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Nicht in unserem Namen

Friedensbewegung demonstriert in Berlin für die Beendigung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan - Presseschau

Für den 15. September hat die Friedensbewegung zusammen mit anderen sozialen Bewegungen zu einer bundesweiten Demonstration gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan aufgerufen. Als Resonanz auf eine Pressekonferenz des Demo-Bündnisses erschien am 12. September eine Reihe von Artikeln, von denen wir im Folgenden einige dokumentieren. Und zwar:



Friedensbewegung will Truppenabzug

Am Samstag soll in Berlin gegen Mandatsverlängerung in Afghanistan demonstriert werden

Von Christian Klemm *

Die hohe Zahl der zivilen Opfer ist für die Friedensbewegung Grund genug, den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu fordern. Eine Befriedung des Landes mit Waffengewalt sei nicht möglich. Die Anwesenheit fremder Truppen produziere nur weitere Widerstände in der Bevölkerung.

Während sich am gestrigen Dienstag die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon zum sechsten Mal jährten und der rund 3000 Opfer der Attentate gedacht wurde, lud die bundesdeutsche Friedensbewegung bewusst an diesem Termin zu einer Pressekonferenz, um ihrerseits auf die Folgen des 11. September aufmerksam zu machen.

Im Vordergrund stehen für die Friedensbewegung die vielen zivilen Opfer des »völkerrechtswidrigen Angriffskriegs« der NATO-Staaten auf den zentralasiatischen Staat. Die Friedensbewegung will diese humanitäre Katastrophe in Afghanistan ins öffentliche Bewusstsein rücken; am Samstag ist in Berlin eine Großdemonstration gegen die Verlängerung der drei Bundeswehrmandate geplant.

Schon von Oktober bis Dezember 2001, also in der ersten Phase des Krieges in Afghanistan, seien dort mehr Zivilisten getötet worden als bei den Anschlägen in den USA, erklärte Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag. Der Krieg werde von einem »zivilen Massensterben« begleitet, das alle im Land operierenden Staaten zu verantworten hätten, ergänzte Sabour Zamani, Leiter des afghanischen Kommunikations- und Kulturzentrums in Berlin. Ebenso sei die Anzahl der getöteten Zivilisten um ein Vielfaches höher als die Todesopfer unter den Taliban. Zamani klagte auch über eine »Vertreibung ganzer Bevölkerungsteile«. Bisher fünf Millionen afghanische Flüchtlinge sind nach Zamanis Angaben das traurige Resultat. Damit ist das erklärte Ziel der Operation – die Beseitigung der als fundamentalistisch eingestuften Taliban – nach Ansicht der Friedensbewegung längst gescheitert.

Strutynski übte harte Kritik an der Bundesregierung. Diese vertritt die Ansicht, die Mission müsse aufgrund der instabilen Lage vor Ort mit Waffengewalt abgesichert werden. Die Erfahrung zeige aber, so Strutynski, dass erfolgreiche zivile Aufbau- und Entwicklungshilfe nicht durch internationales Militär begleitet sein könne. Die Anwesenheit von fremden Soldaten produziere stets Widerstand von Seiten der Bevölkerung. Reiner Braun von der Vereinigung der Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA) sprach von einem »kolonialähnlichen Zustand« in Afghanistan und unterstrich, dies sei das größte Hindernis für jeglichen »Friedensprozess« im Land.

Die Hauptforderungen der Friedensbewegung sind daher ein Ende der deutschen Beteiligung an dem internationalen Antiterrorkampf »Operation Enduring Freedom« (OEF), der Abzug deutscher Truppen aus der internationalen »Schutztruppe« ISAF sowie die Beendigung der Aufklärungsflüge durch Tornado-Jets der Bundeswehr, die seit April dieses Jahres dort eingesetzt werden.

