Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Zum Abschluss noch einmal große Ostermärsche

Eine kurze Presse-Nachlese


Wichtiges zu den Ostermärschen 2014 der Friedensbewegung ist bereits gesagt (siehe insbesondere das Fazit der Friedensbewegung: Positive Bilanz). Auch zahlenmäßig konnten sich die Abschlusskundgebungen am Ostermontag sehen lassen: Frankfurt/M. 2700 Teilnehmer/innen, Hamburg 800, Nürnberg 800, Kassel 700. Nicht zu dokumentieren sind an dieser Stelle die vielen Artikel zu den lokalen und regionalen Ostermärschen, die in den letzten Tagen in zahlreichen Lokalzeitungen - von Rundfunk- und Fernsehmeldungen ganz abgesehen! Sie alle machten noch einmal deutlich, dass die Ostermärsche das bei weitem wirksamste Mittel der Friedensbewegung ist, sich in den Medien darzustellen. Schon allein deshalb sind sie unverzichtbar.
Im Folgenden dokumentieren wir noch ein paar Artikel aus den der Friedensbewegung wohl gesonnenen überregionalen Zeitungen.



Ostermärsche: Positives Fazit *

Die Friedensbewegung zieht eine positive Bilanz der diesjährigen Ostermärsche. In mehr als 80 bundesdeutschen Städten fanden Demonstrationen und Kundgebungen statt. Dominiert wurden die Aktionen von den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine.

»Zur Ukraine ist das Fazit im Detail durchaus bunt, in der zentralen Aussage aber eindeutig: Der Hauptverursacher der politischen und militärischen Krise in und um die Ukraine ist nicht Rußland, sondern der Westen«, konstatierte Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, am Ostermontag. So hätten die EU-Osterweiterung und das Heranrücken der NATO an die russischen Grenzen nicht unbeantwortet bleiben können. »Ein Land, das sich militärisch umzingelt wähnt, muß Gegenmaßnahmen ergreifen« – zumal wenn dessen Einkreisung den vom Westen gegebenen Garantien nach dem Ende der Blockkonfrontation eklatant widerspreche. »Man muß nicht russophil oder ein Freund Putins sein, um zu dem Schluß zu kommen, daß es besser ist, ein Rußlandversteher zu sein als ein Kriegsflüsterer«, stellte Strutynski auf einer Kundgebung am Montag in Nürnberg klar.

Felix Oekentrop, Sprecher des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der Deutschen Friedensgesellschaft –Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) warnte vor einer Zusammenarbeit der EU mit den an der Putschregierung in Kiew beteiligten Faschisten. Er verwies auf eine Erklärung des Europäischen Parlamentes, in der es bereits im Dezember 2012 vor der Partei »Swoboda« gewarnt hatte, da sie mit ihrer »rassistischen, antisemitischen und ausländerfeindlichen Auffassung im Widerspruch zu den Grundwerten und Grundsätzen der EU« stehe. »Die Empfehlung des Parlaments lautete: keine Assoziationen, keine Koalitionen. Und jetzt: »Swoboda« ist mit mehreren Personen in der Regierung in Kiew, und die EU kooperiert«, kritisierte Oekentrop die Doppelzüngigkeit des Parlamentes.

Neben den Entwicklungen in der Ukraine machte die Friedensbewegung vor allem gegen die Rüstungsexporte der BRD und die Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland mobil. Auf der Kundgebung am US-Atomaffenstandort Büchel, dem letzten Atomwaffenstützpunkt auf deutschem Boden, erklärte der Jurist Bernd Hahnfeld, daß die Bundesrepublik »laut Atomwaffensperrvertrag verpflichtet« sei, »ihre Atomwaffen vollständig abzurüsten«.

Großen Raum nahm bei den Ostermärschen die Absicht des Verteidigungsministeriums ein, Killerdrohnen für die Bundeswehr anzuschaffen. Damit werde eine neue Rüstungsspirale in Gang gesetzt, die Schwelle zur Kriegführung gesenkt, der Anreiz zu »extralegalen Tötungen« erhöht und der weiteren Automatisierung der Kriegführung Vorschub geleistet, kritisierten die Friedensaktivisten.

