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Gegen die 1 % auf die Straße!

Rede von Victor Grossman beim Ostermarsch in Berlin

Seit WW II wurde oft über US-Präsidenten gelacht. Wie wenn Truman verriet: „Früh im Leben wollte ich entweder Klavierspieler in einem Bordell werden - oder Politiker. Aber offen gesagt, es besteht kaum einen Unterschied.“

Über den ungelenken Präsident Ford wurde gelästert: „Als Jüngling spielte er wohl zu oft Football ohne Helm; nun kann er schwerlich zu Fuß laufen und zugleich Kaugummi kauen.

Und manche meinten, der senile Reagan könne „gut bis 10 zählen, barfuß sogar bis 20, und in der Dusche bis 21“.

... Doch während man über sie lachte - und sie stolze, freiheitliche Töne von sich gaben, verantworteten sie Schreckliches.

Truman sagte: “Wir müssen freien Völkern helfen, die eigene Schicksale auf eigener Art zu regeln“ und ließ zu, dass in Griechenland, mit USA-Hilfe, etwa 100.000 verhaftet, ins Exil gedrängt, gefoltert oder getötet wurde. Und dass in Nordkorea USA-Bomber jeden Ort, fast jedes Gebäude, zerstörten.

Beim liebenswürdigen Eisenhower kam es zum CIA-Putsch in Guatemala. Der folgende Genozid kostete 200 000 Mayas das Leben, während im Kongo Lumumba ermordet wurde und ein Elend begann, das heute noch andauert.

Der sympathische Kennedy sprach vom “weltweiten Kampf zwischen Freiheit und Tyrannei” und genehmigte die blutige Schweinebucht-Landung in Kuba und das USA-Schlachten in Vietnam. Seine Nachfolger führten sie fort. Wie viele Millionen starben? Wie viele Missgeburten werden noch beweint?

Und bei Nixon unterstützte der witzige Henry Kissinger die Putsche in Bolivien 1971, in Uruguay und in Chile 1973 wie die Operation Condor - eine langjährige Razzia im ganzen Kontinent die für 60.000 den Tod brachte, oft bei schlimmster Tortur. Direkt am Ort war häufig der Offizier-Diplomat Vernon Walters, der 1989 als US-Botschafter in Bonn auch sehr aktiv wurde. Walters ist tot, aber Kissinger soll mit einer Professur an der Uni in Bonn prämiert.

Als Ronald Reagan in die Geschichtsbücher als Sieger gegen den Evil Empire einging, den Reich der bösen Kommunisten, hoffte die Welt, nun könnte sie endlich Frieden bekommen!

Weit gefehlt! Wie wäre das für Lockheeds Raketen, die Bomber von Boeing - oder die modernsten Drohnen von Northrup? Und wer garantiert dann die unbehinderte Ausbreitung von Monsanto-Saatgut, von Marlboro-Zigaretten, von Coca-Cola Erfrischungen?

Da begann George W. Bush den Krieg gegen Terror, schön endlos weil man jeden Gegner als Terrorist bezeichnen konnte.

Es ging nicht mehr nur gegen Fortschrittliche wie Arbenz, Lumumba, Aristide, oder Allende und Fidel, sondern um Macht über die gesamte Welt, sowohl durch NSA bei jedem Telefonanruf und E-Mail, wie gegen jeden, egal welcher Politik, der nicht als Marionette folgsam nach der Washington-Pfeife tanzte - Milosevic, Saddam Hussein, Gaddafi, Assad - alle waren zu unabhängig! Und erst Putin!

Also drängte die NATO immer weiter nach dem Osten. Trotz aller Versprechungen: die DDR, Polen, Estland, Bulgarien, Rumänien, Georgien, Aserbaidschan. Und - trotz aller Hoffnungen in ihn - Obama macht weiter und es kam die Ukraine dran. Damit wäre der Ring fast völlig geschlossen, Russland vom Schwarzen Meer und Mittelmeer fast getrennt. Da blieb nur noch Moldawien und Belorussland - und vielleicht Moskau selbst? Dann könnte man völlig Südamerika auf Linie bringen - und sich China und Ostasien widmen.

Das bekannte obszöne Telefonat von Victoria Nuland machte klar; die USA hat ihre eigene, gewünschte Regierung in Kiev, egal, auch mit Faschisten! Und alles was Russland tat, um sich zu verteidigen - sei Aggression! Dafür kreisten US-Flieger über Estland und Kriegsschiffe in Sichtweite von Sewastopol. Das wäre Verteidigung von Menschenrechten!

Dennoch klappt es nicht. Im Donezk heißt es: Erst die Putschisten in Kiew, dann treten wir zurück! Wie wird es weitergehen?

Leslie Gelb, einst führender Journalist und Politiker, weiß genau: Obama "soll 50 oder 60 der F-22s, der weltbesten Kampfflugzeuge nach Polen schicken. Auch Patriot-Geschütze mit Bodenunterstützung.” Washington soll außerdem Ukrainer auf Guerilla-Krieg gegen russischen Einmarsch vorbereiten ... Das soll Putin etwas überlegen lassen, wie auch die Diktatoren in Pyongyang, Damaskus, and Beijing." Dr Gelb ist nicht mehr in der Regierung - ab er Ähnliche - mehr als genug!

Beim Versuch, die Macht in der Welt für wenige Hundert Milliardäre zu ergreifen und festigen, die 1% gegen uns alle, sind deutsche Milliardäre auch dabei, wenn auch als Junioren. Doch BASF, Bayer, Krupp, Rheinmetall, Deutsche Bank sind keine Schwächlinge. Das beweist die blutige Geschichte der letzten 100 Jahre und mehr! Frau Von der Leyen und Herr Gauck setzen die Traditionen mit schönen Worten fort!

Es gilt, die 1% zu stoppen, zurückzudrängen, ehe sie mehr Hunger und neue Kriege verursachen - und dabei unseren schönen Planeten noch weiter rücksichtslos zerstören.

Und die USA sind nicht nur das Weiße Haus, das Pentagon und die CIA! Widerstand gibt es. Von den Medien kaum erwähnt, obwohl eine Sensation: Die Nonne Schwester Meagan Rice hat sich mit zwei Begleitern in die schwerstbewachte Waffenfestung der USA hineingedrängt, symbolisch Menschenblut darangeschüttet und mit Lied und Gebet Frieden gefordert. Man hat die 84Jährige zu drei Jahren Haft verurteilt. Gewiss nicht so hübsch und gar nicht so sexy wie Pussy Riot - aber war das nicht weitaus wichtiger und vielleicht zukunftsträchtiger?

Der Ostermarsch ist auch Widerstand! Wenn auch Deutsche, heute nicht so hart betroffen, weniger demo-freudig sind wie Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal, auch Deutsche sind zuweilen dabei, gegen Nazis in Dresden, Berlin, Cottbus, auch in Frankfurt. Doch müssen wir uns noch viel mehr daran gewöhnen, nicht nur zum Wahllokal zu gehen - im Mai doch gerade wichtig bei der Nazigefahr - aber auf die Straße zu gehen, gegen die 1%, und mit klugen, witzigen Schildern, mit gesungenen Liedern, alten und neuen, mit Mut und Entschlossenheit Frieden zu fordern und den 1 % laut NEIN NEIN NEIN zu rufen!

Victor Grossman, Berlin, US-amerikanischer Publizist, der in Deutschland lebt. Rede bei der Auftaktkundgebung beim Ostermarsch in Berlin am 20. April 2014


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