Waffen in die Türkei? Spürpanzer in die VAE?
Friedensbewegung: Auflösung des "Bundessicherheitsrats" - Stopp der Rüstungsexporte. Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Mit Bestürzung hat die Friedensbewegung auf zwei Meldungen der vergangenen Woche reagiert:
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Einmal wurde bekannt, dass Verteidigungsminister Scharping seinerzeit gelogen hat, als er bei der Entscheidung für die Lieferung von ABC-Spürpanzern in die Vereinigten Arabischen Emirate versprach, die Panzer (der Firma Henschel Wehrtechnik Kassel) würden selbstverständlich ohne Bewaffnung geliefert. Die Illustrierte "Stern" enthüllte am vergangenen Mittwoch, dass die Waffen - es handelt sich um einen Waffenturm mit einem schweren Maschinengewehr - doch auch geliefert werden sollen: zwar von einer anderen Firma (Kuka), aber auch aus Deutschland (Ausgburg).
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Zum anderen wies die verteidigungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Angelika Beer, am Freitag (23. Februar) in einer Pressemitteilung darauf hin, dass die deutschen Rüstungsexporte im abgelaufenen Jahr 2000 einen neuen Höchststand erreicht hätten und somit das Ergebnis aus dem Jahr 1999 noch einmal übertroffen hätten. Von den über fünf Milliarden DM, die - wertmäßig - an Waffen ausgeführt wurden, gingen Waffen im Wert von knapp zwei Milliarden DM in die Türkei. Die Türkei war damit wieder der wichtigste Abnehmer deutscher Rüstungsgüter.
Die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate haben eines gemeinsam: In ihnen gelten Menschen- und Bürgerrechte herzlich wenig.
In der Türkei gehören politische Verfolgung und Folter zum "Tagesgeschäft" ziviler Vollzugsbehörden und des Militärs. Die Misshandlungen von politischen Gefangenen in den Haftanstalten hat in den letzten Wochen und Monaten ein dramatisches Ausmaß angenommen. Betroffen sind aber nicht nur oppositionelle kurdische Gruppen. Im Januar gingen Polizei und Geheimdienste beispielsweise mehrfach gegen die türkische Menschenrechtsvereinigung IHD vor. Im Februar wurden gegen zehn Radio- und Fernsehsender politisch motivierte Sendeverbote und Verwarnungen ausgesprochen. In den Kurden-Provinzen herrscht seit 1980 der Ausnahmezustand.
Die VAE sind ein Staatenbund aus sieben Scheichtümern, in dem die Regierung (ein sog. Rat der herrschenden Emirs) keinerlei demokratische Legitimation besitzt. Im Land herrscht die Scharia, das heißt es wird nach islamischem religiösem Recht geurteilt: Amputationen von Gliedmaßen, Auspeitschungen und andere Formen der körperlichen Züchtigung sind also durchaus üblich. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international führt den Staat regelmäßig in seinen Jahrbüchern auf. Außerdem verfügt das reiche Land über eine Armee von mehr als 50.000 Soldaten und einer insgesamt sehr guten Ausrüstung und Bewaffnung. Gemessen an der Einwohnerzahl (knapp 2 Mio.) hat das Land also eine sehr hohe Militärdichte (den gleichen Maßstab für die Bundesrepublik Deutschland angelegt, müsste die Bundeswehr aus 2 Mio. Soldaten bestehen!). Nach dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung genehmigte die Bundesrepublik 1999 insgesamt 81 Rüstungsexportprojekte in die VAE im Gesamtwert von 336,7 Millionen DM. Damit belegten die VAE Platz 5 unter den Empfängerländern!
Der Bundesausschuss Friedensratschlag verurteilt die Rüstungsexporte in die genannten Länder und weist darauf hin, dass die Bundesregierung mit ihrer großzügigen Genehmigungspraxis permanent gegen die eigenen Rüstungsexport-Richtlinien vom Januar 2000 verstößt. Dort heißt es u.a.: "Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression im Sinne des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle." (
Rüstungsexport-Richtlinien der Bundesregierung, 19. Januar 2000, Abschnitt I, Absatz 3)
Daraus wären folgende Konsequenzen zu ziehen:
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Die Bundesregierung sollte klarstellen, dass eine Lieferung des Waffenturms und der entsprechenden Maschinengewehre an die VAE nicht in Frage kommt. Außerdem erwarten wir, dass die Bundesregierung ihre Entscheidung, eine Munitionsfabrik zur Produktion von Gewehrmunition an die Türkei liefern zu wollen, rückgängig macht.
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Verteidigungsminister Scharping ist aufgefordert, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen, er habe im März 2000, als es um die Ausfuhrgenehmigung für die Spürpanzer ging, wissentlich die Unwahrheit gesagt.
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Rüstungsexporte sind nicht erst im nachhinein zu melden ("Rüstungsexportbericht"), sondern schon vor einer Entscheidung öffentlich zu machen. Dies setzt die Abschaffung des "Bundessicherheitsrats" voraus. Der "Bundessicherheitsrat" besteht aus dem Bundeskanzler, dem Außenminister, dem Verteidigungsminister, dem Wirtschaftsminister und der Entwicklungsministerin. Dieses geheim tagende Gremium, das über den Export von Waffen und anderen Kriegsgütern entscheidet, ist ein vordemokratisches Gremium, das keinerlei parlamentarischer Kontrolle untersteht. Rüstungsexporte gehören ins Parlament und in die Öffentlichkeit!
Die rot-grüne Bundesregierung ist im Oktober 1998 mit dem Versprechen angetreten, Rüstungsexporte "restriktiv" und unter Beachtung der Menschenrechtssituation potenzieller Empfängerländer zu handhaben. Nach zweieinhalb Jahren rot-grüner Regierungspraxis müssen wir mit Schrecken feststellen: Noch nie wurden so viele Waffen und Rüstungsgüter ins Ausland geliefert wie heute.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Dr. Peter Strutynski (Sprecher)
Kassel, den 26. Februar 2001
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