Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Erfolgreicher Abschluß

Tausende bei Ostermärschen

Von Markus Bernhardt *

In verschiedenen Städten sind am Montag die traditionellen Ostermärsche der Friedensbewegung zu Ende gegangen. Insgesamt mehrere tausend Menschen hatten zuvor rund um die Osterfeiertage in mehr als 70 bundesdeutschen Städten gegen imperialistische Angriffskriege, atomare Aufrüstung, Rüstungsexporte und den Einsatz von Kampfdrohnen protestiert. Vielerorts wandten sich die Demonstrationsteilnehmer außerdem gegen die zunehmende Militarisierung der deutschen Innenpolitik und das gezielte Werben der Bundeswehr an Schulen, Universitäten und Jobcentern.

In ersten Stellungnahmen zogen die Organisatoren der Ostermärsche am Montag ein positives Resümee. So seien trotz äußerst widriger Witterung Tausende friedensbewegte Menschen auf die Straße gegangen und hätten für die Beendigung der Kriege mit friedlichen Mitteln und orientiert am Völkerrecht protestiert, so Willi van Ooyen, Sprecher der Infostelle Ostermarsch. Obwohl die Ostermärsche vom Gros der etablierten Medien in der Vergangenheit vielfach für politisch tot erklärt wurden, sieht van Ooyen die Aktivitäten der Friedensbewegung nach wie vor in der Bevölkerung verankert. »Für uns ist es eine Ermutigung, daß nach einer Umfrage der Illustrierten Stern 58 Prozent der Deutschen Ostermärsche auch heutzutage als sinnvoll bezeichnen. Die Mehrheit unserer Bevölkerung lehnt ohnehin die gegenwärtige Rüstungspolitik und die Kriegseinsätze ab, was hoffentlich nicht nur bei anstehenden Wahlen Wirkung zeigen wird«, konstatierte der Friedensaktivist.

Zu ähnlichen Schlußfolgerungen kam auch Peter Strutynski vom Bundesausschuß Friedensratschlag. Er verwies vor allem auf erfolgreiche regionale Proteste der Friedensbewegung, die sich im Rahmen der Ostermärsche beispielsweise gegen die Lagerung von Atomwaffen in Büchel, gegen den Bau eines Gefechtsübungszentrums in der Colbitz-Letzlinger Heide, in dem die Bundeswehr den Guerillakampf und den städtischen Nahkampf trainiert, sowie gegen die Produktion von Kampf- und Schützenpanzern für den Export nach Saudi-Arabien oder Indonesien (Kassel), richteten. Als besonderen »Renner« bezeichnete der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag am Montag außerdem die von der Friedensbewegung erst kürzlich gestartete Unterschriftensammlung unter den Appell »Keine Kampfdrohnen!«, in dem Bundesregierung und Bundestag aufgefordert werden, auf die Beschaffung bzw. Produktion von unbemannten bewaffneten Drohnen zu verzichten (jW berichtete). »Killerdrohnen werden nicht nur von der Friedensbewegung, sondern von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt«, sagte Strutynski.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 2. April 2013


Widerstand gegen Schießplatz und Militärstadt

Sachsen-Anhalt: Ostermärsche in Zeitz und Dolle gewannen an Zulauf

Von Susan Bonath**


Schulen statt Schießplätze!« lautete die Forderung auf einem Transparent. Auf einem anderen hieß es: »Wir brauchen keine Knallerei, die Zeiten der Besetzung sind vorbei!« Der Ostermarsch in der 30000-Einwohnerstadt Zeitz im Süden Sachsen-Anhalts stand zwar kaum im öffentlichen Blickfeld, war aber einer der größten in der Bundesrepublik: Bis zu 1000 Menschen demonstrierten dort am Montag gegen eine geplante Bundeswehrschießanlage.

Die Bürgerinitiative »Kein Schuß im Zeitzer Forst«, die den Marsch organisiert hatte, setzt sich seit Februar 2011 für eine zivile Nutzung des Waldgebietes an der südlichen Grenze Sachsen-Anhalts zum Nachbarland Thüringen ein. Damals war aus den Medien bekannt geworden, daß die Bundeswehr dort in unmittelbarer Nähe zu 10 Ortschaften und einem Waldspielplatz für über 10 Millionen Euro eine Schießanlage errichten will, der rund 7000 Quadratkilometer Wald zum Opfer fallen sollen. Tags, nachts und an den Wochenenden sollen dort Soldaten schießen üben, auch aus fahrenden Autos heraus. Seitdem nimmt das Militär das einstige Erholungsgebiet immer weiter in Beschlag. Auch am Montag durften die Demonstranten viele Waldwege nicht benutzen. Dieter Kmietczyk von der Initiative betonte, man werde »über Widersprüche bis hin zu Klagen alle Mittel ausschöpfen, um den Bau der Anlage zu verhindern«. Der linke Bundestagsabgeordnete Roland Claus verwies auf einen Erfolg in Brandenburg. Dort sei im Jahr 2010 ein Übungsplatz für Tiefflüge und Bombenabwürfe durch friedlichen Widerstand verhindert worden.

