Humanistische Union ehrt pazifistischen Einsatz
Fritz-Bauer-Preis an Erstunterzeichner des Aufrufs zur "Fahnenflucht" zum Kosovo-Krieg
HU-Presseerklärung ('01/03)
Berlin, den 05.02.2001
Zum 25. Mal verleiht die HUMANISTISCHE UNION (HU) im 40. Jahr ihres
Bestehens den Fritz-Bauer-Preis für herausragendes Engagement um
Demokratie und Bürgerrechte. Der ideelle Bürgerrechtspreis wird im
Gedenken an das HU-Gründungsmitglied Dr. Fritz Bauer, den 1968
verstorbenen hessischen Generalstaatsanwalt, verliehen.
Die Reihe der prominenten Preisträger, darunter Gustav Heinemann (1970),
Lieselotte Funcke (1990), Günter Grass (1997) oder Regine Hildebrandt
(2000), wird nun erstmals um eine ganze Personengruppe erweitert: Den
Fritz-Bauer-Preis für das Jahr 2001 erhalten die 28 Erstunterzeichnenden
des Aufrufs, der sich zum Beginn des Kosovo-Krieges an deutsche
Teilnehmer beim NATO-Kriegseinsatz richtete.
Der „Aufruf an alle Soldaten, der Bundeswehr, die am Jugoslawien-Krieg
beteiligt sind“ erschien als halbseitige Anzeige in der Tageszeitung
„taz“ vom 21. April 1999. Die Aufforderung, sich nicht weiter am
militärischen Vorgehen zu beteiligen, wurde auch damit begründet, daß es
sich bei diesem ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr um einen
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ohne Mandat des Weltsicherheitsrates
handele und massive Gefahren für Zivilpersonen durch Bombardierung und
Vertreibungen abzusehen sind.
„Mit der Preisverleihung möchte die HUMANISTISCHE UNION die
Erstunterzeichnenden der Anzeige in der taz vom 21. April 1999 ehren,
die hiermit ihrem Gewissen gefolgt und gegen die allgemeine
Kriegseuphorie aufgetreten sind, die das Eintreten für ihre Überzeugung
und für Völker- und Verfassungsrecht für wichtiger hielten als
persönliche Nachteile, die voraussehbar waren: Anklagen und
Strafverfahren“, erklärt der HU-Bundesvorsitzende Dr. Till
Müller-Heidelberg.
Friedensforscher, Pazifisten und Menschenrechtsgruppen – darunter auch
die HU – hatten frühzeitig davor gewarnt, geltendes Völkerrecht zu
mißachten. Diese Warnungen wurden in den letzten Monaten dadurch
untermauert, dass sich viele Angaben zu vermeintlichen Greueltaten wie
auch andere Begründungen des Angriffskrieges - beispielsweise der
sogenannte „Hufeisenplan“ - als Unwahrheit herausgestellt haben.
„Handlungen, die geeignet sind ... das friedliche Zusammenleben der
Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges
vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu
stellen“, steht in Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes. Doch nicht gegen
die verantwortlichen Militärs oder Politiker, sondern gegen die
Unterzeichner rollt seit Ende 1999 eine Prozeßwelle. In erster Instanz
wurden – alleine in Berlin – sieben Personen verurteilt. Dem gegenüber
standen über 30 Freisprüche, zumeist mit der Meinungsfreiheit der
Aufrufer begründet (vgl.
den Bericht auf der Homepage des Friedensratschlags, Anm. Pst). Ein Urteil erkannte ausdrücklich die
völkerrechtliche Begründung des Aufrufs an. Gegen sämtliche Urteile und
Freisprüche wurde Berufung eingelegt, auch gegen die ersten Urteile der
zweiten Instanz – vorwiegend Freisprüche – hat die Staatsanwaltschaft
inzwischen Revision eingelegt.
Unter den Erstunterzeichnern des Aufrufs sind namhafte Pazifistinnen und
Pazifisten. Einige Persönlichkeiten verkörpern den bundesdeutschen
Pazifismus seit der Diskussion um die Wiederbewaffnung der Bundeswehr
über die Ostermarsch- und Friedensbewegung der 80-er Jahre bis heute.
Dieser praktizierte Verfassungsschutz und die dabei gezeigte unbeirrte
Haltung ist nach Ansicht der HU besonders hervorzuheben.
Namensliste der 28 Erstunterzeichnenden des „Aufruf an alle Soldaten der Bundeswehr, die am Jugoslawien-Krieg beteiligt sind“ (erschienen in der tageszeitung am 21. April 1999)
Dr. Volker Böge, Hamburg
Dr. Aris Christidis, Gießen
Alois Finke, Bonn
Brigitte Gärtner-Coulibaly, Herford
Dr. Wolfgang Hertle, Quickborn
Pfarrer Hubertus Janssen, Limburg
Wolfgang Kaleck, Berlin
Dr. Wilfried Kerntke, Offenbach
Brigitte Klaß, Frankfurt/ M.
Ekkehart Krippendorf, Berlin
Armin Lauven, Bonn
Volker Mergner, Frankfurt/ M.
Stephan Nagel, Greifswald
Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr, Berlin
Ingrid Röseler, Steinbach-Hallenberg
Clemens Ronnefeldt, Krastel
Prof. Dr. Roland Roth, Bonn
Martin Singe, Bonn
Mani Stenner, Bonn
Dr. Elke Steven, Köln
Volker Strom, Bonn
Helga und Konrad Tempel, Ahrensburg
Sonja Tesch, Hamburg
Hermann Theisen, Heidelberg
Hanne und Klaus Vack, Sensbachtal
Dirk Vogelskamp, Düren
Für Rückfragen:
Franz-Josef Hanke (HU-Pressesprecher), Tel. 06421/ 6 66 16,
e-mail: hanke@medienlinks.de
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