Zum Tod von Wolfgang Kuhlmann
Anstelle eines Nachrufs: Laudatio von Erika Bosch anlässlich der Verleihung des Düsseldorfer Friedenspreises 2010 und die Dankesrede des Preisträgers
Im Januar 2012 starb völlig unerwartet Wolfgang Kuhlmann im 61. Lebensjahr. Anstelle eines Nachrufs dokumentieren wir an dieser Stelle die Laudatio anlässlich der Verleihung des Düsseldorfer Friedenspreises 2010 an den Verstorbenen sowie die Dankesrede des Preisträgers.
Laudatio
Wenn es nach "ihm" gegangen wäre, stünde "er" nicht hier. "Er" wollte sich nämlich nach allen Regeln der Kunst
drücken vor dem Preis. Aber dann haben "wir" uns gesagt: "So nicht, lieber Wolfgang, und Ehre, wem Ehre
gebührt!' und haben mit List und Tücke, aber auch Überredungskünsten Dich hier aufs Podest hieven können.
Lieber Wolfgang Kuhlmann, wir ehren heute auch Deine Bescheidenheit, auch Dein Dich Zurück-halten-wollen,
aber vor allen Dingen: Deine Arbeit in der Stille gegen die laute, kriegerische, korrupte, umweltzerstörende und
um sich bombende Welt.
Du bist vor 59 Jahren in Ostwestfalen geboren worden. Eigentlich wird dieser Bevölkerungsgruppe jeglicher
Humor abgesprochen. Eigentlich. Dich jedoch erleben wir ganz anders. Mit feinem Humor, einer unglaublich
beißenden Ironie, dann aber auch wieder mit Sarkasmus par excellence stellst Du uns so gut wie jeden Morgen in
einer drei- bis vierstündigen Arbeit im Newsletter Deiner FriedensTreiberAgentur, kurz FTA, eine
Zusammenfassung von Weltnachrichten über Krieg und Frieden zur Verfügung, die ihresgleichen sucht, weil sie
so umfangreich und aktuell ist.
Dein vor nunmehr 12 Jahren geborener Newsletter, von dem bisher über 2.500 Ausgaben erschienen sind, wird
mittlerweile sogar von außereuropäischen Fans abonniert.
Aber es ist nicht nur die Quantität, die beeindruckt, sondem vor allen Dingen die Qualität.
Die, die Deine Nachrichten lesen, wissen das zu schätzen, und diejenigen, die ihn noch abonnieren werden,
können ganz gespannt sein und sich darauf freuen.
Das alles schreibst Du, ehe der Hahn kräht. Zu der Zeit, lieber Wolfgang, als Du noch als Jurist bei der
Stadtsparkasse tätig warst und Dein Dienst morgens um 8.30 Uhr begann, klingelte Dein Wecker oft schon gegen
4 Uhr in der Frühe, damit Du uns noch vor Dienstbeginn mit der Wahrheit versorgen konntest.
Du nimmst sie Dir alle vor: die Kriegsherren von Bush über Ahmadinedschad bis hin zu Schröder, von Saddam
Hussein bis Osama bin Laden, die Möchtegern - Kriegsherrin Angela Merkel, die, wäre sie 2003 an der Macht
gewesen, uns auch noch eine aktive Beteiligung am völkerrechtswidrigen Irakkrieg beschert hätte, die Kissingers
dieser Welt, die Berlusconis, die Westerwelles, aber auch die frisch gewaschenen Geißlers, kurz: die
Unglaubwürdigen und alle die, die diese Welt in Trümmer legen, die sich Bereichernden, die Machtversessenen,
der erbärmliche Teil derer, die sich anmaßen, über Tod oder Leben bestimmen zu können.
Afghanistan. Oder noch besser der Begriff, den Peter Bürger vorschlug: AfghanistanVietnam. Ein zerschundenes
Land. Menschen im Elend. Immer mehr Soldaten. Immer mehr Zerstörung. Immer mehr Bomben. Kein Ende in
Sicht. Auf den Schauplätzen dieses Versagens dieser "humanitären Intervention", wie dieser Krieg vernebelnd
genannt wird, entsteht immer mehr Hass auf diese so genannte ach so zivilisierte Welt, entsteht immer mehr Wut
darüber, was wir dieser armen Bevölkerung und dem ohnehin schon am Boden liegenden Land antun.