Neues Deutschland, 12. September 2007


Taliban stimmen Karsais Gesprächsangebot zu

Afghanistans Regierung verspricht freies Geleit

Von Willi Germund


In Afghanistan wächst die Aussicht auf Gespräche zwischen der Regierung von Präsident Hamid Karsai, seinen westlichen Verbündeten und den islamistischen Talibanmilizen. Die Gotteskrieger hatten sich am Montag (10. Sept.) nach einem erneuten Gesprächsangebot des afghanischen Staatschefs grundsätzlich zu Verhandlungen bereiterklärt. "Wir haben nur einige Bedingungen", erklärte ein Sprecher der Aufständischen. Gestern sicherte die Regierung in Kabul den Taliban im Falle von Gesprächen freies Geleit zu.

Laut Informationen der Berliner Zeitung gab es im vergangenen Monat sogar direkte Kontakte zwischen den USA und den Talibanmilizen. Vertreter des US-Geheimdienstes CIA trafen laut diplomatischen Kreisen in der pakistanischen Stadt Quetta in der zweiten Augusthälfte Repräsentanten der sogenannten Quetta-Shura, der Talibanführung um Mullah Omar. Hauptthema der Sondierungsgespräche: Washington beharrt nach wie vor auf der Trennung der Taliban von Osama bin Ladens El Kaida und anderen radikalen Gruppen.

Im Gegenzug soll die CIA-Delegation den Taliban eine Regierungsbeteiligung angeboten haben. Ob Mullah Omar bereit ist, dieses Tauschgeschäft zu diskutieren, bleibt abzuwarten. 2001 weigerte sich der Talibanführer zum Unmut vieler Gefolgsleute, Bin Laden und seine Leute aufzugeben. Die Talibanmilizen verloren in der Folge die Kontrolle über Kabul.

Trotz massiver Offensiven der ausländischen Truppen in Afghanistan gelang es den Talibanmilizen in den letzten Monaten, ihren Aktionsradius auszudehnen und zu drei Vierteln einen Gürtel um die Hauptstadt Kabul zu legen. Die schwarz-weiße Fahne der Gotteskrieger weht inzwischen landesweit über rund einem Dutzend afghanischer Distrikte. Die Talibanmilizen haben außerdem trotz hoher personeller Verluste keine Probleme, neue Kämpfer zu rekrutieren - und ihnen ein ordentliches Salär zu zahlen. "Die Brüder und Onkel der gefallenen Talibankämpfer sind bereit, sich dem Kampf anzuschließen", sagt der Experte einer Hilfsorganisation. Bis heute hat die Nato zudem keine genaue Vorstellung von der tatsächlichen Stärke der Talibanmilizen.

Demonstrationsaufruf für Berlin

In Deutschland rufen mehr als 170 Organisationen, Initiativen und Bewegungen zu einer bundesweiten Afghanistan-Demonstration für den 15. September in Berlin auf. Laut Vorbereitungskomitee für die Demonstration "Frieden für Afghanistan. Bundeswehr raus" soll sie um 12.00 Uhr vor dem Roten Rathaus beginnen und in der Straße des 17. Juni mit einer Abschlusskundgebung enden. Die Organisatoren wenden sich gegen eine Verlängerung der Bundeswehrmandate. "Wir verstehen uns als Repräsentanten und Vertreter einer Mehrheit der Bevölkerung", sagte Peter Strutynski vom Bundesweiten Friedensratschlag, "die dem Afghanistan-Einsatz kritisch und ablehnend gegenübersteht." (mit doe.)

Berliner Zeitung, 12. September 2007


Demo gegen Afghanistaneinsatz

Für Samstag ruft die Friedensbewegung zu einer Großkundgebung in Berlin auf. RednerInnen unter anderem Frauenrechtlerin Kelly Campbell und Oskar Lafontaine

BERLIN taz Über 170 Organisationen rufen zu einer Demonstration gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan auf. Die Polizei rechnet mit 15.000 Demonstranten, die unter dem Motto "Bundeswehr raus aus Afghanistan" am Samstag vom Alexanderplatz losmarschieren wollen. Ein Sonderzug aus dem Ruhrgebiet und Busse aus der ganzen Republik seien bereits geordert, sagte Mitorganisator Reiner Braun.

