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Deutsche Friedensbewegung - Nur Symbolik?

Ein Interview mit Peter Strutynski (Bundesausschuss Friedensratschlag)

Unter der Überschrift "Deutsche Friedensbewegung - Nur Symbolik?" erscheint in der Januarausgabe 2003 der Sozialistischen Zeitung "SoZ" ein ganzseitiges Interview mit dem Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski. Wir dokumentieren im Folgenden das Interview in voller Länge.


Deutsche Friedensbewegung - Nur Symbolik?

Peter Strutynski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitglied der AG Friedensforschung an der Gesamthochschule Kassel sowie Sprecher des Friedensratschlags. Das Gespräch für die SoZ führte Dirk Krüger.

Auf dem 9.Friedensratschlag im Dezember fanden sich die üblichen Friedensbewegten ein. Die Friedensbewegung scheint vollkommen unberührt von der gewaltigen Anti-Kriegs-Stimmung vor allem unter den Jüngeren zu sein. Was macht diese konkrete Zielsetzung attraktiver als den Pazifismus alter Schule?

Peter Strutynski: Als "üblicher Verdächtiger" möchte ich zurückfragen: Wo ist denn die "gewaltige Antikriegs-Stimmung"? Ich weiß, dass die breite Mehrheit unserer Gesellschaft den drohenden Irak-Krieg ablehnt, daraus ist aber - egal ob unter "Älteren" oder "Jüngeren" - noch keine wirklich spektakuläre Massenbewegung geworden. Und um nun auf die "Jüngeren" zu kommen: Die werden dann in Bewegung kommen, wenn sie sich von dem drohenden Krieg unmittelbar betroffen fühlen. Das war beim letzten Golfkrieg 1991 der Fall, das war auch in den 80er Jahren im Kampf gegen die Stationierung neuer Atomraketen so.

Die pazifistische Bewegung hat am erfolgreichsten gearbeitet, als sie mit einfachen Parolen mobilisierte, etwa "Raus aus der NATO" oder der klaren Forderung nach Abrüstung. Wie kann sie an ihr altes Mobilisierungspotential anknüpfen?

Einspruch: Die Parole "Raus aus der NATO" mag zwar einfach sein, sie hat aber in den vergangenen 20 Jahren nie Massen mobilisiert. Am erfolgreichsten war die pazifistische Bewegung, wo es ihr gelang, an die Betroffenheit der Menschen anzuknüpfen. Die Bewegung gegen die atomare Bewaffnung Ende der 50er Jahre, aus der die Ostermarschbewegung entstand, die Protestbewegung gegen den Vietnam-Krieg, die Bewegung für die Entspannungspolitik Anfang der 70er Jahre und die schon erwähnten Massenbewegungen der 80er Jahre und gegen den Golfkrieg haben die Menschen unmittelbar berührt. Der nun drohende Krieg bewegt auch schon viele Menschen, aber noch nicht so, dass sie alle auf die Straße strömen würden.

Man könnte hier ein Auseinanderfallen von jungen und alten Kadern attestieren. Inwiefern zeichnet sich hier ein Generationenkonflikt innerhalb der Linken ab?

Im Zusammenhang mit der Friedensbewegung verwende ich ungern den Begriff "Kader", der aus der Militärsfachsprache kommt. Aber ich sehe auch kein Auseinanderfallen von alten und jungen Friedensaktivisten. Friedensbewegung war auch in ihren Hochzeiten nie eine Jugendbewegung. Jedenfalls nicht in ihren aktiven Kernen. In den 80er Jahren z.B. dominierten in den wie Pilze aus dem Boden schießenden lokalen und betrieblichen Friedensinitiativen die 30- bis 40-Jährigen. Jugendliche schließen sich temporär an, machen mit bei besonders massenwirksamen Demonstrationen oder phantasievollen Aktionen, sie sind aber nur in Ausnahmefällen für eine längerfristige kontinuierliche Friedensarbeit zu interessieren. Was der Friedensbewegung heute fehlt, ist die mittlere Generation. Ich glaube, die ist in den sechzehn Jahren Kohlzeit so gründlich von der Politik abgestoßen worden (und wird es heute noch durch die Schröder-Politik), dass sie die Schnauze von Politik voll hat. Wer lange genug mit ansieht, wie alle Initiativen von unten von der politischen Klasse ausgesessen, verraten oder abgebügelt werden, sieht am Ende keinen Sinn mehr im politischen Engagement. Das ist heute unser größtes Problem, nicht nur in der Friedensbewegung, sondern auch in der Umwelt-, Frauen- und bei anderen sozialen Bewegungen. Vielleicht gelingt es Attac, diese Erstarrung des Politischen wieder aufzubrechen. Es wäre ein Segen für die Demokratie.

