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Aktionskonsens der NATO-Gegner?

Friedensbewegung will verstärkt gegen Afghanistan-Krieg protestieren

Reiner Braun ist Geschäftsführer der »International Association of Lawyers Against Nuclear Arms« (IALANA).



ND: Im Umfeld des deutsch-französischen NATO-Gipfels im April dieses Jahres kam es in Straßburg zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Wurde dieses Thema im Rahmen der internationalen Konferenz »No to War - No to NATO«, die vom 16. bis 18. Oktober in Berlin stattfand, diskutiert und ein Konsens für zukünftige Aktionen festgelegt?

Braun: Wir haben uns auf der Konferenz ausführlich mit den Ereignissen in Straßburg beschäftigt. Die Gewalt ist im Wesentlichen von der deutschen und französischen Polizei ausgegangen. Die französische Regierung wollte keine Demonstration zulassen und die Polizei hat alles getan, um die Proteste zu verhindern. Hiermit soll jedoch nicht das unverantwortliche Verhalten einer Minderheit unter den Demonstranten entschuldigt werden.

Wir haben uns auf den Konsens geeinigt, dass Aktionen gewaltig, aber gewaltfrei bleiben sollen. Proteste werden in Zukunft besser vorbereitet ja trainiert und koordiniert werden, um diese Gewaltfreiheit zu gewährleisten.

Der UN-Sicherheitsrat hat das Mandat der ISAF-Truppen in Afghanistan im Oktober um zwölf Monate verlängert. Haben Sie sich dagegen auf der Konferenz auf eine langfristige Anti-NATO-Kampagne geeinigt?

Im Mittelpunkt der Afghanistan- Debatten stand die Erhöhung der Truppen. Sowohl Amerikaner als auch Briten und Deutsche werden mehr Soldaten entsenden. In Frankreich wird dieses Thema diskutiert.

Wir werden den geplanten Gipfel von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy zu Afghanistan im nächsten Jahr mit einem inhaltlichen Gegengipfel beantworten. Im Herbst 2010 ist ein weltweiter Aktionstag gegen den Krieg in Afghanistan unter dem Motto »No to War - No to Occupation« geplant. Schwerpunkte unserer Aufklärungs- und Delegitimierungskampagne zur Überwindung der NATO ist ein Aktionskonzept aus Demonstration, Kongress, Camp und zivilem Ungehorsam zum nächsten NATO-Gipfel in Portugal und erstmals eine Konferenz in Georgien gegen die NATO-Osterweiterung.

Sie sind Sprecher des International Coordinating Committee (ICC). Soll das ICC die Friedensbewegung international vernetzen?

Bei der Konferenz in Berlin waren über 90 Teilnehmer aus 17 Ländern anwesend, darunter erstmals Gäste aus Malaysia und Mexiko. So viele Teilnehmer hatten wir noch nie an einem Tisch. Im neuen Komitee arbeiten Vertreter aus den wichtigsten NATO-Staaten zusammen.

Barack Obama hat Pläne für das Raketenabwehrsystem in Osteuropa gekippt, zudem tritt der US-Präsident offiziell für eine atomwaffenfreie Welt ein. Andererseits wird der Krieg in Afghanistan fortgesetzt. Wie wurde die derzeitige US-Außenpolitik auf dem Kongress bewertet?

Zu diesem Thema bestanden sicherlich leicht divergierende Meinungen, aber wir haben einige Grundpositionen ausarbeiten können. Zunächst einmal messen wir Obamas Außenpolitik nicht an Worten, sondern an Taten. Worte sind zwar wichtig, weil sie ein neues Klima schaffen, aber sie können politische Taten keinesfalls ersetzen.

Anstelle des Radarsystems in Osteuropa wird derzeit ein mobiles Raketenabwehrsystem diskutiert. Dies ist für uns keineswegs die bessere Alternative. Im Bereich der Nuklearwaffen geht es bisher nur verbal in Richtung Atomwaffenfreiheit, real eher in Richtung Modernisierung. Außerdem wird unter der Regierung Barack Obama der größte Rüstungshaushalt in der Geschichte der Vereinigten Staaten abgewickelt.

Fragen: Aert van Riel
* Aus: Neues Deutschland, 21. Oktober 2009


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