Das, was über Afghanistan-Vietnam in der normalen Presselandschaft, von den Boulevardzeitungen bis hin zu den
sich wichtig nennenden Zeitungen, veröffentlicht wird, entspricht selten dem, was dort in diesem Krieg und in
überhaupt allen Kriegen wirklich geschieht: es geht niemals um Menschenrechte, niemals um Freiheit. Niemals
sind die, die Krieg führen, nur die Guten. In Kriegen geht es immer um etwas, sei es Macht, sei es Geostrategie,
seien es Bodenschätze. Wer das immer noch bestreitet, der soll am Beispiel Ruandas bitte mal erklären, wo die
Völkergemeinschaft war, als 1994 selbst beim offensichtlichen Völkermord eine Million Angehörige des Tutsi-
Volkes vom Hutu-Stamm ermordet wurde. Da ist keinerlei Hilfeleistung gekommen. Es war halt uninteressant für
die Staaten, die dort militärisch mit geringem Aufwand Hunderttausende hätten retten können.
Wenn wir Deine Nachrichten nicht hätten, lieber Wolfgang, wären wir alle dumm geblieben und glaubten weiter,
dass in Afghanistan-Vietnam Krieg ist, weil die Frauen dort nicht zur Schule gehen dürfen, weil sie eine Burka
tragen müssen, oder weil sie keine Brunnen haben? Oder etwa, weil Afghanistan USA überfallen hat und wir uns
vor diesem unberechenbaren, hochgerüsteten Land verteidigen müssen?
Aktuell auch ganz nett, dass Minister zu Guttenberg den Soldatenberuf attraktiver machen möchte. Interessant!
Wie will er das machen? Werden die Leichen geschminkt, die von den Soldaten getötet worden sind? Wird nichts
mehr veröffentlicht, wenn sogenannte Kollateralschäden bei Hochzeitsgesellschallen und Lastwagen -
Bombardierungen entstehen? Wie kann er das Töten attraktiver machen? Sehr unverständlich. Fakt ist, dass
Soldaten hauptsächlich fürs Töten da sind. Was wird denn den jungen Menschen erzählt, denen vor Diskotheken,
vor Arbeitsämtern und sogar vor und in Schulen aufgelauert wird, um sie zu diesem blutigen Handwerk zu
locken? Attraktiv allein ist das Gehalt. So erhält ein Soldat für einen Auslandeinsatz nach drei Monaten soviel, wie
ein kleiner Mittelklassewagen kosten würde. Und allein damit werden sie verblendet und eingefangen.
Waffenexporte. Da habe ich in Deinem Newsletter, lieber Wolfgang, die aktuellen Zahlen und Informationen
gelesen. Schwindelerregend. Immerhin gibt es eine Bronzemedaille für Deutschland, weil wir hinter USA und
Russland den dritten Platz für Rüstungsexporte belegen. "Wir Deutschen sind halt wieder wer!" kommt es mir
bitter in den Sinn. Und nein, darauf können wir nicht stolz sein. Du verbreitest, Wolfgang, in Deinem Newsletter
Nachrichten, die häufig unter den Tisch fallen würden, und vermittelst uns dadurch ein ganzheitliches Bild über
die Vorgänge auf dieser Welt. Und wir werden differenziert und umfassend informiert - nicht nur zwischen den
Zeilen.
Außerdem muss noch erwähnt werden, dass Du ein Allwissender bist, ein Berater für fast jede politische Frage.
Du kommst mir oft wie ein wandelndes Lexikon vor. Wie oft habe ich Dich schon angerufen oder angeschrieben,
wenn mir etwas unklar war. Wann immer Ihr also im Dunkeln tappt Nicht verzagen - Wolfgang fragen!
Und dafür gibt es: die „Goldmedaille"! bzw. - noch besser - den Düsseldorfer Friedenspreis 2010. Wir hoffen, dass
Du auch weiterhin kein Blatt vor den Mund bzw. vor Deine Tastatur halten wirst, und bei bester Gesundheit, die
wir Dir und Deiner lieben Frau Bärbel von ganzem Herzen wünschen, uns mit Deinen Ausblicken aufs
Durchblicken versorgen wirst.
Nach Manja Aschmoneit, Hanna Jaskolski, Barbara Gladysch, Inge Holzinger, Bruder Matthäus, Hubert Ostendorf,
Willi Hoffmeister und Stay!, die den Preis in den vergangenen Jahren erhielten, ist es mir eine große Ehre, Dir im
Namen der Düsseldorfer Friedensbewegung unseren Dank für Deine Arbeit, Deine Zeit und für Deine Mühe, für
Deine Beharrlichkeit und Deine Ausdauer zu übermitteln.