Auch im kleinen Ort Dolle in der Colbitz-Letzlinger Heide forderten mehr als 250 Menschen »Militär raus – Schnöggersburg gehört uns«. Im nahen Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark baut die Bundeswehr derzeit eine 6,5 Quadratkilometer große und mehr als 100 Millionen Euro teure komplette Stadt namens Schnöggersburg, wo NATO-Soldaten ab 2016 für Kriegseinsätze trainieren sollen. Dieser Ostermarsch war zugleich der 237. Friedensweg der Bürgerinitiative Offene Heide. An Holocaust-Gedenkstätte in Dolle, die an 67 KZ-Häftlinge erinnert, welche dort im Jahr 1945 nach ihrem »Todesmarsch« von den Nazis ermordet wurden, appellierte die 88-jährige KZ-Überlebende Esther Bejarano: »Das Wichtigste und Kostbarste bleibt der antifaschistische Widerstand«. Gemeinsam mit ihrem Sohn Joram Bejerano und dem Kölner Rapper Kutlu Yurtseven sang sie jüdische und antifaschistische Lieder. Ihr wichtigstes Anliegen sei es, junge Menschen über den damaligen und heutigen rechten Terror aufzuklären, sagte sie.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 3. April 2013


Drohnenpläne wecken Widerstand

Kampagne warnt vor Neuauflage nach der Bundestagswahl

Von Michael Schulze von Glaßer ***


Die Debatte um die Anschaffung von Kampfdrohnen durch die Bundeswehr wurde in diesem Jahr auch von den Ostermarschierern aufgenommen. Die Friedensdemonstranten fordern einen Verzicht auf die umstrittenen Waffensysteme und eine weltweite Ächtung.

Schon im August 2012 begann Verteidigungsminister Thomas de Maizière öffentlich für die Beschaffung bewaffneter Flugzeug- Drohnen für das deutsche Militär zu werben: »Ethisch ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten «, so der Minister damals. Er sehe keinen Unterschied zwischen bemannten und unbemannten Flugzeugen und daher auch kein Problem in der Anschaffung von aus der Ferne gesteuerten Kampfdrohnen, wie sie etwa die US-Armee schon lange einsetzt. Gegen de Maizières Vorhaben regte sich früh Protest, der nun auch zu einer organisierten Kampagne geführt hat.

Über 100 Verbände und Initiativen aus der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung richteten einen Appell an die Bundesregierung, keine bewaffneten Drohnen zu beschaffen, Forschung und Entwicklung in dem Bereich aufzugeben. Aus Regierungskreisen war zuletzt sogar zu hören, dass die Bundeswehr vorerst gar keine neuen Aufklärungs- und Kampfdrohnen beschaffen wolle. Der Erwerb liege aktuell auf Eis. Als »durchschaubares Wahlkampf-Manöver« bezeichnet dies Michael Haid von der an der »Drohnen- Kampagne« beteiligten »Informationsstelle Militarisierung« aus Tübingen. Die Bundesregierung wolle das Thema aus dem kommenden Bundestagswahlkampf heraushalten – danach werde es aber wohl wieder auf den Tisch kommen. Dies fürchtet auch Peter Strutynski vom »Bundesausschuss Friedensratschlag« aus Kassel: »Die Bundeswehr möchte diese Drohnen unbedingt haben, und die Bundesregierung ist bereit sie anzuschaffen.« Die neue Kampagne will dies verhindern: »Wir müssen das Drohnen- Thema breit in die Öffentlichkeit tragen und viele Unterschriften für unseren Appell sammeln«, so Strutynski. Für die Bundestagswahl sei es wichtig, Wahlprüfsteine aufzustellen, also jede Partei über ihre Position zu Kampfdrohnen zu befragen. Die »Drohnen-Kampagne« stehe erst am Anfang, man habe aber schon sehr viel Zustimmung erhalten.

Aber auch die hohen Anschaffungskosten der Fluggeräte bereiten der Bundesregierung Probleme. Schon jetzt hat im Testbetrieb befindliche Aufklärungsdrohne »Eurohawk« den deutschen Staat 600 Millionen Euro gekostet. Experten rechnen mit weiteren bis zu 500 Millionen Euro Mehrkosten, da es Sicherheitsbedenken bei der Zulassung für den deutschen Luftraum gibt.

