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"Ein Schwerpunkt wird der Afghanistan-Krieg sein"

Friedensratschlag lädt am Wochenende zur Sommerakademie ein. Ein Lichtblick ist Lateinamerika. Ein Gespräch mit Peter Strutynski

Peter Strutynski ist Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag



Der Friedensratschlag veranstaltet am Wochenende seine Friedens-Sommerakademie mit einem vielfältigen Programm. Was ist der rote Faden, vor welchen Aufgaben steht die Friedensbewegung?

Unsere Sommerakademie ist dazu da, daß die Aktiven der Friedensbewegung sich auch mal fernab vom Tagesgeschäft grundsätzliche Gedanken machen können. Wir diskutieren über die weltpolitische Lage und das, was in nächster Zeit auf uns zukommt, was wir machen können -- und auch darüber, worauf wir in der friedenspolitischen Praxis besonderen Wert legen sollten. An der Vielfalt der Themen, die wir von Freitag bis Sonntag behandeln, sieht man bereits, daß wir nicht nur ein bestimmtes Projekt im Auge haben. Ein Schwerpunkt wird aber der Afghanistan-Krieg und der dortige Einsatz der Bundeswehr sein. Die Befürworter wollen das Thema im Wahlkampf ja ganz bewußt im Hintergrund halten, weil Meinungsumfragen eine deutliche Sprache der Ablehnung sprechen.

Laut Programm soll nicht nur über Themen diskutiert werden, die auf den ersten Blick mit der Frage von Krieg und Frieden zu tun haben. Unter anderem haben Sie die venezolanische Botschafterin Blancanieve Portocarrero eingeladen. Welche Bedeutung hat Venezuela für die Friedensbewegung in Mitteleuropa?

Lateinamerika ist momentan fast der einzige Lichtblick für sozial denkende Menschen. Sonst gibt es zur Zeit auf keinem anderen Kontinent einen Fortschritt im Sinne der breiten Masse der Bevölkerung, sowohl der arbeitenden als auch der erwerbslosen. Die demokratisch gewählten Regierungen von Venezuela und Bolivien sind Hoffnungsträger. Und an dem Militärputsch, der in Honduras in altem Stil gegen einen demokratisch gewählten Präsidenten durchgeführt wurde, weil er ähnliche soziale Formen angestrebt hat, zeigt sich auch, daß das eine Frage von Krieg und Frieden ist.

Ein Problem, das in der gesamten Antikriegsbewegung immer wieder auftaucht, ist die Frage des politischen und argumentativen Umgangs damit, wenn einem weniger fortschrittlich regierten Land ein Interventionskrieg droht. Ist der Iran auch ein Thema der Sommerakademie?

Das hatten wir bisher nicht eingeplant, aber es wird natürlich auch darüber diskutiert. Rein völkerrechtlich ist aber die Position der Friedensbewegung glasklar. Wer der Meinung ist, daß man einen westlichen Interventionskrieg unterstützen müßte, um ein reaktionäres Regime zu stürzen, bricht mit der Tradition des Völkerrechts, die wir seit 1945 haben -- und das ist gefährlich. Demokratie und Menschenrechte lassen sich nicht mit militärischen Mitteln in einem fremden Land durchsetzen.

Auf der anderen Seite gibt es Linke, die den gesellschaftlichen Konflikt im Iran auf zwei Interessengruppen reduzieren, von denen eine eben »prowestlich« sei ...

Dazu sollte man eine differenzierte Haltung einnehmen. Man kann auch nicht so tun, als sei dort jegliche Opposition gut. Aber wenn man sich mit den verschiedenen Interessengruppen im Iran nicht auskennt, dann sollte man sich auch mit politischen Äußerungen darüber zurückhalten.

Als vor 30 Jahren der verhaßte Schah vertrieben wurde, hat man auch auf eine Bewegung gesetzt, die innerhalb kurzer Zeit von reaktionären Kräften dominiert wurde. Die ersten, die damals über die Klinge gesprungen sind, waren Linke. Deshalb würde ich heute niemandem voreilig zujubeln, wenn ich mich damit unzureichend auskenne. Gegen einen Interventionskrieg kann man auch rein völkerrechtlich argumentieren.

Um die Friedensbewegung ist es seit Beginn des Irak-Krieges vor sechs Jahren deutlich ruhiger geworden, obwohl die Welt nicht friedlicher geworden ist. Zum Teil liegt das sicher auch an den Alltagssorgen der Aktiven. Dennoch: Mit welchen neuen Ideen und Aktionsformen könnte man die Friedensbewegung wieder attraktiver machen?

Attraktive Aktionsformen entwickeln sich, wenn die Bewegung da ist. Die hatte aber immer ihre Hoch- und Tiefphasen. Anfang der 1980er Jahre hatte sie einen Höhepunkt, an dem sie heute noch gemessen wird -- was ich unfair finde. 1991 sind unverhofft wieder sehr viele, vor allem junge Menschen gegen den Golfkrieg auf die Straße gegangen. Ebenso 2003.

www.sommerakademie-frieden.de

Interview: Claudia Wangerin

* Aus: junge Welt, 16. Juli 2009


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