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Sierra Leone: Ende des Bürgerkriegs?

Das Jahr 1999 - Wie wird es weitergehen?

In Sierra Leone ging am 7. Juli ein neun Jahre langer erbitterter Bürgerkrieg zu Ende. Es war einer der grausamsten bewaffneten Konflikte Afrikas. Zehntausende von Zivilisten wurden von den Söldnern der "Revolutionären Vereinigten Front" (RUF) und von abtrünnigen Regierungssoldaten misshandelt, vergewaltigt, ausgeraubt, verstümmelt und ermordet. Die Aufständischen haben den Norden und Osten des Landes praktisch unter ihre Gewalt gebracht, während im Süden und Westen die westafrikanische Eingreiftruppe Ecomog das Gebiet beherrscht. Unter deren Schutz konnte der demokratische gewählte Präsident Ahmed Tejan Kabbah die Regierungsmacht in der Hauptstadt Freetown behalten. Der Friedensvertrag vom 7. Juli, der mit Hilfe der Vereinten Nationen zustande kam, sieht vor, dass die Rebellen künftig an der Macht im Staat auch offiziell beteiligt werden. Alle Kriegsverbrecher wurden amnestiert. Rebellenführer Foday Sankoh wird Vize-Präsident und Chef der "Strategischen Ressourcen", d.h. der Gold- und Diamantminen. Das ist ungefähr so, wie wenn man einen Bankräuber zum Bankdirektor ernennt.

Die Diamanten waren auch der Hauptzankapfel, um den der Bürgerkrieg geführt wurde. Diamanten sind das wichtigste (Export-)Produkt des Landes, daneben gibt es in nennenswertem Umfang noch Gold und das wichtige Mineral Rutil, in dem Titandioxid enthalten ist, das zur Stahlherstellung für die Raumfahrt Verwendung findet. Jahrelang führte Sankoh seinen Krieg und fand dabei Unterstützung im benachbarten Liberia, dessen Regierungschef James Taylor selbst einmal vom Rebellenführer zum Staatsoberhaupt aufgestiegen ist. Die Finanzierung des Bürgerkriegs geschah durch den Verkauf der Edelsteine, die über die Nachbarländer Liberia im Südosten und Guinea im Nordwesten nach Großbritannien, in die USA und - vor allem - nach Belgien gebracht wurden. Internationale Konzerne waren an der Abwicklung der Rebellengeschäfte genauso beteiligt wie am Verkauf der Diamanten, die aus den vom Staat verpachteten Minen des Präsidenten Kabbah stammten. Letzterer bezahlte mit dem Erlös u.a. britische Söldner, die ihm im Kampf gegen die Rebellen beistehen sollten.

Ob der Doppelregierung eine Zukunft beschieden ist, muss bezweifelt werden. Zwar blieb es seit dem Friedensschluss ruhig, doch ist dies wohl in erster Linie der allgemeinen Kriegsmüdigkeit in einem weithin zerstörten Land zuzuschreiben. Vor allem wird Sankoh seine großen Versprechungen von Wohlstand und Diamanten, die seine Anhänger zu erwarten hätten, nicht halten können. Der Boden ist immer noch fruchtbar für neue Auseinandersetzungen zwischen den alten Rivalen, aber auch für den Aufstieg neuer Rebellen.
Aus: Friedens-Memorandum 2000

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