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Pazifisten stören Casting

Demonstration vor dem "La Strada" sprengte Statistensuche für US-Armee

Von Jan Baetz *

Kassel. Abrupt ist Donnerstagmorgen das Statisten-Casting für die US-Armee zu Ende gegangen. Etwa zehn Friedensaktivisten hatten vor dem Hotel La Strada gegen die Veranstaltung der Sicherheitsfirma SST demonstriert, die Zivilisten für Einsatzübungen der Soldaten sucht.

Nach etwa 45 Minuten entschied sich die Hotelleitung dafür, die Anwerbungsveranstaltung in ihren Räumen abzubrechen.

Mit einem Megafon, Flugblättern und einer gespielten Hetzjagd mit einer Spielzeugwaffe und Kunstblut hatten die Demonstranten des Kasseler Friedensforums und der AG Antimilitarismus Aufmerksamkeit erregt. Ihrer Ansicht nach unterstützt das Statisten-Casting einen völkerrechtswidrigen Krieg. Für Peter Strutynski vom Friedensforum handelt es sich um die Anwerbung zu einem "quasi militärischen Lehrgang".

Diplom-Sozialpädagoge Thomas Aleschewsky wollte seine Vorbehalte prüfen. "Ich möchte sehen, ob ich mir zutraue, in einer Militäranlage zu leben", sagt der 51-Jährige. Er war auch neugierig, wie kritisch die teilnehmenden Afghanen sind. Mit den Protesten vor dem Hotel hatte er nicht gerechnet.

Casting-Leiter Randy Spillmann kann die Aufregung nicht verstehen. Er habe die Demonstranten sogar eingeladen, an der öffentlichen Veranstaltung mit etwa 70 Interessenten teilzunehmen. Dies hätten sie aber abgelehnt.

Die afghanischen und deutschen Statisten seien Teil eines "interkulturellen Trainings", um US-amerikanische und andere Nato-Soldaten im Einsatz für andere Kulturen zu sensibilisieren. Dies solle helfen, Konflikte auf beiden Seiten zu vermeiden. Dass es eine weitere Statistensuche in der Fuldastadt geben wird, hält Spillmann nun für unwahrscheinlich.

Zwar hatte das Team um Randy Spillmann den zweiten Anmeldungstermin abgesagt. Im Foyer fanden sich am Nachmittag aber dennoch Mitarbeiter der SST, die Umschläge mit den Bewerbungsunterlagen verteilten.

"Wir hatten keine Ahnung, dass das so hohe Wellen schlägt", erklärt Constanze Schmidt, Leiterin des Tagungsbüros im La Strada. Der Abbruch der Veranstaltung am Morgen und die bloße Verteilung der Bewerbungsunterlagen am Nachmittag sei die beste Lösung für das Hotel und die Gäste gewesen.

Insgesamt hätten sich 35 Afghanen und 79 Deutsche für die Teilnahme beworben, teilte Spillmann am Ende der Bewerbungsphase mit. SST verfüge über einen Pool von etwa 9000 Statisten.

"Rotations" werden die Manöver genannt, bei denen die Zivilisten über fünf Tage bis zu einem Monat in künstlichen Dörfern auf Stützpunkten Polizeibeamte, Bürgermeister, Handwerker und Passanten mimen.

Aus: Hessisch-Niedersächsische Allgemeine (HNA), 16. Oktober 2009


Frau stirbt im Truppenübungsplatz

Laut Polizei natürliche Todesursache

Hohenfels. (ll) Tot aufgefunden wurde am Montag auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels eine deutsche Angestellte der für die US-Armee tätigen Dienstleistungs-Vertragsgesellschaft Supply and Service Team (SST). Laut Pressemitteilung der US-Armee ging gegen 19.30 Uhr die telefonische Meldung ein, dass man eine ohnmächtige Frau entdeckt habe. Deutsche Rettungskräfte versuchten im Verein mit medizinischem Personal der Armee die Frau wiederzubeleben - ohne Erfolg. Um 20.30 Uhr wurde sie vor Ort für tot erklärt.

Die Polizei stellte eine natürliche Todesursache fest. Das bestätigte die Firma SST gegenüber unserer Zeitung: "Es war kein Unfall." Persönliche Angaben dürfe man auf Wunsch der Familie nicht weitergeben. Die ältere Angestellte stamme allerdings nicht aus dem Landkreis Amberg-Sulzbach. "Unser aufrichtiges Beileid gilt der Familie und den Freunden der Verstorbenen," sagte Oberst Charles A. Preysler, Kommandeur des Joint Multinational Readiness Center.