* Aus: junge Welt, Dienstag 22. April 2014


Zähe kleine Friedenstaube

Ostermärsche auch 2014 unüberhörbar **

Mehrere tausend Menschen gingen am Osterwochenende bundesweit bei den traditionellen Ostermärschen für Frieden und den Stopp von Rüstungsexporten auf die Straße. Dies zeige die »stabile Organisationsstruktur der Friedensbewegung, die im ganzen Land in der Lage ist, für Frieden und Abrüstung gegen die Militarisierung nach innen und außen Aktionen zu organisieren«, erklärte der Sprecher des Ostermarschbüros, Willi van Ooyen. Der andauernde Bürgerkrieg in Syrien mit Abertausenden Opfern und die Zuspitzung im Ukraine-Konflikt waren wichtige Themen der diesjährigen Ostermärsche. In einer Erklärung mahnten die Veranstalter der Ostermärsche alle Beteiligten in der Ukraine-Krise zur Zurückhaltung. Der Bundesausschuss Friedensratschlag wandte sich dabei auch gegen die Abspaltungsbestrebungen in der Ostukraine. Die Ostermärsche erinnerten im Gedenkjahr 2014 an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges und das Aufbegehren dagegen. Die Friedensbewegung artikulierte ihre Forderung nach einem Paradigmenwechsel von der Militärpolitik hin zur zivilen Konfliktbearbeitung. Auch die Flüchtlingspolitik der EU war Teil der Proteste.

Lebendig, hellwach und sachkundig

Bundesweit nutzten Demonstranten das Osterwochenende für ihre traditionellen Aktionen. Die Organisatoren zogen anschließend ein positives Fazit.

Das Netzwerk Friedenskooperative zieht eine positive Bilanz der mehr als 80 Ostermärsche. Netzwerk-Geschäftsführer Manfred Stenner: »Die Ostermärsche zeigen eine lebendige, politisch hellwache und sachkundige Bewegung, die engagiert vor den Gefahren eskalationsträchtiger Machtpolitik warnt und friedenspolitische Alternativen zu Säbelrasseln und militärischer Intervention aufzeigt«.

Pfarrer Friedrich Laker bewertete das Ostermarsch-Engagement bei der Abschlusskundgebung in Dortmund mit den Worten: »Selten in unserem Land sind Menschen so unentwegt und konsequent über mittlerweile mehr als ein halbes Jahrhundert für Demokratie und Abrüstung, gegen Rassismus und Krieg unterwegs wie die Ostermarschierer.« Er mahnte zu mehr Engagement der Kirchen in den aktuellen Krisen.

»Die Friedensbewegung hält fest an ihrer Vision von einer Welt ohne Atomwaffen, von einem entmilitarisierten Europa der Völkerverständigung und einem Deutschland, von dessen Boden kein Krieg, sondern Frieden ausgeht«, erklärte am Sonntag das zentrale Ostermarschbüro in Frankfurt am Main.

Bis zu 100 Menschen zogen in Frankfurt an der Oder von der Friedensstele am sowjetischen Ehrenmal zur Friedenskirche und weiter zur Friedensglocke. Veranstalter war das Friedensnetz Frankfurt an der Oder. Zum ersten Ostermarsch im havelländischen Nauen hatten am Sonntag die Vereine Mikado und Humanistischer Freidenkerbund ab 18 Uhr eingeladen. Die Veranstaltung fand im Rahmen der diesjährigen Toleranzwochen vom 9. April bis 9. Mai statt.

Ostermärsche gab es am Sonntag unter anderem auch in Wiesbaden und Gifhorn. In Schleswig-Holstein demonstrierten nach Polizeizählung am Samstag rund 600 Menschen in Kiel, Wedel bei Hamburg und Flensburg. Mehrere hundert Teilnehmer kamen auch in Niedersachsen und Bremen zusammen. Unter dem Motto »Sagt Nein zu Krieg« kamen gut 500 Friedensaktivisten zur zentralen Kundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz. In Baden-Württemberg ist der Waffenhersteller Heckler & Koch zu Hause, die NATO-Kommandozentrale für Afrika sitzt in Stuttgart. Neben Ostermärschen in der Landeshauptstadt und in Ellwangen gingen auch in Mannheim mehr als 150 Friedensbewegte auf die Straße.