Auch Peter Strutyniski, Sprecher des bundesweiten Friedensratschlags, ist sich sicher, dass die Demonstration ein voller Erfolg wird: "Wir vertreten nicht nur die 170 Organisationen, die zur Demo aufrufen, sondern auch die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland, die gegen den Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan ist." Von den Bundestagsabgeordneten fordern die Organisationen einen Beschluss zum sofortigen Abzug der deutschen Soldaten. Die Bundeswehrmandate für die US-geführte "Operation Enduring Freedom", die Tornado-Überwachungsflüge, aber auch für den von einem UN-Beschluss gedeckten Einsatz dürften nicht mehr verlängert werden. Die Truppen würden zunehmend in die "Fußstapfen des Anti-Terrors-Krieges" treten, seien von der Zivilbevölkerung kaum noch von "Enduring Freedom" zu unterscheiden und hätten mit ihrem Auftrag des humanitären Schutzes nichts mehr zu tun, kritisierte Strutynski.

Die afghanische Frauenrechtlerin Malalai Dschoja, aus deren Rede bei dem Aufruf zitiert wurde, rief die USA und Europa auf, statt Soldaten zu entsenden, Gruppen und Einzelpersonen in Afghanistan zu unterstützen, die für Frauenbefreiung und Gerechtigkeit kämpfen. Diese Position unterstützt auch ein internationales Frauenbündnis, in dem Aktivistinnen aus Afghanistan, dem Iran, Deutschland und den USA vertreten sind. Es ist auf der Demonstration am Samstag gleich zweimal vertreten. So soll ein Theaterstück gegen die Kriegsbeteiligung aufgeführt werden. Auf der Abschlusskundgebung wird dann Kelly Campbell für das internationale Frauenbündnis sprechen. Die US-Bürgerin hat beim Anschlag auf das Pentagon am 11. September 2001 Angehörige verloren. Sie ist Mitbegründerin einer Initiative, die sich dagegen wandte, als Antwort andere Länder zu bombardieren. Als Redner sind unter anderen der Linkspartei-Chef, Oskar Lafontaine, und der Berliner Politologe Peter Grottian vorgesehen.
PETER NOWAK

taz, 12. September 2007


Raus aus Afghanistan

Von Jörn Boewe

Zu einer Großdemonstration gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan werden am Sonnabend in Berlin Tausende Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet erwartet. Wie die Veranstalter am Dienstag in Berlin mitteilten, stehen 30 Busse und ein Sonderzug zur Anreise zur Verfügung. Als Redner soll neben anderen Linksparteichef Oskar Lafontaine auftreten. Auch der Berliner Politologe und Sozialforumsaktivist Peter Grottian und die Parlamentarierin Heidi Kosche, Mitglied der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, haben sich angekündigt.

Die Demonstration wird von einem Aktionsbündis von mehr als 170 Organisationen und Initiativen veranstaltet und soll um zwölf Uhr vor dem Roten Rathaus beginnen. Angesichts dreier im Herbst anstehenden Bundestagsabstimmungen will die Friedensbewegung gegen eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes protestieren. Das Aktionsbündnis lehnt sowohl die Beteiligung an der »Operation Enduring Freedom« als auch das ISAF-Mandat und die Entsendung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen ab, erklärte Peter Strutynski vom Bundesausschuß Friedensratschlag. »Wir fühlen uns dabei als Repräsentanten einer Mehrheit in der Bevölkerung, die dem Afghanistan-Einsatz gegenüber sehr kritisch eingestellt ist.«