Quelle: DER NEUE TAG - Oberpfaelzischer Kurier, online, 4. Februar 2009; www.oberpfalznetz.de




Jähes Ende für ein Kriegs-Casting

Die US-Armee suchte in Kassel Statisten für die Ausbildung ihrer Truppen

Von Michael Schulze v. Glaßer, Kassel **


Nach einer spektakulären Protestaktion in Kassel musste ein Statisten-Casting für die US-Armee schließlich abgebrochen werden.

Blutüberströmt brachen am Donnerstag einige Jugendliche vor dem »Grand Hotel La Strada« im nordhessischen Kassel zusammen. Zuvor waren sie von einem bewaffneten Militär über die Straße gejagt worden. Eine Szene wie im Krieg. Zum Glück nur eine Protest-Aktion.

Rund ein Dutzend Friedensaktivisten demonstrierte mit der Aktion gegen ein in dem Hotel stattfindendes Casting. Die »Supply and Service Team GmbH« – kurz SST – suchte arabisch aussehende Menschen, die auch die arabische Sprache beherrschen. Publik machte das Unternehmen das Casting über große Anzeigen in den lokalen Medien. Hohenfels, der von SST in der Anzeige angegebene Arbeitsort, liegt direkt neben einem der größten Militärübungsplätze Deutschlands – Auftraggeber des Castings ist die US-Army.

Arabische Siedlungen

Diese hat auf dem bayerischen Übungsgelände in den letzten Jahren gleich mehrere kleine Siedlungen arabischen Baustils errichtet. Dort üben die US-Soldaten für den Irak- und Afghanistan-Krieg etwa den Häuserkampf und die Erstürmung von Wohnungen. Der Kampf in den Bergen wird mit einem künstlichen Tunnelsystem geübt, die Durchführung von Konvoi-Fahrten auf einem Autobahnteilstück in dem großen Militärareal südöstlich Nürnbergs. Um die Szenarien so realistisch wie möglich zu gestalten, benötigen die Militärs auf ihren Übungsplätzen Statisten – auch um US-Soldaten für den Einsatz in Irak auszubilden.

»Wer für die SST GmbH und somit für die US-Army arbeitet, hilft bei der Führung eines klar völkerrechtswidrigen Kriegs mit«, erklärte der Anmelder der Proteste, Thorsten Endlein. Gemeinsam mit den anderen Demonstranten verteilte er am Donnerstag Flugblätter vor dem Hotel. Die spektakuläre Verfolgungsjagd war der Höhepunkt des Protestes: die Waffen waren Spielzeug-Pistolen, die rote Farbe auf der Straße und auf der Kleidung der Verfolgten nur Theaterblut. Mit der Aktion wollten die Friedensaktivisten vor allem die Teilnehmer des Castings daran erinnern, was sie mit der Arbeit als Statist bei der US-Army unterstützen würden. »In Deutschland üben die Soldaten den Krieg, das Blut wird dann in Irak und in Afghanistan vergossen«, so Endlein. Geld dürfe nicht das ausschlaggebende Kriterium für die Annahme der Statistenrolle sein. Die Aktion dauerte noch nicht lange, da kam eine aufgeregte Mitarbeiterin des »Grand Hotel La Strada« zu den Demonstranten: »Wir haben dem Veranstalter gekündigt«, so die Mitteilung. Die Hotel-Leitung fürchtete wohl einen Image-Verlust. Eine schriftliche Bestätigung wollte die Angestellte aber nicht ausstellen, und so wurde zunächst weiter demonstriert.

Entnervte Veranstalter

Erst als die SST-Mitarbeiter genervt aus dem Hotel kamen und die Friedensaktivisten zur Rede stellten, bestätigte sich der Abbruch der Veranstaltung. Wenig später kamen die ersten Teilnehmer des Castings aus dem Hotel. »Damit haben wir nicht gerechnet«, freute sich Thorsten Endlein. Seines Wissens gab es bisher noch keine Aktion gegen solch ein Casting. Die SST-Mitarbeiter waren über die Aktion natürlich nicht erfreut. Ihrer Meinung nach würden die Statisten zum interkulturellen Training der US-Soldaten beitragen und damit gerade bei der Vermeidung ziviler Opfer helfen. Doch die Teilnehmer des Protestes, der von der Gewerkschaft »Freie ArbeiterInnen Union« und der AG Antimilitarismus, einer Gruppe der Uni Kassel, organisiert wurde, blieben dabei: »Keine Statisten – keine Übungen – keine Kriege!« Auch in Bochum, Wuppertal, Wolfsburg und anderorts hat SST Statisten für die US-Army gesucht.

** Aus: Neues Deutschland, 16. Oktober 2009


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