*** Aus: neues deutschland, Dienstag, 2. April 2013


Empörung über Waffenexporte

Ostermärsche in mehr als 80 Orten bundesweit

Von Ines Wallrodt ****


Über die Ostertage schaffen es Orte wie Bruchköbel, Wedel oder Ellwangen überregional ins Bewusstsein. Denn auch in diesen wenig bekannten Ecken der Bundesrepublik sind Ostermärsche gegen Rüstungsexporte und Kriege geplant. Die Hochphase der Friedensbewegung mag 30 Jahre her sein, dennoch existieren bis heute in kleinsten Städten lokale Friedensinitiativen und regionale Friedensbündnisse. Über 80 Mahnwachen, Fahrradtouren, Spaziergänge und Demonstrationen weist der Kalender des Netzwerks Friedenskooperative für die Ostertage aus. Die ersten Veranstaltungen haben bereits stattgefunden. Der größte Teil konzentriert sich jedoch auf das Wochenende und den Ostermontag.

Im Mittelpunkt der Kritik stehen bei den Ostermärschen in diesem Jahr die massiven Waffenexporte Deutschlands. Die Bundesrepublik liefert selbst in Kriegs- und Krisenländer sowie an autoritäre Regime wie Saudi-Arabien. Die Empörung unter Friedensbewegten darüber ist groß. Waffenlieferungen wie an die Golfdiktatur seien »eine gewollte Unterstützung von Despoten und eine Kampfansage an die demokratischen Bewegungen in den arabischen Ländern«, kritisiert Manfred Stenner, Geschäftsführer der Friedenskooperative. Diese würden mit deutschen Panzern niedergeschlagen. Saudi-Arabien habe es im Nachbarstaat Bahrein vorgeführt.

Darüber hinaus protestieren die Ostermarschierer gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr von Afghanistan bis Mali und fordern statt dessen die zivile und politische Bearbeitung von Konflikten. Auf heftige Ablehnung stößt die geplante Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Einem Appell an die Bundesregierung haben sich innerhalb weniger Tage mehr als 80 Organisationen angeschlossen, auch jenseits der klassischen Friedensbewegung, darunter der Chaos Computer Club, die Naturfreunde sowie der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein.

Ostermärsche setzen vielerorts regionale Schwerpunkte und protestieren gegen markante Militäreinrichtungen wie das Drehkreuz Ramstein für die Kriegseinsätze der USA, die NATO-Kommandozentrale in Kalkar oder die in Büchel gelagerten US-Atomwaffen. Vor drei Jahren – am 26. März 2010 – hatte der Bundestag fraktionsübergreifend bekräftigt, den Abzug dieser Atombomben vorantreiben zu wollen. »Stattdessen wird nun die Betriebsdauer der Bomben sogar verlängert«, kritisieren Friedensgruppen die geplante Modernisierung und warnen: »Die Schwelle für ihren Einsatz würde sinken.« Das Bremer Friedensforum fühlt sich in seinem Aufruf zum samstäglichen Ostermarsch durch neue Informationen des Senats bestärkt. Bremische Häfen seien »Drehscheibe für Waffen und Munition«, habe eine parlamentarische Anfrage ans Licht gebracht. Jeden Tag würden dort 33 Tonnen »todbringender Fracht« für den Export verladen. Ein Grund mehr für die Friedensaktivisten, ein Zeichen gegen Rüstung und Krieg zu setzen.

Die voraussichtlich größte Demonstration wird am Ostermontag unter dem Motto »Friedenspolitik statt Kriegspolitik« gleichzeitig in Offenbach, Frankfurt am Main und Darmstadt starten, schätzt das Netzwerk Friedenskooperative. Die drei Züge werden sich zu einer zentralen Kundgebung auf dem Frankfurter Römerberg vereinigen. Mehrere Tausend Teilnehmer werden auch bei den Ostermärschen in München, Stuttgart und im Ruhrgebiet erwartet.

Politiker der Opposition äußerten sich zustimmend über die Aktionen. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Ostermärsche seien eine wichtige Tradition. Linken-Vorstand Wolfgang Gehrcke erklärte, »alle, die sich an den vielfältigen Demonstrationen zu Ostern beteiligen, tragen den Gedanken an eine friedfertige und global gerechte Welt in die Gesellschaft«. Seine Partei fordere auch zu Ostern, die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen zurückzuholen.

Eine skeptische Position zu den Ostermärschen formulierte der Marburger Konfliktforschers Johannes M. Becker. An den Aktionen würden Menschen vor allem zur Beruhigung des eigenen Gewissens teilnehmen, zitiert ihn die Nachrichtenagentur dpa. Sie seien vor allem für sich selbst dabei und nicht, um wirklich etwas zu bewegen. Denn den Teilnehmern sei bewusst: »Ostermärsche beeindrucken die Politik nicht.«

**** Aus: neues deutschland, Samstag, 30. März 2013


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