Entwicklungshilfe statt Waffenexport!
Rede von Ulrike Jakob bei Kasseler Ostermarsch *
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn auf vieles kein Verlaß mehr zu sein scheint, so ist doch eines gewiss: Auf Euch ist Verlass, die ihr den Ostermarsch auch in diesem Jahr zum Anlaß nehmt, um für Frieden und Abrüstung zu demonstrieren!
Wir tun dies hier in Kassel gemeinsam mit vielen Menschen in anderen
Städten der Bundesrepublik.
Das ist gut und wichtig und unser Marsch für eine gute Sache hat viele Gründe: Ein wesentlicher ist, auf die Ursachen von Konflikten und Kriegen hinzuweisen und ihre Beseitigung einzufordern!
Es ist die ungerechte Verteilung der Reichtümer und Ressourcen dieser Welt, die zu arm und reich, zu Hunger, Krankheit, Unterdrückung, Mangel an Bildung und Entwicklung führen.
Es ist das Erzielen von Höchstprofiten für diejenigen, die Waffen herstellen, sie exportieren und in die Hände derjenigen geraten lassen, die sie auf gar keinen Fall besitzen sollten.
Dabei spielt die Bundesrepublik ganz vorne in der Liga. Hinter den USA und Rußland sind wir drittgrößter Waffenexporteur weltweit. Rüstungsgüter gehen von uns in etwa 80 Staaten der Welt, darunter auch Entwicklungsländer. Unterschiedslos – und offensichtlich ohne auch nur einen Pfifferling auf die eigenen Rüstungsexportrichtlinien Wert zu legen – läßt die Bundesregierung zu, dass auch in Staaten geliefert wird, die die Menschenrechte mißachten oder in Dauerkonflikte verwickelt sind.
Gerne abgenommen werden Waffen made in Germany gerade im Nahen und Mittleren Osten, wie z. B. Saudi Arabien, Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten -Staaten, die niemals deutsche Waffen erhalten dürften!
Die Rolle der Bundesrepublik ist zunehmend eine, die sich – legitimiert durch Mehrheitsentscheidungen der Bundesregierung und des Parlaments - Einsätze der Bundeswehr im Ausland befürwortet.
War das die eigentliche Idee als es um die Abschaffung der Bundeswehr als Wehrpflichtarmee ging? Denn mit der Umwandlung in eine „Freiwilligenarmee“ ist die Rolle der Bundeswehr eine andere geworden. Es sieht ganz so aus, als sei mit diesem Schritt die Bundeswehr zu einer schnellen Eingreiftruppe umgeformt worden. Militärisch fast überall und sofort einsetzbar. Und für die Freiwilligen damit ganz und gar nicht mehr freiwillig und im Widerspruch zum klaren Auftrag der Bundeswehr aus dem Grundgesetz, wonach Streitkräfte nur im Verteidigungsfall eingesetzt werden dürfen.
Hinzukommt die meines Erachtens wirklich perfide Debatte um die weitere Beschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr.
Nachdem bekannt wurde, daß die Bundeswehr in Afghanistan bereits 2010 dortige sogenannte Aufständische hierdurch hat töten lassen, wirft dies ein weiteres Schlaglicht auf den zunehmend aggressiven Charakter des deutschen Militärs. Selbst im Handelsblatt war in einem Leitartikel zu dieser lange verheimlichten Militäraktion zu lesen, daß Deutschland sich intensiv darauf vorbereite, wieder Kriege um Rohstoffe zu führen.
Wir wenden uns gegen die Beschaffung und den Einsatz dieser high-tech-Waffen, wie sie Verteidigungsminister de Maiziere befürwortet. Sie sind ethisch und völkerrechtlich aus gutem Grund höchst umstritten!
Wir fordern: Wir brauchen keine neuen Halbroboter, die gezielt Menschen töten!
Immer mehr werden der Einsatz und die Kampfmittel der Bundeswehr im Ausland zu einem Sicherheitsrisiko für unser Land.