Unter dem Motto »Krieg wird gemacht – wir stellen uns dagegen« gingen am Samstag zahlreiche Bürger in Berlin auf die Straße. Nach Angaben der Veranstalter schlossen sich rund 1000 Menschen dem Ostermarsch an. Damit sei die Beteiligung etwas besser gewesen als im vergangenen Jahr. Im Fokus des Protestes in Erfurt stand das 2013 eröffnete Logistik- und Dienstleistungszen-trum der Bundeswehr. Beim Ostermarsch Mainz-Wiesbaden demonstrierten nach Angaben der Organisatoren am Samstag rund 300 Teilnehmer für die friedliche Lösung von Konflikten. An einem weiteren Ostermarsch um die US-Airbase in Ramstein (Kreis Kaiserslautern) beteiligten sich rund 80 Menschen.

** Aus: neues deutschland, Dienstag 22. April 2014


»Eine Aufgabe auch als Bürger«

Klaus Klinger erhielt Düsseldorfer Friedenspreis / Flüchtlingspolitik und Ukraine beschäftigten Ostermarschierer

Von Anja Krüger, Düsseldorf ***


Ein Höhepunkt der Ostermarschaktionen in diesem Jahr war die Verleihung des Düsseldorfer Friedenspreises. Der Aktionskünstler Klaus Klinger erhielt ihn für seine engagierten Arbeiten.

Die Lied, das vor dem Düsseldorfer DGB-Haus aus den Lautsprechern hallt, stammt aus den großen Zeiten der westdeutschen Friedensbewegung in den 1980er Jahren. Doch es ist hochaktuell. »Europa hatte zweimal Krieg, der dritte wird der letzte sein«, erklingt die Stimme des inzwischen verstorbenen Sängers Hans Sander der niederländischen Band »bots«. Anders als damals nehmen nicht mehr Zehntausende am traditionellen Ostermarsch Rhein-Ruhr teil, auch wenn er noch einer der größten ist. Rund 700 Menschen sind nach Veranstalterangaben am Samstag nach Düsseldorf gekommen, um vom DGB-Haus quer durch die Stadt zum Rhein zu ziehen. Bei der abschließenden Kundgebung auf dem Rathausvorplatz ehrt das Friedensforum der Stadt den Künstler Klaus Klinger mit dem Düsseldorfer Friedenspreis. Die Preisverleihung gehört zu den Höhepunkten der diesjährigen Ostermarsch-Aktionen im Rheinland. Bundesweit beteiligten sich einige Tausend Menschen an rund 80 Ostermarsch-Aktionen.

Der Künstler Klaus Klinger ist bekannt für seine politische Aktionskunst in der Öffentlichkeit. »Wir haben Klaus Klinger ausgewählt, weil seine Wandbilder in Düsseldorf eindrucksvoll für den sozialen und globalen Frieden werben«, sagt der Arzt Professor Ulrich Decking, Koordinator der Gruppen des Düsseldorfer Friedenspreises. Der Preis wird im jährlichen Wechsel im Rahmen des Ostermarsches Rhein-Ruhr oder am Antikriegstag 1. September verliehen. »Ich will mit meinen Arbeiten Denkanstöße geben«, so Klinger gegenüber »nd«. »Jeder versucht, sich mit seinen Mitteln auszudrücken und zu zeigen, was ihm nicht passt«, sagt der 60-Jährige. Das sei nicht nur eine Aufgabe für ihn als Künstler. »Das ist auch meine Aufgabe als Bürger – wie die jeden Bürgers.«

Das Thema Frieden im engeren Sinne von Abwesenheit militärischer Gewalt wird ihn künftig stärker beschäftigen, befürchtet er. »Angesichts des Säbelrasselns auf beiden Seiten in der Ukraine wird das wohl stärker in den Blickpunkt meiner Arbeit rücken«, sagt Klinger.

Vor mehr als 35 Jahren wurde sein erstes Wandbild gegen die Militärdiktatur in Chile und deren politische Unterstützung durch den CSU-Politiker Franz-Josef Strauss schnell übertüncht. »Damals sagten die Düsseldorfer Wandmaler um Klaus Klinger: jetzt erst recht«, berichtet der Kulturjournalist und Laudator Olaf Cless bei der Preisverleihung. Zu den Wandbildern, die seitdem entstanden, gehört das mit dem Atompilz über Düsseldorf – als Kommentar zur Aufrüstung unter dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan. Klinger bezieht bei seinen Arbeiten immer wieder andere ein. Er arbeitet mit Jugendlichen und setzt sich seit Jahrzehnten für den interkulturellen Dialog ein, nicht nur in Deutschland, sondern auch gemeinsam mit anderen Künstlern in Ländern wie Kuba, Nicaragua oder dem Senegal. »All das ist Friedensarbeit, ist Völkerverständigung auf ganz konkrete Weise«, sagt Laudator Cless.

