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"Größte Aktion der Friedensbewegung"

Gegen innere Aufrüstung und für zivilen Ungehorsam. Ein Gespräch mit Willi Hoffmeister


Willi Hoffmeister ist Sprecher des »Ostermarsches Rhein-Ruhr«

Sie feiern am kommenden Montag Ihren 80. Geburtstag und engagieren sich mittlerweile seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung. Was sind Ihre Wünsche anläßlich Ihres Ehrentages und dem kurz darauf folgendem Ostermarsch Rhein-Ruhr, den Sie stets an führender Stelle mitorganisieren?

Ich habe nur den einen Wunsch, nämlich daß die Mehrzahl der Menschen sich nicht nur gegen Krieg ausspricht, sondern aktiv eintritt für eine Welt ohne Rüstung, Haß und Gewalt. Dazu gehört die Beseitigung von Konfliktursachen – kurz gesagt: die Ausbeutung von Arm durch Reich. Die Ostermärsche als die jährlich in der Fläche größte und umfassendste Aktion der Friedensbewegung sind dazu ein sehr guter Anlaß.

Im diesjährigen Ostermarsch-Aufruf wird die zunehmende Militarisierung der bundesdeutschen Innenpolitik kritisiert. So kam es – wie etwa bei den antifaschistischen Protesten in Dresden oder denen gegen den Castor-Transport – immer häufiger zum Einsatz unbemannter Überwachungsdrohnen gegen Demonstranten. Ist diese Entwicklung überhaupt noch aufzuhalten?

Nicht zuletzt 2007 in Heiligendamm war beim Protest gegen den G-8-Gipfel die innere Militarisierung mit dem Einsatz der Bundeswehr-Tornados konkret zu erleben. Die zivil-militärische Zusammenarbeit in den Kommunen ist ein weiteres Zeichen. Unbemannte Flugobjekte wie Drohnen sind nicht nur den Betreibern der inneren Militarisierung und Überwachung hochwillkommen, braucht doch kein Pilot für sein Tun überzeugt zu werden. Kampfdrohnen senken die Schwelle für weitere Angriffskriege erheblich. Eine Ächtung dieser Killerroboter ist schnell und dringend erforderlich, bevor eine neue Rüstungsspirale Raum greift.

Trotz dieser technischen Weiterentwicklung des mörderischen Kriegswerkzeuges wirbt die Bundeswehr infolge der Aussetzung der Wehrpflicht massiv um Nachwuchs. Droht in der Bundesrepublik eine ähnliche Entwicklung wie in den USA, wo sozial Deklassierte kaum andere Möglichkeiten sehen, als zum Militär zu gehen?

Ja. Mit massiven Werbeeinsätzen versuchen Jugendoffiziere nicht zuletzt in den Schulen, jungen Menschen ein »normales« Berufsbild Bundeswehr vorzugaukeln. Schulministerien von Landesregierungen haben entsprechende Kooperationsabkommen mit der Bundeswehr dazu abgeschlossen. Selbige entledigen sich so ihrer eigenen Verpflichtung für eine gute zivile Ausbildung junger Menschen. Wohlwissend, daß Soldatsein das Töten und getötetwerden in sich birgt.

Die Jugendbewegung »Schule ohne Bundeswehr« kämpft für eine antimilitaristische Friedenserziehung an den Schulen und für eine Aufkündigung der Kooperationsabkommen.

Die Friedensbewegung wird Jahr für Jahr medial für politisch tot erklärt. In der Realität jedoch engagieren sich wieder mehr junge Leute verstärkt gegen imperialistische Kriege und Militarisierung…

Die Mär von der toten Friedensbewegung kommt vorwiegend aus den Kreisen, die sie gerne tot sehen möchten. Meine Erfahrung ist, daß sich gerade auch junge Menschen engagieren. Ob an den Hochschulen die Bewegung für eine »Zivilklausel« gegen Rüstungsforschung, oder bei der »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel« und nicht zuletzt bei der von mir schon angeführten Bewegung »Schule ohne Bundeswehr«.

Daß dies alles noch nicht ausreicht, um den Kriegstreibern das Handwerk zu legen, kann man täglich erleben. Aber jede einzelne Aktivität allein ist schon ein Sandkorn im Getriebe einer übermächtig erscheinenden Militärindustrie. Mittlerweile finden auch ziviler Ungehorsam und Blockaden bei Protestaktionen gegen Krieg und vor Militärstandorten größeren Zuspruch. Die Friedensbewegung insgesamt wird sich auf solch weitergehende friedliche Aktionsformen verständigen müssen. Wie sehr das Ringen um eine friedliche, solidarische Zukunft erfolgreich sein wird, hängt nicht zuletzt auch von einer umfassenden Vernetzung der einzelnen Bewegungen ab.