Wir wenden uns gegen die Rückkehr des Krieges in die Politik!
Wir wenden uns gegen die schleichende Militarisierung unserer Gesellschaft! Wir gewöhnen uns nicht an die Präsenz der Bundeswehr und das öffentliche Auftreten bei Anlässen wie z. B. dem Hessentag 2013 hier bei uns in Kassel.
Und erst recht nicht an ihr verstärktes Auftreten an Schulen und Hochschulen. Hier wirbt die Bundeswehr als vermeintlich attraktiver Arbeitgeber und sogenannte „Karriereberater“ tun ihr Übriges dazu, um inzwischen über 250.000 Jugendliche und über 100.000 Lehrkräfte zu erreichen.
Die Gewerkschaft „Erziehung und Wissenschaft“ im DGB ruft gemeinsam mit Schülervertretungen zu Aktionen gegen diese Werbeversuche der Bundeswehr auf. Wir unterstützen diese Aktivitäten unter dem Motto: „Die Schule ist kein Ort für Rekrutierung von Berufssoldatinnen und -soldaten“!
Statt Hartz 4 zur Bundeswehr – das kann niemals die Alternative für fehlende Bildung, Ausbildung und Arbeitsplätze sein!
Wir brauchen mehr Geld für Bildung und Ausbildung für die Menschen in unserem Land!
Frieden und Arbeit, Arbeitsplätze statt Raketen waren die Losungen der Friedensbewegung in den 80 er Jahren – und diese Forderungen behalten ihre Gültigkeit auch in der heutigen Zeit!
Und ich füge hinzu: Schafft endlich ein ausreichendes Angebot an pädagogisch guten Kinderbetreuungsplätzen, steckt Geld in die menschenwürdige Versorgung und Pflege von immer mehr älteren Menschen und bezahlt all die anständig, die sich anständig um Menschen kümmern! Damit kämen wir einer menschlichen, einer sozialen und friedlichen Gesellschaft wesentlich näher als mit allem anderen.
Liebe Freundinnen und Freunde!
Ich spreche hier ja nicht für den Betriebsrat von Volkswagen und auch nicht für die IG-Metall. Zur Forderung des Kasseler Friedensforums, keine Rüstungsgüter von Kassel nach Saudi-Arabien zu exportieren, möchte ich als Gewerkschafterin aber folgendes sagen: Ich unterstütze diese Forderunl weil es nicht stimmt, daß mit immer mehr Rüstung der Frieden in der Welt sicherer wird. Die aktuellen Beispiele beweisen das Gegenteil.
Insofern entspricht es gesundem Menschenverstand, damit aufzuhören und stattdessen das Thema Rüstungskonversion endlich ganz vorne auf der Tagesordnung zu platzieren.
Das bedeutet aber ganz wesentlich, daß die Frage der Sicherheit von Arbeitsplätzen geklärt sein muß. Die Frage der Finanzierung alternativer Produkte oder Dienstleistungen gehört gleichermaßen dazu.
80.000 Arbeitsplätze gibt es in der deutschen Rüstungsindustrie.
Ich glaube, die Mehrheit unserer dort beschäftigten Kolleginnen und Kolleginnen sieht das Thema ebenfalls mit gesundem Menschenverstand und würde lieber heute als morgen auf eine zivile Produktion umsteigen.
Eine solche Forderung nur mit und nicht gegen die Beschäftigten durchgesetzt werden. Es hat ja Initiativen der IG-Metall und Kolleginnen und Kollegen aus den Rüstungsbetrieben gege-
ben, von militärischer auf zivile Produktion umzustellen. Und es gibt Erfolge dabei: So haben beispielweise unsere Kollegen aus dem militärischen Schiffbau erkannt, daß ihr know-how auch dafür eingesetzt werden kann, auf dem Meer Windkrafträder zu bauen. Das ist mittlerweile ein Zukunftsprojekt im Rahmen der Energiewende. Dies sind Beispiele, die Mut machen, das Thema in der Zukunft konsequenter anzugehen.
