Krieg ist NICHT "Friedenssicherung" - und Krieg darf kein Mittel der Politik sein!
Rede von Sabine Schiffer beim Berliner Ostermarsch *
Der Humanistan-Mythos der Mächtigen nutzt sich so langsam ab. Es spricht sich rum, dass die soge¬nannten „humanitären Interventionen“ Krieg und Leid in die Länder tragen, die auf dem Plan bestimmter Interessen stehen. Schließlich steht es ja auch seit 1992 ganz offen in den Verteidiungspolitischen Richtlinien geschrieben: Es geht um die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt."
Zwar werden immer wieder einmal Menschenrechts¬verletzungen bemüht, um für Kriegseinsätze zu werben, aber die Begründungen wechseln inzwischen noch schneller als die Waffen¬gattungen. In Mali warnte man erst kürzlich feindbildkonform vor möglichen „Rückzugs¬gebieten radikaler Islamisten“, die es zu verhindern gelte, während man in Syrien vor Bashar al Assad warnt und mit Islamisten paktiert. Notfalls gibt man noch vor, die ein oder andere muslimische Frau von ihrer Kultur befreien zu wollen. Aber schließlich erweist sich das Argument, mit „unseren Soldaten“ solidarisch sein zu müssen, als neue schlagkräftige Manipulationsstrategie, um den Krieg doch noch salonfähig zu machen.
Ja, aus Sympathie mit den Soldaten und zum Wohle derer körperlicher Unversehrtheit sollen wir gar für den Kauf und Einsatz von Kampfdrohnen sein. Wir wollen offensichtlich Drohnenkönig Obama nacheifern, um auch hier mithalten zu können – so wie bei den Rüstungsexporten und dem Verteilen der jeweiligen Kriegsbeute. Das hat man aus Libyen gelernt, wo Deutschland gar allzu störend pazifistisch auftrat.
Was die Soldaten anbelangt, so verhindert das vermeintlich saubere Töten mit Joystick und am Bildschirm jedoch nicht psychische Notstände. Aber die lassen sich leichter ignorieren, als die gut sichtbaren körperlichen Versehrtheiten geschädigter Soldaten. Schließlich muss nach dem Abschaffen der Wehrpflicht und dem Aufstocken des Werbebudgets für unsere einstige Bundeswehr der Beruf des Tötens als attraktiv und lukrativ erscheinen und nicht etwa als gesundheitsgefährdend. Bei den Menschen in den überfallenen Regionen geht es hingegen auffällig wenig um deren Unversehrtheit und das wichtigste Menschenrecht, das auf Leben.
Dass Zivilisten um ein Vielfaches mehr zu Schaden kommen als Soldaten, hat endgültig die Humanistan-Rhetorik als das entlarvt, was sie ist – eine Lüge: Der letzte Irakkrieg kostete fast 5000 US-Soldaten das Leben, doppelt so vielen irakischen Soldaten, aber auch das Leben von hunderttausenden Zivilisten. Andere verloren ihre Existenz oder ihre Gesund¬heit, denn der schleichende Tod durch die verseuchte Umwelt - nicht zuletzt durch Uran¬munition - ist kaum mess- und zählbar.
Wir sagen:
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Schluss mit Eurer Heuchelei und Euren Lügen!
Und fordern:
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Keine Kampfdrohnen für die sogenannte Bundeswehr und für niemanden sonst!
Zielgruppe nächste Generation
Die Fähigkeiten, um computergestützte Kampfsysteme zu bedienen, werden heute schon im Kinds- und Jugendlichenalter am heimischen PC geübt – wenn man etwa das von Kultur¬staatsminister Neumann prämierte Computerspiel Crysis2 spielt. Zufällig wurde der hoch¬dotierte Computerspielepreis an ein Produkt vergeben, welches von einem Unternehmen entwickelt wird, das sich auch in Sachen Kooperation mit Militärs hervortut: die deutsche Firma Crytek. Exklusiv ist das jedoch nicht. Schließlich üben verschiedene virtuelle Ego-Shooter und Strategiespiele die Fähigkeiten zur Bedienung der „Playstations“ ein und schulen die Feindbildwahrnehmung: vor allem Muslime und Asiaten sind derzeit im Blick von Spieleentwicklern. Die Playstations ähneln dem modernen Arbeitsplatz eines Soldaten erschreckend. Auch die Schlachtfelder sehen am Bildschirm kaum anders aus, als bei ihrer Simulationssoftware. So bereitet man nicht nur die Illusion von sauberen Kriegen vor, sondern man höhlt auch den gesellschaftlichen Konsens aus, dass nämlich Krieg kein Mittel der Politik ist!
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Darum Schluss mit der Förderung gewaltverherrlichender Medienprodukte!