Die Bundesregierung hat sich während des Bundestagswahlkampf geschickt mit einer Anti-Kriegs-Rhetorik positioniert. Kritiker forderten den Abzug der Spürpanzer aus Kuwait und ein Überflugverbot als "vertrauensbildende Maßnahme". Einzelne Zugeständnisse an die USA bestätigen die Kritiker. Welche strategischen Optionen ergeben sich hieraus für die deutsche Friedensbewegung?

Ich weiß nicht, ob es eine "strategische Option" ist, aber ich denke, es kommt jetzt doch sehr darauf an, die Bundesregierung einerseits weiter beim Wort zu nehmen und andererseits auf den zunehmenden Widerspruch zwischen Wahlversprechen und aktuellem Regierungshandeln hinzuweisen. Den USA wurden letzte Woche sowohl Überflugsrechte als auch die Nutzung ihrer Militärstützpunkte für den Fall eines Krieges garantiert. Dies hat die Bundesregierung ohne Einschränkung getan, d.h. selbst für den Fall, dass der US-Krieg ohne UN-Mandat stattfindet und somit selbst in der Rechtsauffassung Berlins einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg darstellt. Insofern kann es für die Friedensbewegung keine Schonung der Regierung geben. Wer Nein sagt zum Irak-Krieg und gute Gründe für dieses Nein findet, darf doch keine Beihilfe zum Krieg leisten. Das sollte der Öffentlichkeit doch klar zu machen sein.

Welche Entwicklung zeichnet sich in der Zusammenarbeit mit den Regierungsparteien ab? Geht sie über das Interesse einzelner Friedensorientierter in diesen Zusammenhängen hinaus?

Zunächst einmal: Von "Zusammenarbeit mit den Regierungsparteien" kann zur Zeit ja gar keine Rede sein - jedenfalls nicht was die Basis der Friedensbewegung betrifft. Es gibt natürlich bei manchen sog. "Großorganisationen" der Friedensbewegung nach wie vor die Tendenz, es sich mit Rot-Grün nicht noch weiter verderben zu wollen. Das veranlasst sie dazu, in der gegenwärtigen Phase, da die Bundesregierung - übrigens aus eigenem Verschulden - unter Sperrfeuer der Rechtsopposition geraten ist, lieber das Wahlversprechen positiv herauszustreichen und den in Teilen bereits vollzogenen Wahlbetrug verschämt herunterzuspielen. Ich weiß nicht, wie lange die Bundesregierung ihren Drahtseilakt zwischen Antikriegs-Rhetorik und Pro-USA-Politik noch schwindelfrei überstehen wird. Die Friedensbewegung sieht vor allem den Schwindel und sagt das auch so offen. - Etwas ganz anderes ist es, wenn es um die Zusammenarbeit der Friedensbewegung mit SPD und Grünen auf anderen als der Regierungsebene geht. Wir haben bei Aktionen etwa anlässlich des weltweiten Protesttages gegen den Irak-Krieg am 26. Oktober in vielen Städten auch wieder verstärkt Sozialdemokraten und Grüne als Teilnehmer und sogar als Kundgebungsredner gesichtet. Hier und da gab es Ortsvereine, Unterbezirksverbände und Grünen-Kreisverbände, die zu solchen Kundgebungen aufgerufen haben. Auch der Juso-Bundesvorstand hat das getan. Ohne das überbewerten zu wollen: Es deutet sich eine vorsichtige Wiederannäherung dieser Parteien an die Friedensbewegung an - "von unten" allerdings.