Wir sagen: Rüstung tötet, auch im Frieden. Die Exporte von Waffen, mit denen ein Bombengeschäft gemacht wird und ihre unkontrollierte Weitergabe führen weltweit dazu, daß Menschenrechte verletzt und Kriege unterstützt und geführt werden können.
Weltweit werden jährlich 1,7 Billionen Dollar für Rüstung ausgegeben. Ein Bruchteil dieser Summe würde ausreichen, um die wichtigsten Milleniumziele der Vereinten Nationen zu erreichen: Die Halbierung der Armut, die Versorgung aller Menschen mit sauberem Wasser, Nahrung, gesundheitlichen Dienstleistungen und Bildung.
Wir sagen: Eine Welt ohne Krieg ist nicht nur möglich -sondern dringende Voraussetzung zur Erreichung dieser Ziele im Interesse aller Menschen und Nationen dieser Welt!
Weltweit werden nach einer UN-Studie 8,5 Milliarden Dollar im Jahr allein mit Kleinwaffen umgesetzt. Im selben Zeitraum sterben durch solche Waffen 200.000 bis 400.000 Menschen – ein Problem der ganz besonderen Art, hauptsächlich im Land der sogenannten unbegrenzten Möglichkeiten, dessen Waffenlobby nur mit anderen Gesetzen zu bezwingen ist.
Es hat noch nie gestimmt, daß immer mehr Waffen die Welt sicherer und den Frieden stabiler gemacht haben.
Den Herrschenden dieser Welt, Politikern wie Militärs und deren Lobbyisten,müssen wir immer wieder deutlich machen: Die Mehrheit der Menschen nicht nur hierzulande lehnt Eure Politik der Aufrüstung ab!
Wenn ich an die großen Friedensdemos der 80er Jahre denke, so sind wir sicherlich nicht in dieser machtvollen Weise sichtbar, aber ich bin sicher, daß wir für die Mehrheit der Menschen hier stehen.
Wer hätte in der Zeit des kalten Krieges und angesichts der Massenbewegung in der Bundesrepublik, die damals gegen die weitere atomare Aufrüstung der Bundesrepublik mit Marschflugkörpern
stattgefunden haben, davon ausgehen können, daß aus dem Zusammenbruch der DDR und der Sowjetunion und aus dem Ost-West-Konflikt jener Zeit ganz neue, den Weltfrieden bedrohende Konflikte hervorgehen würden?
Wer hätte ahnen können, daß eine mögliche atomare Bedrohung durch den Iran und militärische Erstschlagsdrohungen durch Israel inhaltlicher Bestandteil von Ostermärschen sein würden?
Was hat uns die jüngere Vergangenheit zum Thema Atomwaffenbesitz eigentlich gelehrt?
Die Geschichte lehrt uns, daß der Krieg gegen den Irak, verkündet vor ziemlich genau 10 Jahren, am 20.03.2003 durch den damaligen US-Präsidenten George Bush, auf Lügen und Fälschungen hinsichtlich der angeblichen Existenz von Massenvernichtungswaffen ausgelöst wurde. In der Folge dieses 10-jährigen Krieges wurden 5.000 amerikanische Soldaten und 100.000 Iraker getötet, Millionen Flüchtlinge und verstümmelte Menschen kommen hinzu. Allein die USA sollen für diesen Krieg zwischen einer und 3 Billionen US-Dollar ausgegeben haben. Mit dem Ende von Saddam Hussein ist das Land in einem fürchterlichen Bürgerkrieg versunken, in Destabilisierung und Chaos. Schiiten, Kurden und Sunniten kämpfen seither gleichermaßen um die riesigen Öl- und Gasreserven des Landes.
Und der Iran? Nach einer Bilanz der Financial Times kommt diese kürzlich zu dem Schluß: Iran ist der große Gewinner von Bushs Krieg.