Hollywood und auch die hiesige Filmindustrie – nicht zuletzt Till Schweiger – leisten ihren Beitrag zur Einstimmung auf kriegerisches Heldentum, Militär und Gewalt als Mittel der Konfliktlösung. Dennoch steht das Töten als Berufswunsch nicht hoch auf der Wunschliste der Schulabgänger. Auch das Kriegsspiel am heimischen Computer hat sich bisher als wenig durchschlagkräftig erwiesen, was die Rekrutierung von Soldaten anbelangt. Deshalb investiert die sogenannte Bundeswehr viel Geld in Werbemaßnahmen und tritt dabei in Schulen und Jobbörsen als „Arbeitgeber“ auf – der natürlich gut finanziell unterfüttert wird. Verkleidet als Fun und Abenteuer – wie bei der Werbekampagne in der Jugendzeitschrift BRAVO im letzten Jahr – kommt das Buhlen ums Kanonenfutter daher.
Darum fordern wir:
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„Bundeswehr“ raus aus den Schulen und weg von den Jobbörsen!
Auch das Bundeswehrorchester mit seinem multikulturellen Anstrich in Gestalt einer schwarzen Sängerin gehört zur allgemeinen Imagepflege unserer Armee. Gleichzeitig stellt das Orchester auch eine Rekrutier¬ungsmaßnahme dar – etwa, wenn es bei seinen Auftritten von dem Truck „Karriere Bundeswehr“ begleitet wird. Unter diesem Label, das berufliche Perspektiven verspricht, findet man inzwischen das, was man aus anderen Ländern schon länger kennt: Versprechen für eine gute Ausbildung. In Zeiten von Wirtschaftskrise und Jobs im Niedriglohnsektor vielleicht ein attraktives Angebot. Diese Ausbildung erhält man dann, wenn man bereit ist, sich an den sogenannten „Auslandseinsätzen“ zu beteiligten. Hinter dem seriös klingenden Wort stecken jedoch Krieg und Tod. Es bedeutet militärisches Eingreifen überall auf der Welt jenseits von grundgesetzlicher Landesverteidigung und dem Völkerrecht. Und während Oberst Klein noch fürs Töten von Zivilisten bei Kunduz befördert wird, muss Major Pfaff, der sich weigert völkerrechtswidrigen Dienst zu tun, auf Aufstieg verzichten.
Wir fordern nachdrücklich:
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den sofortigen Rückzug deutscher Soldaten aus allen Einsätzen und die Einhaltung des Grundgesetzes, das „Auslandseinsätze“ nicht vorsieht!
- Die Stärkung von Grundgesetz und Völkerrecht durch die Ahndung von Verstößen!
Wenn nämlich eine hochgelobte „Parlamentsarmee“ Befehle ausführt, die als Parlaments¬beschluss daher kommen, die aber weder vom Grundgesetz noch vom Völkerrecht gedeckt sind, dann handelt eine solche Armee nicht legitimer, wie die einer Diktatur.
Wie leicht die sogenannte Bundeswehr in kriegerische Auseinandersetzungen geraten kann, lässt sich beispielhaft an der Installation von Patriotraketen in der Türkei nachvoll-ziehen: Wie so langsam auch offiziell durchsickert, handelte es sich beim angeb¬lichen Angriff auf die Türkei im letzten Jahr, um eine Bombe aus NATO-Bestand, die mit¬nichten auf das Konto der syrischen Regierung gehen kann. Wenn aber die Begründung für die Stationierung von Abwehrraketen an der syrischen Grenze manipuliert wurde, was ist dann das Ziel des ganzen Manövers?
Wir fordern:
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Abzug der Patriot-Raketen aus der Türkei und Hände weg von Syrien!
Kriegskosten und Rüstungsausgaben fehlen anderswo
Stellen wir uns vor, wie Afghanistan heute aussehen könnte, wenn man die jährlichen 150 Mrd. US-Dollar für den Krieg allein dort in andere Wirtschaftszweige investiert hätte? Wenn sich auch so manche Entwicklungshilfe als neokoloniales Projekt entpuppt, so bildet eine Militärintervention als angebliche Übernahme von Verantwortung im Sinne der sogenannten Responsibility to Protect r2p keine Alternative. Statt aber von der Kriegs-wirtschaft auf die ausschließliche Förderung ziviler Wirtschaft dort wie hier umzustellen, verhindert der Lobbyismus bestehender Großkonzerne und politischer Pressuregroups hier wie anderswo eine zukunfts¬orientierte und nachhaltige Entwicklung. Fast könnte man das Hätscheln von Rüstungs¬industrie und Militär für eine Wirtschaftsfördermaßnahme aus längst vergangenen Jahrhunderten halten. Das Beispiel Rüstungsexporte zeigt, dass Wirtschaftswachstum keine Messgröße für das Glück auf Erden ist.