Die Abstimmungen »können sehr spannend werden«, so Strutynski: Nicht nur, daß die Linksfraktion »vermutlich geschlossen« dagegen votieren werde, auch bei Grünen und SPD rechne man mit einer wachsenden Zahl von Gegenstimmen. Strutynski erinnerte daran, daß im März fast die Hälfte der Grünen- und nahezu ein Drittel der SPD-Fraktion der »Tornado«-Entsendung nicht zugestimmt hatte. Dieser Trend werde sich verstärken. Allerdings müsse die Friedensbewegung einen langen Atem behalten, die Regierung werde ihre Mehrheit bekommen. »Ich erwarte, daß das auch diesmal über die Bühne gehen wird«, so Strutynski.

Gleichzeitig verstärkte die politisch-militärische Führung ihre propagandistischen Bemühungen zur Imageverbesserung. Die NATO habe Konsequenzen aus der hohen Zahl ziviler Opfer in Afghanistan gezogen, berichtete die Sächsische Zeitung am Dienstag unter Berufung auf Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Demzufolge habe Jung habe am Montag auf einer Klausurtagung der Unionsfraktion im Bundestag erklärt, in einer »Weisung« an die internationale Afghanistan-Truppen sei festgelegt, die Soldaten müßten nun »alles in ihren Kräften Stehende tun, zivile Opfer zu vermeiden«. Dem Blatt zufolge bezog sich Jung dabei auf eine als geheim eingestufte Direktive für die NATO-geführten ISAF-Truppen und die US-geführte Antiterroroperation OEF. Danach müsse bei der Anforderung von Luftschlägen zur Unterstützung von Bodentruppen (»close air support«) sichergestellt sein, daß zivile Opfer vermieden werden, gegebenenfalls sollten Angriffe auf Stellungen der Taliban sogar verschoben werden. Die Direktive gilt nach Informationen der Zeitung bereits seit Ende Juni. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen, so die Sächsische Zeitung, habe sich die Situation seit ihrem Inkrafttreten »spürbar verbessert«.

Die 76 Zivilisten, die bei einem US-Bombardement am 2. August in der südafghanischen Provinz Helmand ums Leben kamen, haben davon jedoch nicht mehr viel gemerkt. In den vergangenen Monaten hatte es bei Luftschlägen durch ISAF oder OEF gegen Aufständische immer wieder zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung gegeben.

junge Welt, 12. September 2007

Bundesweite Demonstration in Berlin gegen Afghanistan-Einsatz

Mehr als 170 Organisationen fordern sofortigen Abzug der Bundeswehr

Berlin (epd). Mehr als 170 Organisationen und Initiativen haben für den 15. September in Berlin zu einer bundesweiten Demonstration gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan aufgerufen. Sechs Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA sei die Bilanz des Krieges gegen den Terror verheerend, sagte Peter Strutynski vom bundesweiten Friedensratschlag am 11. September in der Bundeshauptstadt. Zu der Demonstration sind laut Polizei 15.000 Teilnehmer angemeldet worden.

Allein die ersten drei Monate des Krieges gegen die Taliban zwischen Oktober und Dezember 2001 hätten mehr zivile Opfer gefordert als beim Einsturz der Zwillingstürme in New York ums Leben gekommen seien, sagte Strutynski. Heute sei Afghanistan von demokratischen Verhältnissen weit entfernt, heißt es in dem Aufruf. In den meisten Regionen herrschten sogenannte Warlords und Drogenbarone. Gewalt, Terror und Drogenhandel beherrschten den Alltag, die Zivilbevölkerung sei immer häufiger Zielscheibe von Militäraktionen. (...)