Der Todfeind Nr. 1 des Iran, Saddam Hussein, wurde durch denTodfeind Nr. 2, die USA – erledigt! Und so lieferten die Vereinigten Staaten von Amerika dem Iran die goldene Möglichkeit zur Ausdehnung seines Einflusses über die seit 1746 geltende Westgrenze des Landes, tief in den Irak hinein.
Niemand in Amerika, so kann man nachlesen, mag heute öffentlich noch behaupten, daß sich Ordnung und Stabilität mit Waffengewalt erzwingen lassen – geschweige denn Demokratie.
Und keiner mag den Verlust an Glaubwürdigkeit ermessen, den Amerika und damit der Westen in der ganzen Welt erlitten hat.
Gleichzeitig werden die Sanktionen gegen den Iran in einer Weise verschärft, die nicht nur die Zivilbevölkerung stark belasten, sondern das Risiko eines neuen Krieges weiter zuspitzt.
Eine weitere Zuspitzung darf es jedoch nicht geben und Israel darf nicht länger von einem möglichen militärischen Erstschlag sprechen!
Wir fordern, alle Anstrengungen und Initiativen zu unterstützen, die von der UNO ausgehen, um im Nahen und Mittleren Osten eine Zone frei von Massenvernichtungswaffen einzurichten!
Offensichtlich sollen bis 2014 die Nato-Truppen fast – aber auch nur fast – aus Afghanistan zurückgezogen werden. Dann wird – nach beinahe 13 Jahren – auch der deutsche Militäreinsatz beendet sein. 3.000 Soldaten, darunter auch viele deutsche und unzählige zivile Opfer hat auch dieser Krieg gekostet.
Wie wird es nach dem notwendigen Truppenabzug 2014 in Afghanistan aussehen? Das afghanische Volk – so konnte ich in „Spiegel-online“ nachlesen, wartet noch immer darauf, daß die NATO den Zweck und das Ziel des sogenannten Kriegs gegen den Terror erklärt. Die Bewohner des Landes begreifen den Krieg als ziellos und halten die Weiterführung für töricht.
Die afghanische Regierung distanziert sich allmählich von den bisherigen sogenannten westlichen Verbündeten und bereitet sich damit taktisch auf die Zeit nach dem Truppenabzug vor. Das Klima ist vergiftet, es ist davon auszugehen, daß Afghanistan endgültig zum Drogenstaat wird, in dem Wirtschaft, Politik und Kriminalität Hand in Hand gehen. Zurück bleibt dann wohl ein Land, dessen Ordnung künftig von brutalen Kriegsfürsten abgesichert wird.
Ganz besonders dramatisch ist die Lage der Frauen in Afghanistan:
Es gibt wohl kaum ein Land, in dem Frauen so wenig Rechte haben wie dort. Kein Zugang zur Bildung, keine Arbeitserlaubnis, kein Ausgang ohne männliche Begleitung. Menschenrechtsorganisationen wie „Terre des Femmes“ in Deutschland und der Entwicklungsbund für Frauen der Vereinten Nationen fordern nun nachdrücklich eine Beteiligung der Frauen am gesellschaftlichen Leben und an einer künftigen Regierung. Ob dies gelingt, hängt stark ab von der Unterstützung durch die UNO.
Es ist heute kaum vorstellbar, daß es in den 60er und 70er Jahren Entwicklungen für ein demokratisches und gleichberechtigtes Afghanistan bereits gegeben hat. Laut Amnesty International gab es in dieser Zeit eine regelrechte Aufbruchstimmung unter den afghanischen Frauen.
Mit der Verfassung von 1964 wurden sie rechtlich gleichgestellt, erhielten Zugang zu Ausbildung und nahmen an Regierungsgeschäften teil, arbeiteten als Lehrerinnen, Ärztinnen und Krankenschwestern und waren im öffentlichen Leben präsent. Zwangsheirat und die Entrichtung eines Brautpreises wurden von der kommunistisch geprägten Volkspartei verboten. Selbst Miniröcke waren im Kabul der 70er Jahre keine Seltenheit.