Ganz aktuell wird der Wirtschaftsstandort Deutschland wieder durch Waffenlieferungen in den Nahen und Mittleren Osten gefördert. Entgegen früherer Verlautbarungen denkt man heute ganz offen über Lieferungen in Spannungsgebiete nach – etwa nach Syrien. Ziel solcher Lieferungen sind bereits Israel, Saudi-Arabien, Kuweit und Katar. Dass die Waffen einmal gegeneinander gerichtet werden können, verspricht weiteren Absatz – ein gutes Geschäft, vorübergehend und kurzsichtig. Das Pulverfass Nahost wird auch von Deutsch¬land aus befeuert. Und mit deutschen Lizenzen produzierte Kleinfeuerwaffen aus Saudi-Arabien landen nicht selten in Afrika – in Kinderhände, die nicht das „Glück“ haben, „nur“ am heimischen Computer zu töten oder getötet zu werden.
Wir fordern:
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Schluss mit Rüstung und Rüstungsexport!
Und:
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die Etablierung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung als einzige realistische Präventionsmaßnahme gegen Eskalationen!
Über die Privatisierung im Hochschulbereich und der Notwendigkeit sogenannte Drittmittel für die Forschung einzuwerben, wird potenten Geldgebern ein Vorsprung für ihre For¬schungs¬interessen eingeräumt. Da die Politik in Deutschland gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung die Militarisierung in sämtlichen Bereichen fördert – auch im Bildungs¬bereich, stehen auch für entsprechende Forschung und Lehre vermehrt Mittel zur Ver¬fügung. Und wieder sind junge Menschen die Zielgruppe, die lernen, womit man seinen Lebensunterhalt verdienen kann und womit nicht. Dabei sind die Verzerrungen im Wett¬bewerb hausgemacht und könnten auch menschen- und umweltfreundlicheren Vorgaben folgen.
Zu allem Übel bröckelt der gewerkschaftliche Widerstand gegen die Kriegswirtschaft. DGB-Chef Sommer als Teil einer angeblichen „Sicherheitsindustrie“. Ihm scheint die Sicherung von Arbeitsplätzen in einer militärisch ausgerichteten Wirt¬schaft offen¬sichtlich „krisensicherer“ zu sein. Wenn aber die Vertreter der Arbeiterschaft nicht mehr deren langfristiges Wohl im Auge haben, wer dann? Wenn die Lobby der Lohnarbeiter ins gleiche Horn stößt, wie die Lobbyisten der Kriegswirtschaft, wer vertritt dann noch unsere Interessen? Die Interessen der Bevölkerungsmehrheit, die sich dem Fazit aus Krieg und Tod ver¬pflichtet fühlt und für eine Umwandlung lebensverachtender Waffen und Jobs in lebensfreundliche Tätigkeitsfelder einsetzt?
Wir sagen:
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Nein zum Schmusekurs mit Kriegsministern!
Wir fordern:
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Zusammen mit Gewerkschaften und Betriebsräten müssen Rüstungskonversions-programme aufgelegt werden!
Medien als Kriegstreiber
Leider verrichten viele unserer Medien Ihre Aufgabe als Vierte Gewalt nicht. Nicht nur, dass sie scheuen kritische Fragen nach geostrategischen Interessen und den wahren Zusammenhängen bei sogenannten Kriseninterventionen zu stellen – sie befeuern gar all zu oft direkt das Kriegsgetrommel. Da werden unsere Politiker ins Kreuzverhör genom-men, warum sie in Mali „nur“ Transport- und Ausbildungshilfe leisten und es wird gefragt, wie lange man denn in Syrien noch „zusehen“ wolle. Vielleicht haben die Redaktionen von Tagesschau und heute journal noch nicht erkannt, dass eine ihrer Informationsquellen – der arabische Sender Al Jazeera – zu einem Instrument seines Finanziers, des Emirs von Katar, geworden ist. Der einst Demokratie-versprechende Sender ist spätestens seit den Kriegsvor¬bereitungen in Libyen auf Kriegskurs und stützt die katarische Bündnispolitik im Nahen Osten. Das muss man ebenso ernst nehmen, wie die die Tatsache, dass Krieg nun einmal keinen Frieden bringen kann – wie wir am Auseinanderbrechen des Iraks sehen. Aber während die Lage in Krisengebieten Afrikas, auf die man unsere Aufmerksamkeit lenkt, sowie in Syrien völlig unübersichtlich ist, scheint für ARD und ZDF und auch die privaten Medien die Lage stets klar. Man verlautbart natofreundliche Statements im Sinne einer westlichen Dominanz.
Bleiben wir standhaft:
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Unterstützen wir die Medien, die kritisch und humanistisch ausgerichtet sind und die Finger in die Wunde der Lügen legen!
Bleiben wir standhaft:
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Und fallen nicht auf die Rhetorik der Herrschenden herein, die Krieg als legitimes Mittel der Politik verkaufen wollen!
Gerechte Kriege gibt es nicht! Eine gerechte Politik aber ist möglich!
* Dr. Sabine Schiffer, Leiterin des Instituts für Medienverantwortung. Rede beim Berliner Ostermarsch, 30. März 2013.
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