Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Friedenspolitisches Aktionsprogramm 2011

Verabschiedet vom Bundesausschuss Friedensratschlag im Dezember 2010

Die Regierungen der reichen Staaten befestigen ihre Machtstellung gegenüber den Rest der Welt. Dazu soll die NATO gestärkt, die Europäische Union militarisiert und die Bundeswehr endgültig in eine Interventionsarmee transformiert werden. Dagegen regt sich Widerstand in vielen Teilen der Welt. Während große Kriege wie die in Afghanistan, in Pakistan und viele bewaffnete Konflikte in Afrika, Asien und Lateinamerika weiter geführt werden, besteht die Gefahr neuer Kriege insbesondere im Nahen Osten (Iran) und im Sudan. Friedenspolitik muss auf die Beendigung aller Kriege und auf die Verhinderung neuer Kriege dringen. Abrüstung und die Achtung des Völkerrechts sind zwei notwendige Voraus¬setzungen für eine andere, eine friedlichere Welt. Letztlich setzt die internationale Friedensbewegung auf eine vorausschauende, präventive Friedenspolitik, die weltweit auf Beseitigung der Konfliktursachen gerichtet ist. Schwerpunkte unserer friedenspolitischen Arbeit 2011 werden sein:

(1) Afghanistan-Krieg beenden: Der Kampf um die Beendigung des Afghanistan-Krieges hat für die Friedensbewegung weiterhin Priorität. Die Ergebnisse des Krieges sind desaströs. Ein Abzug der Bundeswehr wäre ein ermutigendes Signal auch für andere Staaten. Das entspräche auch dem Wunsch der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland. Die Friedensbewegung hat sich im Sommer 2010 auf den gemeinsamen Unterschriften-Appell „Den Krieg in Afghanistan beenden – zivil helfen“ verständigt, für den weiter breit geworben wird.

(2) Atomwaffen abschaffen: Der Einsatz atomarer Waffen und deren Ersteinsatz bleiben Teil der strategische Planung. Alle Appelle an die Regierungen zur Einhaltung des Nichtverbreitungsvertrags werden so lange wirkungslos bleiben, als nicht die Atomwaffen besitzenden Staaten mit gutem Beispiel voran gehen und mit der Abrüstung Ernst machen. Atomwaffenfreie Zonen, z.B. auch für den hochexplosiven Nahen und Mittleren Osten, können geeignete Schritte auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt sein. Als deutschen Beitrag zur atomaren Abrüstung fordern wir den Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel und die Beendigung der atomaren Teilhabe im Rahmen der NATO.

(3) Die NATO delegitimieren: Die NATO ist zu einem Überbleibsel einer untergegangenen bipolaren Weltordnung geworden. Ihr Fortbestand dient der militärischen Absicherung imperialistischer Interessen gegen die Ansprüche der Völker der unterentwickelt gehaltenen Welt und richtet sich gegen Mächte, die dem freien Fluss ausländischen Kapitals nationale Schranken entgegen setzen wollen. Wir stellen die NATO dar, als das was sie ist: Der größte Militärpakt der Erde, dessen Mitgliedsstaaten drei Viertel der weltweiten Rüstungsausgaben auf sich vereinen, und der bereit ist, seine imperialen Interessen nicht nur in Afghanistan, sondern auch sonst in der Welt durchzusetzen. Die Friedensbewegung arbeitet weiter an der Delegitimierung der NATO mit dem Ziel ihrer Abschaffung.

(4) „Nein zur europäischen Militärunion“: Die Europäische Union ist mit dem Lissabon-Vertrag endgültig zu einem Militärbündnis geworden. Sie verfügt über eine eigene Sicherheitsstrategie, über eigene militärische Fähigkeiten (z.B. die bekannten Battle Groups) und eine europäische Rüstungsagentur, deren Aufgabe es ist, die geforderte Verbesserung der militärischen Fähigkeiten der EU (Aufrüstungsverpflichtung) zu vermitteln und zu managen. Wie in der Kampagne gegen den Verfassungsvertrag muss es auch heute für die Friedensbewegung heißen: „Ja zu Europa, Nein zur europäischen Militärunion“.

(5) Keine Interventionsarmee Bundeswehr: Guttenbergs Bundeswehrreform zielt auf weltweite Interventionsfähigkeit zur Sicherung der wirtschaftlichen Interessen „Deutschlands“ ab. Die Devise der Herrschenden lautet: Kleiner und feiner, effektiver und aggressiver! Wir weisen darauf hin, dass die Bundeswehr gemäß dem Grundgesetz und im Einklang mit dem Gewaltverbot der UN-Charta ausschließlich der Verteidigung dient. Darüber hinaus fordern wir die Abrüstung der Bundeswehr bis zu ihrer Abschaffung.

(6) Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr: Die grundsätzliche Ablehnung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr gehört zum festen Bestandteil der Friedensbewegung. Deutsche Soldaten haben weder in Afghanistan, noch auf dem Balkan, noch am Horn von Afrika oder im Sudan etwas zu suchen. Wo Menschen ihrer fundamentalen Rechte beraubt werden, ist wirksame Hilfe nur mit zivilen, nicht-militärischen Mitteln möglich. Jede Prävention, jede Form ziviler Konfliktbearbeitung, jeder Einsatz politischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Mittel ist das vernünftige Gegenteil von militärischer Intervention.