Mit dem Beginn des Bürgerkrieges, der von der CIA unterstützt und finanziert wurde und der weiteren Eskalation des Bürgerkriegs wurden Frauen, wie auch im Bosnien-Krieg, durch systematische Vergewaltigungen gezielt als Kriegswaffen durch Erniedrigung eingesetzt.
Wir unterstützen die Aufforderung von Human Rights Watch, die Bundesregierung solle sich für die Rechte der Frauen in Afghanistan einsetzen, ausdrücklich, liebe Freundinnen und Freunde! Die nur durch westliche Hilfe existierenden Frauenprojekte müssen unbedingt am Leben gehalten werden!
Wenn die wenigen Frauenhäuser in Afghanistan kein Geld mehr erhalten, gibt es für die dortigen Frauen überhaupt keinen Schutz mehr! Für die afghanischen Frauen hat der Westen mit Soldaten und Milliardenhilfen so gut wie gar nichts erreicht. 400 afghanische Frauen sitzen aufgrund so genannter moralischer Vergehen im Knast. Das ist kaum ein Unterschied zur Zeit der Taliban-Herrschaft – aber der Westen kümmert sich nicht und der afghanische Präsident Karsai schert sich einen Teufel um die Brisanz dieses Themas!
Da die Hoffnung ja zuletzt stirbt, möchte ich aber auch folgendes sagen:
Es gibt auch positive Beispiele dafür, wie mit deutscher Entwicklungshilfe in Afghanistan Menschen in die Lage versetzt werden können, umzudenken und ihre Waffen niederzulegen.
„Deutsche Aufbauhilfe in Afghanistan: Milch statt Maschinengewehr“.
Mit finanzieller Hilfe aus Deutschland ist ein Projekt der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen auf den Weg gebracht worden. Eine Molkerei, ganz schlicht, die dafür sorgt, daß jeder, der Kühe besitzt, seine Milch dort verkaufen kann. Eine Genossenschaft, die aus etwa 1000 Bauern und ihren Familien besteht, hat so ihr Auskommen. Seit 2010 betreut die GIZ die Molkerei. Sie ist Teil des Programms „nachhaltige Wirtschaftsförderung“ im Norden von Afghanistan. Es ist das Ideal von Entwicklungshilfe: Hilfe zur Selbsthilfe, die funktionieren kann.
In den vergangenen 12 Jahren wurden mehr als 30 Milliarden Euro Hilfsgelder nach Afghanistan geschickt, davon etwa zweieinhalb Milliarden aus Deutschland. Noch nie hat ein Land in so kurzer Zeit in so viel Geld aus dem Ausland erhalten. Ein Großteil ist nie dort angekommen, wo es hinsollte. Mehrmals räumte die US-Regierung ein, sie könne nicht überprüfen, ob Hilfsgelder ordnungsgemäß verwendet wurden. Klar ist, so bestätigte ein US-Diplomat in Kabul, daß mehrere Milliarden Dollar in dunkle Kanäle verschwunden sind.
Was nützt Entwicklungshilfe, was muß Aufbauarbeit leisten? Sie muß in erster Linie dafür sorgen, daß Menschen befähigt werden, für ihre Zukunft selbst zu sorgen. Daß dies gelingt, ist unser aller Hoffnung – nicht nur für die Menschen in Afghanistan!
Das gilt auch für die Menschen in Mali: Es ist kompliziert, aber doch einfach zu durchschauen: Wieder einmal wird der Weltöffentlichkeit der Eindruck vermittelt, als käme man gar nicht daran vorbei, militärisch einzugreifen - wie in Afghanistan. Angeblich wegen der islamistischen Terroristen, die tatsächlich eine Gewaltherrschaft nach dem Muster der Scharia errichtet haben, die schon seit Jahren den Rauschgiftschmuggel kontrollieren und Migranten erpressen, die von Schwarzafrika ans Mittelmeer und die europäischen Küsten gelangen wollen. Fakten, die seit Jahren bekannt sind.