Abschließend wünschen wir uns von Dir recht bald einen ganz besonderen Newsletter, der folgenden Inhalt
haben wird:
Gegen Mitternacht haben 511 Abgeordnete und über 2500 Lobbyisten Deutschland mit unbekanntem
Ziel fluchtartig verlassen. Grund für diese Massenflucht ist die Regierungsübernahme von unbestechlichen,
ehrlichen, friedlichen und intelligenten Menschen aus Nichtregierungsorganisationen und der bisherigen
Politikerlnnen aus der alten Regierung, die integer sind. Wegen der überwältigenden Ablehnung des Krieges in
Afghanistan-Vietnam hat sich die neue Bundesregierung zu folgender
Sofortmaßnahme entschlossen: Bundeswehr raus auf Afghanistan!
Erika Bosch
Düsseldorf, am 3.April 2010
Wer den Krieg sät, wird den Tod ernten
Von Wolfgang Kuhlmann
Rede anlässlich der Verleihung des Düsseldorfer Friedenspreises 2010
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!
Liebe Erika!
DANKE!
Vielen Dank Dir, liebe Erika, für die wundervolle Rede.
Danach fühle ich mich gleich wie ein viel besserer
Mensch.
Vielen Dank dem Friedenspreis–Komitee, welches den
Beitrag der FriedensTreiberAgentur für die Friedensbewegung
mit der Preisverleihung würdigt.
Danke den vielen Menschen, die der FriedensTreiber-
Agentur all die Jahre mit Kritik und Anregungen zur
Seite standen und stehen.
Und dankeschön auch Euch, die Ihr bei diesem Wetter
auf dem Platz ausharrt.
Meine Frau wollte nicht erwähnt werden. So kann sie
leider hier keinen Dank erhalten, obwohl sie ihn verdient
hat.
Ebenfalls kein Dankeschön an unseren Hund Felix, der
die morgendliche Tipperei oft genug mit Lautmalereien
begleitet. Er würde sich dadurch nur bestärkt fühlen.
Und das muss man nicht wirklich haben, wenn man sich
konzentrieren will.
Aber im Ernst und zurück zum Preis, der mir sehr wertvoll
ist: Die Schuhe, die mir hier die Düsseldorfer Friedensbewegung
hingestellt hat, sind eine ganze Nummer zu groß. Ich werde aber versuchen, in diese Schuhe hinein zu wachsen. Drückt mir bitte die Daumen dafür!
Nur einfach Dank zu sagen, ist mir nicht genug. Darum ein paar Worte zu Medien, Krieg und Lügen. Dieser Teil ist heute morgen aus aktuellem Anlass noch umgeschrieben worden.
Kriege werden durch Lügen eingeleitet. Anders geht es
nicht. Es gibt keine Wahrheit, mit der sich ein Massen
Abschlachten begründen lässt.
Diesen Lügen ist eines gemeinsam: Mit ihnen haben unsere Kriegsherren Millionen von Menschen in Kriege geführt und Zehntausenden Tod,
Folter und Verstümmelung, Entführung und Einkerkerung
in Geheimgefängnissen gebracht.
Doch Wahrheit lässt sich nie ganz verstecken. Irgendwo
lugt sie immer zwischen den Zeilen hervor. Auch in den
Mainstream–Medien, auch in den Flaggschiffen des
bürgerlichen Journalismus.
Eine kleine Wahrheit lugte gestern auch aus der Tagesschau,
in der Meldung über den Tod dreier Bundeswehrsoldaten
im Afghanistan-Krieg. In Berlin herrschte
daraufhin staatliche Schlagworttrauer. Und sie wird
geprägt von einer Lüge.
Zitat Tagesschau: „Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte
bestürzt. Es handele sich um einen ‚verabscheuungswürdigen
und hinterhältigen Angriff‘". Steinmeier ähnlich: „feige und hinterhältig“. Entwicklungsminister Niebel: „schändlich“.
Das sind die Lügen der Krieg Führenden. Dazu gemacht,
uns aufzuputschen für Krieg und Besatzung.
Doch die Tagesschau meldet ein paar Sätze weiter auch
die Wahrheit: Sie starben bei „schweren Gefechten“ –
ein gewöhnlicher tödlicher Arbeitsunfall bei gefahrgeneigter
Arbeit also, um es einmal ganz trocken arbeitsrechtlich
zu formulieren.
