Verteidigungsminister de Maizière will uns Sand in die Augen streuen
Rede von Lühr Henken beim Ostermarsch in Berlin *
Liebe Ostermarschiererinnen, liebe Ostermarschierer!
Die Bundeswehr wird seit nunmehr 20 Jahren auf militärische Interventionsfähigkeit, also auf Kriegsführung im Ausland, aufgerüstet, um den „freien Zugang zu natürlichen Ressourcen“, wie es in den Richtlinien heißt, militärisch durchzusetzen. Etwa 100 Milliarden Euro flossen bisher in komplett neue Waffensysteme und Ausrüstungen. Infanteristen kommen dabei besonders gut weg, sollen sie doch den Krieg in fremden Städten im deutschen Interesse siegreich entscheiden. Und nun sollen auch noch Kampfdrohnen hinzu kommen, um diesen imperialistischen Wahnsinn zu vervollkommnen?
Ich sage Nein!
Mit mir sagen bisher schon über 100 Organisationen nein, die in einem Appell „Keine Kampfdrohnen!“ von Regierung und Bundestag den Verzicht auf Kampfdrohnen fordern.
Als besonders empörend empfinden wir Äußerungen von Verteidigungsminister de Maizière, wonach die Kampfdrohnen – wie jede andere Waffe auch – ethisch als wertfrei einzustufen seien.
Nein, Drohnen stellen eine völlig neue Waffenqualität dar, die unabsehbare Folgen für Kriege überhaupt zeitigt.
Insbesondere fünf Gründe sprechen gegen die Anschaffung deutscher Kampfdrohnen:
(1) Der Einsatz von Kampfdrohnen senkt die Schwelle zum Kriegseintritt, weil keine eigenen Gefallenen befürchtet werden. Bewaffnete Drohnen schaffen neue Kriegsmöglichkeiten. Sie können unbemerkt tief in fremde Territorien eindringen und heimtückisch und überraschend angreifen.
(2) Der Einsatz von Kampfdrohnen soll angeblich so genanntes gezieltes Töten ermöglichen. Das bedeutet eine Aushebelung aller rechtstaatlichen Grundsätze. Politiker, die solche Einsätze anordnen, sind so zu sagen Ermittler, Ankläger, Richter und Henker in einer Person!
(3) Selbst wenn das gezielte Töten erstrebenswert wäre, was wir eben nicht finden, ist es so gezielt nicht, wie behauptet wird. Neueste Untersuchungen der UNO in Pakistan haben ergeben, dass ca. jede vierte getötete Person eine unbeteiligte Zivilperson war. Zudem wird die Zivilbevölkerung ganzer Landstriche, die ständig von Kampfdrohnen bedroht werden, buchstäblich terrorisiert, weil niemand weiß, wo die Drohnen zuschlagen werden. Wegen des weltumspannenden „Krieges gegen den Terror“ gibt es grundsätzlich kein Land, keine Region mehr, das oder die nicht in das Visier der „Anti-Terror-Krieger“ geraten könnte.
(4) Kampfdrohnen, dessen Raketen und Bomben bisher noch von Menschen per Knopfdruck ausgelöst werden, gehören bald der Vergangenheit an. Technische Entwicklungen führen zur Automatisierung, so dass die Entscheidung über den Feuerbefehl von der Drohne selbst gefällt wird. Anders als Menschen sind Killer-Roboter nicht leidensfähig und schrecken somit vor nichts zurück. Eine derart entfesselte Kriegsmaschinerie führt zu noch schrecklicheren Kriegen; die Opfer dieser Roboterkriege sind nach wie vor Menschen.
(5) Drohnen als völlig neue Waffenkategorie, zudem in der Anschaffung preiswerter als Kampfflugzeuge, Bomber und Hubschrauber, lösen ein neues Wettrüsten aus. Autonom operierende Drohnengeschwader sind kein Science Fiction mehr, sondern können Realität werden.