Neben der indirekten Unterstützung eines möglichen Irak-Kriegs geht die BRD einen "deutschen Weg". Dieser soll die Normalität des militärischen Engagements der BRD in aller Welt zum selbstverständlichen Bestandteil deutscher Außenpolitik machen. In welcher Form muss die Friedensbewegung auf diesen eigenständigen militärischen Weg der BRD reagieren?

Mit dem "deutschen Weg" hat der Bundeskanzler im Wahlkampf allerdings etwas anderes gemeint, nämlich den eigenen Kurs in der Irak-Politik. Ein Kurs, der in Richtung "Wandel durch Handel" geht und sich klar vom US-amerikanischen Brachialkurs des Wandels durch Krieg abhebt. Schröder hätte diesen Kurs nicht "deutschen Weg" nennen dürfen, denn was ist schon "deutsch" daran, gegen einen US-Angriffskrieg zu sein! Nach meiner Kenntnis sind die europäischen Staaten, von den Gesellschaften ganz zu schweigen, ganz überwiegend gegen diesen Krieg (Tony Blair ist im europäischen Konzert ein Sonderling!). Ich vermute, dass Schröder mit seiner Betonung des "Deutschen" genauso auf rechte Stimmen schielte, wie das Mr. 18 Prozent mit einem anderen Thema versuchte. "Deutsch" ist nun allerdings auch nicht die Wiedererlangung der "Normalität" in Form einer Gewöhnung an das weltweite militärische Engagement der Bundesrepublik. Das tun die Franzosen oder die Engländer schon immer. Nur: Bei Deutschland erhält diese Neuakzentuierung der Außenpolitik eben eine besondere Note durch die deutsche Geschichte, die schon zwei Mal im letzten Jahrhundert die Welt mit verheerenden Kriegen heimgesucht hat. Darauf hat das Bonner Grundgesetz mit der Aufnahme eindeutig friedenspolitischer und defensiver Staatszielbestimmungen reagiert: Art. 26 etwa, der jede Vorbereitung eines Angriffskriegs unter Strafe stellt, oder Art. 25, mit dem die Gesetzgebung des Bundes und jegliches staatliches Handeln den Prinzipien des Völkerrecht gehorchen müssen. Deutschland war - ähnlich wie Japan - nach 1945 ein Staat (mit der DDR waren es damals sogar zwei Staaten), der das Gewaltverbot der UN-Charta in seiner eigenen Verfassung materialisiert hatte. Für die Friedensbewegung ergibt sich nun die Aufgabe, die Neuorientierung der Berliner Republik in Richtung einer (mit oder ohne NATO und/oder EU) weltweit interventionsfähigen Großmacht zu bekämpfen. Die Rückbindung der Außen- und Sicherheitspolitik auf strikte Landesverteidigung gehört genauso dazu wie die Auflösung der bereits aufgebauten "Einsatzkräfte" einschließlich ihrer besonders harten Variante, des Kommandos Spezialkräfte (KSK). Am Hindukusch wird nicht unser Land verteidigt, wie Peter Struck vor kurzem meinte sagen zu müssen, am Hindukusch und an vielen anderen Orten der Welt werden gegebenenfalls völkerrechtswidrige Kriege gegen fremde Völker oder Staaten geführt.

Wie kann eine Friedenspolitik unter diesen Vorzeichen konkret aussehen?

Friedenspolitik muss zunächst von dieser neuen Situation ausgehen, dass die Bundeswehr in eine Interventionsarmee transformiert werden soll. In der Regierungserklärung sprach Schröder von der "Armee im Einsatz", die seine Koalition schaffen möchte. Dagegen gilt es breiten Protest und Widerstand zu formieren. So schlecht sind die Voraussetzungen hierfür gar nicht. Wenn man die jüngsten Äußerungen und Stellungnahmen der Katholischen Bischöfe oder der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) hierzu ansieht, wird manch Leser dieser Zeitung vielleicht erstaunt sein, so viel Übereinstimmung mit der Haltung der Friedensbewegung zu finden. Hier existieren gesellschaftliche Kräfte, die für den außerparlamentarischen Kampf gegen Krieg und Kriegsvorbereitung gewonnen werden können. Ähnlich sieht es meiner Meinung nach an der Basis der Regierungsparteien aus. Auch fehlt es nicht an wissenschaftlicher Expertise, die eher am Grundsatz der "strukturellen Nichtangriffsfähigkeit" festhält als sich für die Umwandlung der Bundeswehr in einen Angriffsarmee herzugeben.