Der wieder neu ins Leben gerufene Arbeitskreis »Rüstungskonversion« beispielsweise möchte dazu beitragen, daß sich auch gerade die in der Rüstungsindustrie Beschäftigten mit dem Sinn und Zweck ihrer Arbeit auseinandersetzen. Daß dazu der Standpunkt der Gewerkschaften eine große Rolle spielt – wer möchte es bezweifeln?

Interview: Markus Bernhardt

* Aus: junge Welt, Samstag, 23. März 2013


Absage an Kriegspolitik

Rund um Ostern mobilisiert die Friedensbewegung traditionell zu Protesten gegen Krieg und Militarisierung im In- und Ausland. Tausende Teilnehmer erwartet Von Markus Bernhardt *

Mit einer Demonstration unter dem Motto »80 Jahre ›Tag von Potsdam‹ – Für eine Welt ohne Krieg, Militarismus und Faschismus« startet bereits am Sonnabend (14 Uhr, Brandenburger Tor, Potsdam) in der brandenburgischen Landeshauptstadt die diesjährige Ostermarschsaison. In insgesamt mehr als 70 bundesdeutschen Städten werden rund um die Ostertage Tausende Menschen im Rahmen der traditionellen Ostermärsche ein Zeichen gegen die aggressive Kriegspolitik Deutschlands, der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten setzen.

Ihren Ursprung haben die jährlich stattfindenden Demonstrationen und Mahnwachen der Friedensbewegung in den 1950er Jahren. So hatte sich der damalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) 1957 im Rahmen der Debatte um eine Wiederbewaffnung der BRD für ein Zugriffsrecht auf Atomwaffen ausgesprochen, was von der breiten Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung abgelehnt wurde. Gegen die Politik des Adenauer-Regimes formierte sich breiter Widerstand, der von Kommunisten bis hin zu Sozialdemokraten und Kirchenvertretern reichte. So nahmen 1958 bundesweit mehr als 120000 Gegner von deutscher Wiederbewaffnung, Krieg und Atomwaffen an den Protesten teil. Seit dem wuchs die Zahl der Menschen, die an Aktionen der Friedensbewegung teilnahmen, kontinuierlich an.

Ihren Höhepunkt erreichte die Bewegung Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre im Kampf gegen den »NATO-Doppelbeschluß«, der vorsah Kurz- und Mittelstrecken-Atomwaffen in der BRD zu stationieren. So nahmen 1983 mehr als 700000 Kriegsgegner an den Großdemonstrationen gegen die Aufrüstung teil. Mit der Einverleibung der sozialistischen DDR und der damit einsetzenden Sinnkrise der politischen Linken, nahmen auch die Teilnehmerzahlen bei den Ostermärschen ab. Jedoch gelang es der Friedensbewegung trotzdem immer wieder – beispielsweise bei den Berliner Protesten gegen den Angriffskrieg gegen den Irak, an denen sich mehr als 100000 Kriegsgegner beteiligten, große Erfolge zu organisieren. In den letzten Jahren ist zudem zu beobachten, daß wieder mehr junge Antimilitaristen und Gegner imperialistischer Kriegspolitik auf die Straße gehen. Dieser Entwicklung wurde auch die vielerorts überalterte Friedensbewegung gerecht, indem sie zunehmend Themen aufgriff, die für Schüler und Studenten von Bedeutung sind.

So richten sich die Proteste auch in diesem Jahr gegen Auftritte der Bundeswehr an Schulen und Universiäten und wird die zunehmende Militarisierung der bundesdeutschen Innenpolitik angeprangert. So startet in diesem Jahr gleichzeitig zu den Ostermärschen eine bundesweite Kampagne, die sich gegen den Einsatz von Kampfdrohnen in der BRD wendet.

Noch vor dem offiziellen Kampagnenbeginn haben sich bereits jetzt über 85 Antikriegsorganisationen, Bürgerrechtsgruppen und linke Zusammenschlüsse einem entsprechenden Appell angeschlossen, gab Laura von Wimmersperg, eine der langjährigen Organisatorinnen des Berliner Ostermarsches, am Donnerstag im Gespräch mit junge Welt bekannt. Die Friedensaktivistin warnte außerdem davor, den Drohneneinsatz zu unterschätzen. So würde durch deren Einsatz im Ausland »eine neue Qualität des Krieges erreicht«. Es gehe dabei keineswegs nur um »leistungsfähigere Waffen«, sondern vielmehr darum, »Menschen hinterrücks ermorden zu können«, so von Wimmersperg weiter.

* Aus: junge Welt, Samstag, 23. März 2013


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