Fakt ist auch, daß die Sahel-Zone ein Unruhegebiet aufgrund von klimabedingten Dürrekatastrophen geworden ist, die die Viehherden und damit die Lebensgrundlage für die Nomadenvölker vernichtet hat.
Besonders betroffen sind die Tuareg-Stämme. Sie haben nie einen eigenen Staat erhalten sondern sind durch den französischen Kolonialismus und die willkürliche Festlegung von Staatsgrenzen auf verschiedene afrikanische Staaten verteilt wurden. Das sind Algerien, Libyen, Niger, Mali und Burkina Faso. Immer heftigere Aufstände haben hierin eine wesentliche Ursache.
In Mali rächt sich nun der vor allem von Frankreich vorangetriebene Krieg in Libyen mit dem Ziel des Sturzes von Gaddhafi. Der Sahel ist seither voll mit z. T. Hochmodernen Waffen, die nach der Zerstörung Libyens in die Hände von Banden geraten sind, darunter auch Tuareg-Stämme, die für Gaddhafi gekämpft haben.
Hierin mußten Frankreich, aber auch andere Länder der Sahel-Zone natürlich eine Bedrohung sehen. Das heißt aber auch, daß es vordringlich nicht nur um Mali, sondern wesentlich um das Nachbarland Niger geht. Dort wird durch den Atomanlagenbauer und Nuklearkonzern Areva de facto die drittgrößte Uranproduktion der Welt beherrscht.
Und woher kommen eigentlich die vielen hochmodernen Waffen in dieser Region? Fest steht: Sie sind mit Wissen und in Abstimmung mit den USA, Frankreich und Großbritannien dorthin gelangt. In einer Studie der Stiftung „Wissenschaft und Politik“ aus 2012 heißt es: Das Land Katar dirigierte Waffen und Geld in erster Linie an islamistische Rebellen.
Schlicht ausgedrückt bedeutet das alles: Die Tuareg-Kämpfer sind mit den Waffen aus den Arsenalen Gaddhafis nach Mali gekommen und die Kämpfer der islamistischen Dschihad werden von Katar mit Geld, Waffen und Munition versorgt. Das einzige, woran in Mali kein Mangel herrscht, sind Mordwerkzeuge.
Nun wird die militärische Intervention Frankreichs in Mali wiederum als Krieg gegen den Terrror gerechtfertigt, in Wahrheit entpuppt er sich als Krieg zur Wahrung von Interessen. Dieses Vorgehen wird kaum andere Ergebnisse bringen als in Afghanistan, Libyen und dem Irak. Es ist eher zu befürchten, daß nicht nur Mali sondern auch die angrenzenden Staaten destabilisiert werden.
Und noch etwas: Es gibt bereits Drohungen einer islamistischen Terrorgruppe, der „Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika“, die bereits Terroranschläge in Frankreich angekündigt hat. Damit wird der Krieg gegen den Terror, der in Wirklichkeit wirtschaftliche Interessen verfolgt, Krieg und Terror nach Frankreich und Europa bringen!
Wir sagen klar: Die Welt braucht keine neues Afghanistan und wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen die Intervention in Mali!
Schauen wir auch auf die Lage der Menschen in Syrien, liebe Freundinnen und Freunde: Dieser Krieg und jede weitere Eskalation muß sofort aufhören! Sie wurde bislang insbesondere befördert durch Einmischung und durch Waffenlieferungen von außen.
Ein Teil der in Syrien befindlichen Waffen stammen aus einer 3.000 Tonnen umfassenden Lieferung, die aus Kroatien stammt. Sie wurde zwischen November und Februar über Jordanien und die Türkei nach Syrien geschmuggelt. Das Geld kam aus Saudi-Arabien unter logistischer Mithilfe von Großbritannien. Es handelt sich um Kriegsgerät, das schon in den 90er Jahren im Jugoslawien-Krieg zum Einsatz kam.
