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Friedensbewegung: Mehr als harmlose Kampfjet-Fotos

Stadtmuseum Schleswig stellt Aufnahmen von Luft- und Zielaufklärung aus

Von Dieter Hanisch, Schleswig *

Eine Fotoausstellung in Schleswig sorgt für Kritik: Die Aufklärungsfotos der Bundeswehr in Afghanistan sind ausgestellt. Die Friedensbewegung findet das zynisch und nennt die Befriedung der Region »Mission Impossible«.

Das Stadtmuseum in Schleswig zeigt im besten Glanzlicht die Fotoausstellung »Adleraugen über Afghanistan« – Bilder, entstanden aus den Luftbildkameras der deutschen Tornados des Aufklärungsgeschwaders 51 »Immelmann« (benannt nach dem Erst-Weltkriegs-Kampfflieger Max Immelmann), stationiert in Jagel nahe Schleswig. Der Zusammenarbeitsausschuss (ZAA) der Friedensbewegung Schleswig-Holstein nennt es »zynisch, Luftaufnahmen, die zur späteren zielgenauen Bombardierung« dienten, zum Gegenstand einer öffentlichen Zurschaustellung zu machen. Anlässlich des Antikriegstages lud der ZAA daher Jürgen Rose aus München ein, der sich als Oberstleutnant der Luftwaffe einem Afghanistaneinsatz widersetzte und daraufhin vor zwei Jahren von der Bundeswehr suspendiert wurde.

Gästeeinträge im Begleitbuch zur Ausstellung schwanken zwischen zwei Bewertungen: Die einen finden die Fotos ästhetisch sehr gelungen und preisen den geradezu künstlerischen Wert – eigentlich kein Wunder, bei der zur Verfügung stehenden qualitativen Hightech-Ausrüstung, dessen Leistungsbereitschaft die Bundeswehr-Verantwortlichen auch in hohen Tönen hervorheben: Faszination Präzision. Aber dann gibt es auch die Kritiker, die sich äußern mit Statements wie »Wer denkt an die Toten?« Das Kontrastprogramm zum Stadtmuseum lieferte Rose, der seinem Vortrag schockierende Fotos von Paula Bronstein vorweg stellte, die ihre Linse auf all das blutige, menschliche Leid am Hindukusch hielt, veröffentlicht durch das Magazin »Stern«.

Von April 2007 bis Ende November 2010 waren die Bundeswehr-Aufklärer von Mazar-i-Sharif aus aktiv. Sie lieferten der NATO fast 50 000 Luftbilder, und darunter waren nicht nur Motive wie das rege Markttreiben in den Metropolen des Landes, die in Schleswig gezeigt werden. Von den »Immelmännern« mit ihrem schwarzen fauchenden Puma als Geschwaderemblem werden auch die Auswirkungen und Dimensionen von Bombenabwürfen dokumentiert, indem die Kameras Sprengkrater in ihren Fokus genommen haben. Weg von der womöglich optischen Faszination lieferte Rose die nüchternen Informationen zum Krieg in Afghanistan, die zu einem kompletten Bild dazugehören. Er benannte die Opferzahlen gefallener Soldaten, verwies auf die vielen Verwundeten und Traumatisierten in Uniform, richtete sein Augenmerk aber auch auf das Leid der Zivilbevölkerung, die sich seit mehreren Jahrzehnten an den Kriegszustand hat gewöhnen müssen – zwischen den Fronten von Warlords und Stammesclans, und hier vorrangig den allgegenwärtigen Taliban, sowie ausländischem Militär.

Seine persönliche Konsequenz, den aus seiner Sicht nicht legitimierten Einsatz »Operation Enduring Freedom« abzulehnen, bildet eine Ausnahme. Der Aktivist des »Darmstädter Signals«, gegründet als Zusammenschluss kritischer Bundeswehr-Angehöriger, weiß, dass die Vokabel Soldat nicht von ungefähr auch als Abkürzung für »Soll ohne langes Denken alles tun« herhält. Für eine Tagessonderprämie von steuerfrei 110 Euro zusätzlich zum normalen Sold hat die Bundeswehr momentan noch keine Rekrutierungsprobleme, merkte Rose an.

Mit seiner Einschätzung, dass der ethnische wie territoriale Konflikt, bei dem es auch um wirtschaftliche und kriminelle Interessen geht, und dass eine Befriedung und Demokratisierung der Region quasi eine »Mission impossible« darstellt, steht er schon lange nicht mehr alleine. Daher wird die im Dezember anstehende Afghanistankonferenz in Bonn seiner Meinung nach nichts verändern und bewirken. Unterm Strich bleibe ein nicht zu einem Erfolg zu führender Anti-Terror-Einsatz mit einem immensen Blutzoll.

* Aus: Neues Deutschland, 5. September 2011


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