Zu den großen Themen bei den Ostermärschen an Rhein und Ruhr gehört neben der Kritik an den Einsätzen von NATO und Bundeswehr und den Ereignissen in der Ukraine die repressive Flüchtlingspolitik der EU. »Was wir brauchen, sind nicht Kriegsschiffe, sondern Friedensschiffe im Mittelmeer«, sagt bei der Düsseldorfer Kundgebung Gergishu Yohannes aus Eritrea. Sie ist bereits als Minderjährige vor der Einparteiendiktatur in ihrem Geburtsland geflohen. Ihr Bruder ist 2009 mit 76 weiteren Menschen bei dem Versuch nach Europa zu kommen, ums Leben gekommen.

Er und die anderen hätten gerettet werden können, mehrere Schiffe fuhren an dem Boot mit den vor Erschöpfung und Dehydrierung Sterbenden vorbei. Seitdem kämpft Gergishu Yohannes dafür, dass die brutale Abschottung der EU-Außengrenzen aufhört. »Flüchtlinge sind gefährdet, nicht gefährlich«, sagt sie. Auch die Bundestagsabgeordnete der LINKEN Ulla Jelkpe fordert ein Ende der repressiven Flüchtlingspolitik. »Wenn es gegen Flüchtlinge geht, ist der EU nichts zu teuer«, kritisiert sie. Der Übergang von polizeilichen in militärische Einsätze dürfe nicht hingenommen werden – ebenso wenig wie Kriegseinsätze. »Wir werden nicht akzeptieren, dass Kriege zu normalen Mitteln der Politik werden«, ruft sie.

Zu den Ostermarschierern in Düsseldorf sind Friedensaktivisten aus verschiedenen rheinischen Städten gestoßen, unter anderem aus Köln und Duisburg. In Duisburg hatten am Vormittag etwa 200 Menschen demonstriert. Begonnen hatten die diesjährigen Ostermarsch-Aktionen in Nordrhein-Westfalen am Karfreitag mit einer Kundgebung vor der Urananreicherungsanlage im münsterländischen Gronau an der niederländischen Grenze. Am Samstag finden an sieben Standorten Veranstaltungen statt. Die Friedensfreunde an Rhein und Ruhr sind die einzigen bundesweit, die an drei Tagen unterwegs sind. Außer den Aktionen am Samstag organisieren sie am Sonntag eine Friedensfahrt mit dem Rad von Essen nach Bochum und am Ostermontag einen Fußmarsch von Bochum nach Dortmund zur Abschlusskundgebung. Dort versammeln sie sich – als ein Zeichen gegen die rechte Szene im Dortmunder Stadtteil Huckarde.

In Düsseldorf haben die Veranstalter ihre Kundgebung in ein Friedensfest in der von Touristen stark frequentierten Altstadt eingebettet. Umrandet ist das Fest von Ständen verschiedener Initiativen und Parteien wie der Freidenker, dem Friedensforum, der LINKEN und der Ortsgruppe Bonn-Rhein-Sieg der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK). Auf dem Tisch der DFG-VK liegt eine CD mit Liedern der Gewinner des »Song für den Frieden«- Wettbewerbs von 2012. Anders als in den 1980er Jahren gibt es inzwischen in Westdeutschland keine gesellschaftliche Gegenkultur mehr, die wie einst die »bots« Lieder hervorbringt, die über den engeren Kreis der Friedensbewegung hinauswirken. »Wir müssen selbst Alternativen schaffen, wenn der Mainstream das nicht schafft«, sagt Dieter Riebe, Vorsitzender der DFG-VK in Bonn-Rhein-Sieg, der im Rollstuhl hinter dem Stand sitzt. Deshalb schreibt seine Organisation den Wettbewerb für den Friedens-Song erneut aus, im September 2015 soll der Sieger in Bonn gekürt werden. Vielleicht kommen die künftigen Ostermarschierer auf diese Weise zu einer Hymne, die aus dem 20. Jahrhundert stammt – der Zeit, in der die Ostermärsche entstanden.

*** Aus: neues deutschland, Dienstag 22. April 2014


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