Die Demonstration beginnt den Angaben zufolge am 15. September um 12 Uhr am Alexanderplatz und soll über die Straße Unter den Linden zur Straße des 17. Juni führen. Als Redner sind unter anderen der Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, und der Berliner Politologe Peter Grottian vorgesehen. Internet: www.afghanistandemo.de (4829/11.09.2007)

Quelle: Evangelischer Pressedienst;
< href="http://www.epd.de/ost/ost_index_51815.html">www.epd.de




Nicht in meinem Namen

Von Peter Nowak

Eine große Mehrheit der Bundesbürger ist für einen Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan, doch sie geht deswegen nicht auf die Straße Unter dem Motto Bundeswehr raus aus Afghanistan rufen Gruppen der Friedensbewegung am kommenden Samstag zu einer bundesweiten Demonstration nach Berlin. Ein Sonderzug aus dem Ruhrgebiet und zahlreiche Busse aus der ganzen Republik seien geordert, meinte Mitorganisator Reiner Braun auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin. Auf konkrete Prognosen über Teilnehmerzahlen wollten sich allerdings weder er noch seine Mitstreiter festlegen lassen.

Der Sprecher des bundesweiten Friedensratschlages, Peter Strutynski, gab sich selbstbewusst: "Wir vertreten nicht nur die 170 Organisationen, die zur Demo aufrufen, sondern auch die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland, die gegen den Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan ist." Doch zumindest ein Großteil der grünen Einsatzgegner wird an diesen Tag in Göttingen sein, wo die Partei auf einem Sonderparteitag über ihre Haltung zum Afghanistaneinsatz debattieren wird.

Doch sind nicht die einzigen, die in Berlin am Samstag nicht auf der Straße sein werden. Dass eine Mehrheit der Bundesbürger den Einsatz in Afghanistan-Einsatz kritisch gegenüber steht, hat sich nämlich längst auch bei allen politischen Parteien niedergeschlagen. Am einfachsten hat es die Linkspartei, die sich wahrscheinlich geschlossen gegen jeden der drei Einsätze in Afghanistan aussprechen wird. Das Repertoire ihrer Argumente ist breit. So formuliert die Slogans der Friedensbewegung, dass Kriege keine Lösung sind, in verschiedenen Variationen. Allerdings will sie auch konservativen Gegnern des Afghanistan-Einsatzes entgegen kommen, wenn sie daran erinnert, dass Deutschland erst durch ihr Engagement im Rahmen der Nato ins Visier von Islamisten geraten ist. Das liest man auch in den verschiedenen Publikationen von Gruppen rechts von der Union.

Deutsch-afghanische Beziehungen

Von den Republikanern über die DVU bis zu den verschiedenen Freien Kameradschaften wird davor gewarnt, für den Nato-Einsatz die guten Beziehungen zu Afghanistan aufs Spiel zu setzen. Hintergrund dieser Propaganda sind die wenig bekannten afghanisch-deutschen Beziehungen, vor allem in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. So gab es damals schon deutsche Sondereinsatzkommandos in Afghanistan. Einige NS-Theoretiker begründeten die afghanisch-deutsche Zusammenarbeit mit dem Konstrukt einer gemeinsamen Sprachgemeinschaft. Der Hauptgrund war aber geostrategischer Natur. Man wollte den Briten in ihren Kolonialgebieten Probleme bereiten und suchte unter den Gegnern der britischen Kolonialpolitik in Indien nach Bündnispartnern. Ein Mitglied des deutschen Sondereinsatzkommandos starb in Afghanistan eines natürlichen Todes. Sein Grab in Kabul wird von den zur Zeit in Afghanistan stationierten Soldaten gepflegt.

Auf diese deutsch-afghanischen Kontakte beziehen sich die verschiedenen rechten Gruppen. Sie lehnen den Einsatz unter Nato-Oberbefehl auch mit dem Argument ab, dass dadurch die alten Beziehungen gefährdet werden. Von der Friedensbewegung werden bis auf Ausnahmen diese alten Kontakte genau so wenig thematisiert und problematisiert, wie von den Befürwortern der unterschiedlichen Einsätze.

