurde damals vom Amtsgericht Tübingen freigesprochen. Die
Staatsanwaltschaft Tübingen legte jedoch Berufung gegen das Urteil ein.
Seither tut sich - zumindest öffentlich - nichts mehr. Das Verfahren
stockt, der Freigesprochene hängt in der Luft und Tobias Pflüger muß
immer noch eine Bestrafung fürchten. Wann kommt der neue Prozeß vor dem
Landgericht, kommt er überhaupt noch?
Rechtsanwalt Holger Rothbauer sagt zur Situation ein Jahr nach dem
Freispruch: "Es ist schon sehr ungewöhnlich,daß ein Berufungsverfahren
so lange liegen bleibt. Dies liegt jedoch an der Staatsanwaltschaft, die
bislang so gut wie nichts zur Begründung der Berufung vorgetragen hat."
Der "freigesprochene Angeklagte" Tobias Pflüger meint zum Jahrestages
des Prozesses:
"Die Staatsanwaltschaft weiß doch gar nicht, wie sie ihre Berufung heute
noch rechtfertigen soll. Hintergründe des NATO-Krieges gegen Jugoslawien
sind heute einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Die Fernsehfilme
"Bomben und Moral" (BBC) und "Es begann mit einer Lüge" (ARD) haben
bisher nicht ernsthaft widerlegte Informationen über den NATO-Krieg
deutlich gemacht und in eine breite Öffentlichkeit getragen.
Die Stichworte "Hufeisenplan", "Racak", "Rambouillet", "Rugovo",
"DU-Munition (Munition mit abgereichertem Uran)", "Streubomben",
"Graphitbomben", "Kollateralschaden", stehen für die Lügen, die
Kriegsbrutalität und den Zynismus von NATO und Bundesregierung.
Die Vergleiche der damaligen Situation im Kosovo mit Konzentrationslager
oder gar mit Auschwitz und die Vergleiche Slobodan Milosevics mit Adolf
Hitler, die von Joschka Fischer, Rudolf Scharping und Gerhard Schröder
bemüht wurden, waren alle unhaltbar und nichts anderes als
Kriegspropaganda und Geschichtsrevisionismus.Wann wird gegen das
bundesdeutsche Kriegskabinett ermittelt?
Wir sehen uns durch die seit dem Ende des Krieges gegen Jugoslawien über
die Medien bekanntgemachten Fakten in unserer damaligen Wahrnehmung des
NATO-Krieges bestätigt:
Es handelte sich um einen grundgesetzwidrigen und völkerrechtswidrigen
Angriffskrieg, an dem sich Bundeswehr-Soldaten nicht hätten beteiligen
dürfen! Ein Aufruf an die kriegsführenden Soldaten zur Verweigerung oder
Desertion war deshalb damals Gebot der Stunde."
Tobias Pflüger und alle anderen, die zur Desertion aufgerufen haben,
haben sich nicht strafbar gemacht, im Gegenteil, sie haben sich um
Wahrheit, Recht und Völkerrecht verdient gemacht.
Das sieht die Grundrechtsorganisation "Humanistische Union" (HU) ebenso.
Sie zeichnete 28 Erstunterzeichnende einer taz-Anzeige mit einem Aufruf
zur Fahnenflucht mit dem renommierten Fritz-Bauer-Preis aus. Tobias
Pflüger war auf spezielle Einladung des Geschäftsführers der HU, Tobias
Baur, bei der Preisverleihung am 10. Juni in Berlin anwesend.
Tobias Pflüger: "Bundeskanzler Gerhard Schröder meinte zu Beginn des
Jugoslawienkrieges:`Wir führen keinen Krieg´, daß das eine Lüge war, ist
inzwischen allen klar. Die Kenntnis weiterer Kriegslügen wird Stück für
Stück Allgemeingut. Die Staatsanwaltschaft Tübingen will ich deshalb auf
diesem Wege auffordern: Nehmen Sie Ihre Berufung zurück und lassen Sie
jeden Versuch, das rechtswidrige Vorgehen der Politik auch noch über die
Justiz zu rechtfertigen.
Was mir allerdings viel wichtiger ist: Ich hatte vor meinem Freispruch
vor Gericht gesagt: "Ich werde es in gleicher Situation wieder tun!", im
nächsten Krieg. Die nächsten Kriege werden heute vorbereitet. Die
Bundeswehr wird in Strategie, Struktur und Bewaffnung
kriegsführungsfähig gemacht, sie wird eine Interventionsarmee. Dagegen
müssen wir uns wehren und das müssen wir verhindern. Damit weitere
Aufrufe zur Verweigerung und Desertion nicht mehr nötig sind."
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