Schlimm genug, aber noch schlimmer ist, daß nicht nur die sogenannte Rebellen in Syrien sondern auch Al-Kaida nahestehende Terroristen inzwischen über diese Waffen verfügen. Die Lieferung war ursprünglich an sogenannte nationale und säkuläre Rebellen übergeben worden. Nun sind sie bei den extremistischen Islamisten gelandet. Eine Gruppierung davon hat bereits jetzt die Kontrolle über einige Ölfelder übernommen. Damit wird klar, daß nach dem Sturz Assads ein wichtiges strategisches Ziel bereits jetzt in der Hand terroristischer Islamisten gelandet ist.
Im Mai läuft das Waffenembargo der EU aus. Danach könnten Frankreich und Großbritannien die sogenannten Rebellen bewaffnen. Wir fordern vor diesem Hintergrund klar: Liefert den Rebellen keine Waffen! Wir fordern einen Stopp der Beteiligung der Bundeswehr an der Entsendung von Kriegsgerät an die Türkei! Hier droht ein neuer Flächenbrand!
Der syrische Bürkerkrieg nähert sich bereits der Nordgrenze Israels. Es gab am 23.3. d. J. bereits eine Eskalation mit heftigen Schußwechseln und dem Einsatz von israelischen Raketen auf syrische Ziele. Der Albtraum für die israelische Bevölkerung ist es, daß chemische Waffen der Syrer in die Hände terroristischer Banden gelangen und dann gegen die israelische Bevölkerung eingesetzt werden.
Gleichzeitig droht Israel jedoch mit militärischen Erstschlägen gegenüber dem Iran – ich bin darauf bereits eingegangen - und löst seine innenpolitischen Konflikte im Hinblick auf die Palästinenserfrage in keinster Weise.
So hat der Besuch von Barack Obama in Israel vor gut 2 Wochen nicht nur dazu geführt, die historische Verbundenheit zweier Staaten zu demonstrieren. Der amerikanische Präsident hat auch den Siedlungsbau kritisiert und zu einem gerechten Frieden für die palästinensische Bevölkerung aufgerufen. Ob dies mit der Regierung Netanjahu möglich sein wird, hängt auch davon ab, wie die Bundesrepublik ihren Einfluß geltend macht und Haltung in dieser Frage bezieht.
Wir fordern die Bundesregierung auf, alles zu tun, das Existenzrecht der palästinensischen Bevölkerung durch ein vollwertiges UNO-Mandat zu dokumentieren!
Israel selbst sollte durch seine eigene, so leidvolle Geschichte ein Interesse an der Lösung des Palästina-Konfliktes haben. Moralisch gesehen darf hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.
Obama fand an der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem folgende Worte, die ich gerne zitieren möchte: „Diese Dokumentation des Horrors ist auch eine Quelle der Hoffnung. Denn hier erkennen wir, daß wir niemals machtlos sind. Im Leben haben wir immer die Wahl: Das Leiden anderer teilnahmslos hinzunehmen oder Mitgefühl zu zeigen. Das ist der Kern unseres Menschseins.“
Das, liebe Freundinnen und Freunde, sind Gedanken, die wir sicherlich teilen und gerne unterschreiben. Ich sage aber auch: Wer hier so klar und berechtigt mahnt, sollte dies auch im Hinblick auf aktuelle Konflikte im Blick behalten. Wer hier mahnt, sollte das bei der Provokation durch sogenannte Übungsflüge von Bombern in Richtung Nord-Korea nicht vergessen: Es ist ein Spiel mit dem Feuer! Und wenn man schon von einer Staatsführung nach nordkoreanischem Muster nichts aber auch gar nichts an Einsicht oder Diplomatie zu erwarten braucht, dann braucht der Westen offensichtlich wieder einen Vorwand, sich militärisch zu rüsten und einzugreifen.