Der deutsche Vorkämpfer für Kampfdrohnen, Thomas de Maizière, warb vor dem Bundestag für die Einführung dieser Killerwaffe, indem er sie als äußerst humanes Kampfmittel beschrieb. Als Beispiel führte er an, kein anderes Mittel sei so gut geeignet wie eine Kampfdrohne, KSK-Soldaten bei der Verhaftung von Terroristen oder zur Rettung von Geiseln zu begleiten und bei Gefahr in Verzug den Gegner unmittelbar zu bekämpfen. Erst Flugzeuge anzufordern, dauere länger und sei nicht so präzise in der Wirkung. Und zudem, sagte er später, lehne er Menschenjagd à la USA ab. Also: Leute, alles ist ganz harmlos. Habt euch nicht so! Ist nur zum Schutz der eigenen Leute.
Der Minister bagatellisiert diese neue Waffenkategorie. Halten wir mal einen Moment inne. Welche Geschichte hat diese Bundeswehr, die mit solchen Waffen ausgerüstet werden soll? Gibt diese Geschichte Anlass, auf ihre Gesetzestreue, Offenheit und Ehrlichkeit zu bauen? Nein! Nein! Und nochmals Nein!
Gesetzestreue? 1999 bombardierte sie völkerrechtswidrig – also ohne Mandat der UNO – wegen des Kosovo wochenlang Jugoslawien.
Offenheit? Es hat geschlagene mehr als zwei Jahre gedauert, bis heraus kam, dass die Bundeswehr den tödlichen Einsatz US-amerikanischer Kampfdrohnen in Afghanistan angefordert hatte.
Ehrlichkeit? Was ist das für ein beschämendes Trauerspiel, was sich die Bundeswehr mit dem Bombenmassaker des Oberst Klein am Kundus leistet, mit mehr als 140 toten Zivilpersonen? Feilschen um die Zahl der Getöteten, mickrige Entschädigungszahlungen und die Ablehnung der Verantwortung für das Massaker. An Zynismus unüberbietbar: Die Belohnung des Obersten Klein mit dem Generalsrang.
Der Minister will uns Sand in die Augen streuen. Wie sieht die gängige Praxis des Einsatzes von Kampfdrohnen denn bisher aus? Die CIA tötet in Pakistan entsprechend einer von US-Präsident Obama abgezeichneten Kill-List. Pakistans Souveränität wird systematisch missachtet. Also ständiger Völkerrechtsbruch durch die USA! Meldungen über ähnlich häufige Kampfdrohneneinsätze Großbritanniens in Afghanistan finden kaum den Weg in die Öffentlichkeit. Über sie ist so gut wie nichts bekannt. So viel zur Praxis des Kampfdrohneneinsatzes. Und dazu sollen die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen haben und Ja sagen?
Das tun sie auch nicht. Eine repräsentative Meinungsumfrage des ARD-Deutschlandtrends, die Ende Januar durchgeführt wurde, belegt, dass 65 Prozent die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr ablehnen und nur 32 Prozent dafür sind.
Wohl auch angesichts dieses Gegenwinds entschloss sich die Bundesregierung Tempo raus zu nehmen und die Entscheidung über die Anschaffung von Kampfdrohnen auf die Zeit nach den Bundestagswahlen zu verschieben.
Dies eröffnet uns nun die Chance, eine noch breitere Bewegung dagegen zu mobilisieren. Die bundesweit getragene Kampagne gegen Kampfdrohnen hat einen guten Start. Innerhalb von sechs Tagen haben schon über 1.000 Bürgerinnen und Bürger online unterschrieben. Dabei ist sie noch gar nicht richtig angelaufen. Diese hohe Zahl von Unterschriften lässt darauf schließen, dass das Thema Kampfdrohnen einen Nerv trifft und dass die Leute hoffen, dass sie mit ihrer Unterschrift tatsächlich etwas bewirken.
Ich fordere euch auf, unterschreibt selbst den Appell, nehmt euch Listen mit zum Sammeln und gebt Listen an andere weiter. Informiert euch auf der Homepage der Kampagne: www.drohnen-kampagne.de.
Danke.
* Lühr Henken, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag. Rede vor dem Kanzleramt beim Berliner Ostermarsch am 30. März 2013.
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