Außerparlamentarischer Druck entsteht allerorts. Das Beispiel der Anti-Kriegs-Demonstrationen in den USA mit Millionen von Teilnehmenden beeindruckt die amerikanische Regierung in keiner Weise. Welche effektiveren Formen außerparlamentarischer Aktivität stehen zur Verfügung?

Wir müssen sehr deutlich unterscheiden zwischen kurzfristigen Zielen und langfristigen Wirkungen der Friedensbewegung. Möglich, dass der US-Krieg gegen Irak nicht mehr aufzuhalten ist, obwohl die Friedensbewegung bis zuletzt dagegen kämpfen soll - das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und der politischen Moral! Aber auch aus Niederlagen kann langfristig Gutes entstehen, z.B. durch die in der Anti-Kriegs-Kampagne erfolgte Aufklärung vieler Menschen über die wahren Hintergründe des Krieges. Ich habe eh den Eindruck, dass die mangelnde Kriegsbereitschaft der Mehrheit der Bevölkerung heute auch ein Ergebnis des langjährigen Wirkens der Friedensbewegung seit den 80er Jahren ist. In den USA hat sich das Vietnam-Erlebnis tief in das Gedächtnis der Bevölkerung eingegraben. Der 11.9. hat das zeitweilig stark überlagert, aber inzwischen hat Bush auch Probleme, für seinen Krieg eine Mehrheit in der Gesellschaft hinter sich zu bringen. - Noch ein Wort zu den "effektiveren Formen" der Friedensbewegung: Ich glaube nicht, dass es "effektive" und "ineffektive" Formen des außerparlamentarischen Kampfes gibt, sondern es gibt unterschiedliche Arten des Herangehens und unterschiedliche Zugänge der Menschen zu den Protestformen. Alle Proteste haben in der Regel symbolischen Charakter. Das heißt: die Friedensbewegung setzt mit ihren Aktionen ihre Forderungen nicht unmittelbar durch. Über Krieg oder Frieden entscheidet nicht die Bewegung, sondern entscheiden Parlament und Regierung. Auf sie muss also der Druck der Straße erhöht werden. Wie das geschieht, ist dann zweitrangig. Ob ich mich vor ein Kasernentor setze und mich wegtragen lasse, ob ich anderweitig "zivilen Ungehorsam" leiste, ob ich mit einer Petition dem Petitionsausschuss Arbeit gebe, ob ich dem Wahlkreisabgeordneten auf die Pelle rücke oder ob ich mich an Demonstrationen von der Mahnwache bis zur bundesweiten Großkundgebung beteilige: Alles zusammengenommen kann jenen Druck erzeugen, dem sich eine Regierung schließlich beugen muss.

Die neuen sozialen Bewegungen, wie Attac, arbeiten in ihren eigenen Zusammenhängen zum Thema Globalisierung und Krieg. Welche Schnittmengen und konkreten gemeinsamen Arbeitsansätze bestehen hier?

Es gibt in der Tat eine relativ große "Schnittmenge", sowohl was die Themen betrifft, mit denen sich Friedens- und globalisierungskritische Bewegung befassen, als auch was die Akteure beider Bewegungsbereiche angeht. Auf örtlicher Ebene gibt es viele Beispiele für konkrete Zusammenarbeit und auf Bundesebene gibt es einen entwickelten kommunikativen Austausch. Es ist z.B. selbstverständlich, dass Attac-Vertreter bei den Friedensratschlägen dabei sind. Ich denke, dass der 15. Februar, der europaweite Protesttag gegen den Krieg, auch wieder in Zusammenarbeit von Friedensbewegung und Attac vorbereitet wird.