Die Grünen streiten sich wieder einmal darum, ob und wie viel Militär sie akzeptieren müssen, um humanitäre Einsätze abzusichern. Bis zum Sonderparteitag am Sonntag könnte es da noch interessante innerparteiliche Konstellationen geben. So gehört die langjährige Realpolitikerin Antje Vollmer jetzt zu den Gegnern jedes Einsatzes.

Kein Plan B

Ein Schwachpunkt in der Argumentation der Befürworter eines raschen Truppenabzugs aus Afghanistan wurde auf der Pressekonferenz deutlich. Auf Nachfragen über eine mögliche Entwicklung Afghanistans nach einem Abzug sämtlicher ausländischer Truppen blieb man vage. "Wenn mit den Truppen auch alle Drogen- und Waffenhändler das Land verlassen würden, könnte es Frieden geben", ist sich Sabour Zamani, der Leiter des Afghanischen Kommunikations- und Kulturzentrums in Berlin, sicher.

Strutynski versuchte seine Ratlosigkeit bei der Frage nach den Perspektiven gar nicht erst zu verdecken. "Wir haben keinen Plan B, weil wir nicht für den Plan A, die Entsendung der Truppen, verantwortlich sind", wehrte Strutynski Nachfragen nach alternativen Entwicklungsmodellen für Afghanistan ab. Doch als sähe er dieses glaubwürdige Bekunden, eben nicht alle Probleme dieser Welt lösen zu können, als Makel, erging sich Strutynski in Bemerkungen über "den stolzen Afghanen", der sich historisch schon gegen viele Besetzungen erfolgreich zur Wehr gesetzt habe.

Konkreter war die auf der Pressekonferenz nicht anwesende afghanische Abgeordnete Malalai Dschoja, deren Rede Jutta Kausch vom Berliner Demobündnis zitierte. Die nicht nur von den Taliban, sondern auch von mit der Regierung Karsai verbündeten Islamisten bedrohte Parlamentsabgeordnete rief dazu auf, statt Soldaten zu entsenden, Gruppen und Einzelpersonen in Afghanistan zu unterstützen, die für Frauenbefreiung und Gerechtigkeit kämpfen. Diese Position unterstützt auch ein internationales Frauenbündnis, in dem Aktivistinnen aus Afghanistan, dem Iran, Deutschland und den USA vertreten sind.

Auf der Abschlusskundgebung der Demonstration wird die US-Bürgerin Kelly Campbell für das Frauenbündnis sprechen. Sie hatte Angehörige beim Anschlag auf das Pentagon am 11.9.2001 verloren und ist Mitbegründerin einer Initiative, die sich dagegen wandte, als Antwort andere Länder zu bombardieren.

Neue Diskussion im nächsten Jahr

Die Demoorganisationen geben sich bei ihren Zielen bescheiden. Rainer Braun von IALANA würde es schon als einen Erfolg ansehen, wenn bei der Abstimmung im Bundestag die Zahl der Einsatzgegner höher als bei der letzten Entscheidung wäre. Das könnte realistisch sein. Es spricht tatsächlich einiges dafür, dass das Thema Afghanistan im nächsten Jahr einen höheren Stellenwert bekommen wird.

Wenn die mit schlechten Umfrageergebnissen geschlagene SPD ein Jahr vor den nächsten Bundestagswahlen erkennt, dass das Afghanistan-Engagement unpopulär ist und dass es sich wahltaktisch auszahlt, dazu auf Distanz zu gehen, könnten die Argumente der Einsatzgegner mehr Gehör finden. Schließlich hat Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der mit dieser Taktik 2002 noch einmal eine Wahl gewonnen hat, schon einmal erklärt, dass er mittlerweile dem Engagement in Afghanistan sehr skeptisch gegenübersteht. Er soll auf dem entscheidenden Parteitag der SPD im November eine Rede halten.

Aus: telepolis, 12. September 2007;
www.heise.de/tp





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