Das mag sich für einige eiskalt anhören. Doch die Kanzlerin
und diese Politiker sind noch viel, viel kälter als Eis. Wenn die Kanzlerin tatsächlich Mitleid hätte mit den Afghanen und mit den Soldaten, die sie in diesen Krieg schickt - dann würde sie sie zurück holen. Sie würde sich für eine sofortige Beendigung von Krieg und Besatzung einsetzen, für einen bedingungslosen Rückzug. Wie wir.
So jedenfalls lässt sich nur feststellen: sie hat mit ihrer
Politik wieder drei Menschen auf dem Gewissen. Es sind
ihre Toten, genau wie die des Tankwagen-Massakers.
Sie trägt die politische Schuld für Krieg und Besatzung,
für Tod.
Jeder einzelne Kriegstote, gleich welcher Nationalität, ist
einer zu viel.
Für meinen Geschmack ist Merkel aus vielerlei Gründen
fehl am Platze. Dieser Umgang mit dem Krieg ist einer
davon.
Apropos: „feige“, „verabscheuungswürdig“, „schändlich“
und „hinterhältig“. Diese Worte zu gebrauchen fiel diesen Politikern nicht ein, als auf deutschen Anruf hin bei dem Tankwagen-
Massaker Dutzende von unbewaffneten Zivilisten –
Unbewaffnete! - aus großer Höhe zu Staub zerbombt
wurden.
Ich habe gelernt: Kanzlerin und andere Kriegspolitiker
gehen ohne tatsächlich empfundenes Mitleid mit toten
Menschen um, wenn es die “falschen“ sind.
Meine persönliche Schlussfolgerung aus dem Kriegsgeschehen:
Kanzlerin des Krieges: abtreten!
Bundeswehrabzug aus Afghanistan: sofort!
Wegen der Aktualisierung entfällt ein weiterer Teil meiner
Rede. Er bezog sich auf das Thema Bundeswehr
und Schule.
Wen es interessiert: er ist wie auch dieser Text noch am
Stand der FriedenstreiberAgentur als Flugblatt zu erhalten.
Es endet mit dem Satz:
Krieg ist kein Planspiel für Schulen, Krieg ist ein Verbrechen.
Ende der Ansage.
Ich danke Euch für die Geduld bei diesem langen Beitrag.
Wegen Aktualisierung zu den toten Bundeswehrsoldaten
in Afghanistan ist der nachfolgende Teil der Rede – zum
Thema Bundeswehr und Schule“ – entfallen:
Eine der Forderungen des diesjährigen Ostermarsches
lautet: „Bundeswehr raus aus Schulen und
Arbeitsämtern!“
Dieser Tage hatte der in Berlin erscheinende Tagesspiegel
eine Umfrage mit der Möglichkeit der Kommentierung,
ob für die Bundeswehr an Schulen ein Werbeverbot
gelten solle.
Dazu ein knapper Leserbrief des FriedensTreibers an
den Tagesspiegel:
Bundeswehr an Schulen – Eine Horror–
Vorstellung!
Wenn ich mir die Geschichte der Bundeswehr
anschaue,-
an die Beteiligung im völkerrechtswidrigen
Krieg gegen Jugoslawien denke ...
- an die berüchtigte "Duldung" (so das
Bundesverwaltungsgericht!) des ebenso
völkerrechtswidrigen Irak–Krieges
unter Nutzung unseres Territoriums
denke ...
- an die Beteiligung in Afghanistan an
Krieg und Besatzung (nur fadenscheinig
von der UN abgesegnet) denke ...
... dann denke ich beim Thema "Bundeswehr
an Schulen" vor allem an einen Horror–Film,
der den Titel tragen könnte:
„Junges Blut einsaugen - Bundeswehr als Kinder-Vampir“
Schülerinnen und Schüler dürfen nicht in Richtung
Kriegshandwerk manipuliert werden. Schulen sind ein Ort des Lebens, haben schon mit der Gewalt von Schüler/innen zu kämpfen.
Noch mehr Anreize für Gewalt – für sogar legitimierbare und tödliche Gewalt – sind mehr als fehl am Platze. Der Weg muß in Richtung
der Vermeidung und Ächtung von Gewalt und
Töten beschritten werden.
Der Soldatenberuf hingegen beseitigt letzte
Hemmschwellen zum Töten: EasyKilling – mit
Bomben aus großer Höhe, mit Flugzeug–Drohnen. Den zerfetzten Körper des „Feindes“ sieht man nicht mehr. Allenfalls eine kleine
Staubwolke am Boden. Das war ein Mensch.
Krieg ist kein Planspiel für Schulen, Krieg ist ein Verbrechen.
Düsseldorf, 04. April 2010
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