(7) Schluss mit den Rüstungsexporten: Die Bundesrepublik Deutschland belegt seit Jahren einen der vordersten Plätze im internationalen Rüstungsgeschäft. Geliefert wird in alle Weltteile, in Spannungsgebiete und an Bürgerkriegsparteien. Wir fordern ein Verbot jeglichen Rüstungsexports. Auch die sog. „Kleinwaffen“ dürfen nicht weiter gegeben werden; Lizenzverträge mit anderen Staaten sind zu verbieten.

(8) Rüstungsindustrie verstaatlichen und konvertieren: Die privatwirtschaftlich organisierte Rüstungsindustrie ist am Gewinn interessiert und kennt weder Moral noch politische Verantwortung. Alles deutet darauf hin, dass die Rüstungsunternehmen ihre Produktion auch über eine Ausdehnung des Exports steigern will. In der schwarz-gelben Regierung haben sie einen wichtigen Förderer ihrer Anliegen. Wir setzen dem entgegen: Die hoch gefährliche Rüstungsindustrie muss verstaatlicht und gezielt auf die Produktion nützlicher ziviler Güter umgestellt werden (Konversion). Der Staat als 100-prozentiger Abnehmer der produzierten Waffen und militärischen Geräte trägt auch die Verantwortung für die Umstellung der Rüstungsproduktion bei Erhalt der Arbeitsplätze.

(9) Gegen die Militarisierung von Schule, Hochschule und Gesellschaft: Die Regierung ist bestrebt, durch verstärkte Werbeanstrengungen – auch unter arbeitslosen Jugendlichen - dem Schwund an Nachwuchs entgegen zu wirken. Zugleich wird damit die innere Militarisierung vorangetrieben. Diese Offensive setzt auf die Militarisierung der Bildung und des Denkens und macht weder vor Schule, Hochschule und Arbeitsagenturen noch vor Jahrmärkten und Volksfesten halt. Wir unterstützen alle Aktivitäten die darauf abzielen, die ideologische Offensive der Bundeswehr abzuwehren, die sich heute an Schulen, Messen („Karrieretreffs“), Volksfesten oder bei Gelöbnissen und Zapfenstreichen manifestiert. Wir unterstützen den Kampf der Studierenden für die Einführung von „Zivilklauseln“.

(10) Völkerrecht einhalten und UNO demokratisieren: In der UN-Charta sind die wesentlichen Prinzipien des Völkerrechts verankert wie die Souveränität, Gleichberechtigung und territoriale Integrität der Staaten, das unbedingte Gewaltverbot sowie das Verbot, sich in die inneren Angelegenheiten von Staaten einzumischen. Die militärische Dominanz der NATO-Staaten vermochte bereits dreimal nach Ende der Blockkonfrontation durch Aggressionskriege (gegen Jugoslawien, Irak und Afghanistan) sich über das Völkerrecht hinweg zu setzen. Obwohl problematische und falsche Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats nachträglich zu Legitimierungen dieser völkerrechtswidrigen Angriffskriege geführt haben, bleibt das UNO-System ohne vernünftige Alternative. In der UNO-Vollversammlung sowie in den meisten Gremien und Untergliederungen stehen die große weltweite Mehrheit der Mitgliedsstaaten gegen imperialistische Einmischung und Dominanz. Im UN-Sicherheitsrat sind unterprivilegierte Staaten unterrepräsentiert. Die UNO muss zu einem Anwalt der Schwachen werden. Es muss um eine Demokratisierung – nicht um eine Marginalisierung der UNO gehen.


Anhang: Ausgewählte Termine für die Friedensbewegung 2011:

  • Ende Januar/Anfang Februar: Aktionen gegen die Verlängerung des Mandats für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan
  • 4./5. Februar: Aktionen gegen die NATO--Sicherheitskonferenz in München
  • 19./20. Februar: Afghanistan-Konferenz der Friedensbewegung und VENRO in Hannover
  • 15. bis 25. April: Ostermärsche
  • 25. April: 25. Jahrestag Tschernobyl
  • 1. Mai: Kundgebungen des DGB
  • 8. Mai: Tag der Befreiung am 8. Mai
  • 22. Juni: 70 Jahre Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion
  • Juli/August: Sommerakademie des Friedensratschlags
  • 6./9. August: Hiroshima-/Nagasaki-Tag
  • 1. September: Antikriegstag/Weltfriedenstag
  • 4. September: 2. Jahrestag des Massakers von Kundus
  • 7. Oktober: 10. Jahrestag des Kriegsbeginns gegen Afghanistan (evtl. Afghanistan-Tribunal)
  • 3./4. Dezember 18. Friedenspolitischer Ratschlag in Kassel


Bundesausschuss Friedensratschlag
Germaniastr. 14
34119 Kasse
Tel.: 0561/93717974
Spenden:
Friedensratschlag, Kt.Nr. 217 001 232; Kasseler Sparkasse, BLZ 520 503 53
www.ag-friedensforschung.de


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