Mit der PDS ist die letzte Partei, die sich dem Pazifismus verschrieben hat, weitest gehend aus dem Bundestag verschwunden. Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob sie diese Position in einer Regierung durchgehalten hätte. Aber dennoch bleibt die Frage, wie ohne einen solchen Transmissionsriemen für außerparlamentarische Forderungen überhaupt die Friedenspolitik wieder auf die Agenda kommen soll. Wer steht hier zur Verfügung? Wie sehen die "realpolitischen" Kräfteverhältnisse aus?

Es ist richtig, dass die PDS eine wichtige Rolle für die Friedensbewegung gespielt hat. So gab es einen guten Informationsfluss aus dem Bundestag in die außerparlamentarische Bewegung und umgekehrt war die PDS wichtiger Ansprechpartner für unsere Themen und Anliegen. Paradoxerweise ist der Verlust der PDS-Mandate der Tatsache geschuldet, dass die rot-grüne Koalition in der Schlussphase des Wahlkampfes die Antikriegs-Position der PDS übernommen und damit die Wahlen letztlich für sich entscheiden konnte. In meinen Augen ein tragischer "Kollateralschaden" der letzten Wahl und ein herber Verlust für die Friedensbewegung.

Ökonomische Interessen stellen eine wichtige Triebfeder für Rüstung und Krieg dar. Die Gewerkschaften tragen aus beschäftigungspolitischen Gründen diese Position meist mit. Welche Ansätze mit den Gewerkschaften ins Gespräch zu kommen hat die Friedensbewegung bisher ergriffen?

Nun, Gewerkschaften sind ja nicht für den Krieg. Sie sind - nolens volens - für Rüstungsproduktion, wenn sich ihnen keine Alternativen zu bieten scheinen. In den 80er Jahren hat die IG Metall als der am stärksten betroffenen Gewerkschaft sogar ausgefeilte Konversionsprogramme aufgelegt, um aus der Rüstungsabhängigkeit heraus zu kommen. All dies muss aus heutiger Sicht als gescheitert gelten. Der Friedensratschlag, für den ich nur sprechen kann, hat in der Friedensbewegung immer die Kräfte repräsentiert, die in den Gewerkschaften einen quasi natürlichen Verbündeten sehen. Beim letztjährigen Ratschlag haben wir uns vorgenommen, Ansätze zu unterstützen, ein gewerkschaftliches Netzwerk gegen den Krieg zu gründen. Das gibt es inzwischen und hat bereits mehrere Tausend Unterschriften gesammelt, mit denen der DGB-Bundesvorstand aufgefordert wird, in der Kriegsfrage eine eindeutige Haltung einzunehmen.

Die Rüstungs- und "Sicherheits"politik wird im zunehmenden Maße eine europäische Angelegenheit. Die gemeinsamen Vorschläge Frankreichs und der BRD für den EU-Konvent vom November dieses Jahres gehen in diese Richtung. Wie stellt sich die Friedensbewegung auf diese zunehmende Europäisierung des Militärischen ein?

Natürlich kritisch und ablehnend. Die Militarisierung der EU ist seit längerem ein Thema für die Friedensbewegung, aber leider nur ein Thema unter vielen anderen. Will sagen: Der Aufbau der 60.000 Soldaten umfassenden europäischen Einsatztruppe wird zwar abgelehnt und als weiteres Zeichen der Militarisierung der Weltpolitik verstanden, aber es ist nur schwer möglich, dagegen eine breitere Bewegung zu entwickeln. Europa ist für viele Menschen einfach eine zu spröde Materie, als dass man sich darauf einlassen wollte. Nötig wäre es gleichwohl, da im europäischen Rahmen künftig manches von dem verwirklicht werden dürfte, was sich mit Begriffen wie "Neoimperialismus" oder "Neokolonialismus" umschreiben lässt. Und Deutschland wird sicher versuchen, ein paar ihrer neoimperialen Gelüste über die europäische Schiene zu realisieren. Insgesamt also eine sehr gefährliche Entwicklung. Die Friedensbewegung setzt dem das Konzept einer ausschließlich zivilen "Friedensmacht Europa" entgegen.

Aus: Sozialistische Zeitung SoZ, 1 (Januar) 2002


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