Eine durchschaubare, immer wieder kehrende Spirale. Ich meine, sie wird bewußt angeheizt und die Folgen, die Opfer und Leiden werden dann wie immer von der Zivilbevölkerung getragen.
Hier wird die Verantwortung des Westens für den Weltfrieden wiederum mit Füßen getreten, liebe Freundinnen und Freunde und dann ist es mit dem Kern des Menschseins offensichtlich ganz schnell wieder vorbei.
Mit dem Kern des Menschseins haben die Ereignisse in Deutschland heute vor genau 80 Jahren nichts, aber rein gar nichts mehr zu tun gehabt: Am 1.4.1933, um 10.00 Uhr, wurde aus staatlich geduldeter Gewalt staatlich angeordneter Terror. In jüdischen Geschäften durfte nicht mehr gekauft werden, jüdischen Ärzten und Rechtsanwälten wurde die Zulassung entzogen. In der Folge wurden 4 Wochen später, am 1. Mai 1933 die Gewerkschaftshäuser besetzt, Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen verschleppt, verhört, gefoltert.
Die gespaltene Arbeiterbewegung war nicht mehr in der Lage, zu verhindern, was in der Folge geschah: Krieg, Verfolgung, Vernichtung, Holocaust - das ganze Grauen des 2. Weltkrieges, der von deutschem Boden ausging!
Wir mahnen angesichts der Opfer: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen! Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
Darum ist 80 Jahre nach der Machtübertragung an die Hitlerfaschisten ein Verbot der NPD mehr als überfällig, liebe Freundinnen und Freunde!
Wie dumm muß man als Neo-Liberaler eigentlich sein, um diese Notwendigkeit nicht zu erkennen? Angesichts der NSU-Morde an türkischen Mitbürgern in Deutschland mit seiner Geschichte ist es ein Skandal, daß diese bis heute nicht aufgeklärt worden sind. Wie blind sind die verantwortlichen Organe unseres Staates auf dem rechten Auge eigentlich all die Jahre gewesen - und wieviel war man bereit, zu verharmlosen und zu vertuschen?
Und wie blind und instinktlos muß man eigentlich sein, wenn man nicht dafür sorgt, türkischen Journalisten feste Plätze angesichts des endlich stattfindenden Prozesses vor dem Münchener Oberlandesgericht einzuräumen!
Wie fatal und beschämend ist die Wirkung der deutschen Justiz im Ausland vor diesem Hintergrund! Vor allem in der Türkei – aber besonders auch im Hinblick auf unsere türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger! Dies ist nach den unaufgeklärten Morden ein 2. Skandal, liebe Freundinnen und Freunde!
Der Vater des Kasseler Mordopfers Halit Yozgat ist ein VW-Kollege. Wir stehen seit Bekanntwerden der rechtsextremistischen Hintergründe für diese Tat als Betriebsrat und Belegschaft fest an der Seite der Familie und werden dies auch in Zukunft tun!
Und so, liebe Friedensfreundinnen und -freunde, stehen wir gemeinsam Seit´an Seit´
-
gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit,
- gegen weitere Aufrüstung und Rüstungsexporte,
- gegen die militärischen Interventionen im Ausland,
- gegen die zunehmende Militarisierung von Politik und Gesellschaft!
Unser Marsch bleibt eine gute Sache und gegen Krieg und Gewalt werden wir auch in Zukunft gemeinsam kämpfen!
Ich danke Euch!
* Ulrike Jakob, stellv. Betriebsrats-Vorsitzende VW-Kassel. Rede auf der Abschlusskundgebung des Kasseler Ostermarsches, 1. April 2013.
Zurück zur Seite "Ostermarsch 2013"
Zur Gewerkschafts-Seite
Zur Seite "Friedensbewegung"
Zur Seite "Friedensbewegung in Kassel"
Zurück zur Homepage