Massaker von Kunduz bleibt ungesühnt
Friedensbewegung will Initiative ergreifen
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Kassel, 20. August 2010 - Zur Einstellung des Disziplinarverfahrens der
Bundeswehr gegen den für das Kunduz-Massaker vom 4. September 2009
verantwortlichen Oberst Klein stellt ein Sprecher des Bundesausschusses
Friedensratschlag fest:
Nachdem bereits im April d.J. die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen
Oberst Klein abgelehnt hatte, war vom internen Disziplinarverfahren in
derselben Angelegenheit auch nichts anderes zu erwarten. Der Freispruch
erster Klasse ist indessen so verlogen wie der ganze Krieg.
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Noch vor einem Jahr ließ die Bundesregierung das Wort vom "Krieg" im
Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz nicht gelten. In diese Zeit
fiel das Massaker von Kunduz, bei dem bis zu 142 Afghanen getötet oder
verletzt wurden - die übergroße Mehrheit von ihnen Zivilpersonen,
darunter zahlreiche Kinder. Wenn es kein "Krieg" war, dann hätte die Tat nach dem Strafgesetzbuch juristisch verfolgt werden müssen.
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Die Bundesanwaltschaft hat zumindest die Lebenslüge vom "Nicht-Krieg"
revidiert und ging in der Einstellungsbegründung davon aus, dass es sich
in Afghanistan um einen "nicht internationalen bewaffneten Konflikt"
handelt. Das ist nur eine Umschreibung des Begriffs "Krieg". In solchen
bewaffneten Konflikten gelten die Regeln des Kriegsvölkerrechts (Haager
Landkriegsordnung, Genfer Konventionen einschließlich der
Zusatzprotokolle). Auch nach diesem Recht hätte das Kunduz-Massaker
genauer untersucht werden müssen, denn gezielte Angriffe auf
Zivilpersonen oder die unzulässige Inkaufnahme von Ziviltoten bei
Angriffen auf militärische Ziele sind auch nach dem Kriegsrecht verboten
und müssen geahndet werden.
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Die Feststellung der Bundeswehr, die Vorermittlungen im Fall Kunduz
hätten "keine Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen" erkennen lassen, ist
empörend. Die Bundeswehr tut so, als sei im Krieg alles erlaubt, als
könnten sich Soldaten in bewaffneten Einsätzen gegen alle Regeln des
Kriegsvölkerrechts hinweg setzen. Die Menschen in Afghanistan wissen
nun: Alle Beteuerungen der NATO, mit ihrer "neuen Afghanistan-Strategie"
das Ziel zu verfolgen, die Zivilbevölkerung besser zu schützen, sind
Heuchelei und Propaganda.
Die Friedensbewegung wird anlässlich des Jahrestags des Kunduz-Massakers
am 4. September mit Mahnwachen und anderen öffentlichen Aktivitäten
gegen den Krieg protestieren. Im Einklang mit - je nach Umfragen - 70
bis 80 Prozent der Bevölkerung fordert die Friedensbewegung ein Ende der
Kampfhandlungen und den sofortigen Beginn des Abzugs der Truppen aus
Afghanistan. Ein entsprechender Appell der Friedensbewegung ("Den Krieg
in Afghanistan beenden - zivil helfen") findet derzeit großen Anklang.
Viele tausend Menschen haben den Appell bereits unterschrieben.
http://www.ag-friedensforschung.de/bewegung/afgh/appell2010.pdf
Für kommenden Sonntag lädt der Bundesausschuss Friedensratschlag zu
einer eintägigen Afghanistan-Konferenz nach Kassel ein.
Diskussions-Themen werden sein:
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Rohstoffinteressen und geopolitische Ambitionen in und um Afghanistan,
Pakistan und den "weiteren Nahen und Mittleren Osten";
- Probleme der humanitären Hilfe unter Kriegsbedingungen;
- Zu den Mobilisierungschancen der Friedensbewegung.
Die Konferenz beginnt am Sonntag, den 22. August, um 11.30 und soll bis
17.30 beendet sein. Ort: Café Buch-Oase in Kassel, Germaniastr. 14.
Weitere Hinweise hier:
www.ag-friedensforschung.de
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
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Kriegschronik
Die Ereignisse in Afghanistan im August 2010 - Tag für Tag
IPPNW nennt "gezieltes Töten" in Afghanistan Mord
IPPNW-Presseinfo vom 6. August 2010
IPPNW-Deutschland wendet sich entschieden gegen die durch Bundesaußenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle erfolgte Rechtfertigung des "gezielten Tötens" von Aufständischen durch die US- und ISAF-Truppen in Afghanistan.
"Als Arzt, aber auch als Bürger messe ich unsere und andere Gesellschaften daran, wie sie menschliches Leben achten und schützen", so Christoph Krämer, IPPNW-Vorstandsmitglied. "Ohne rechtstaatliches Verfahren ein Todesurteil über einen Menschen zu verhängen und zu vollstrecken ist Mord! Noch dazu in einer Situation, in der weiterhin bestritten wird, dass wir dort Krieg führen. Deutschland darf eine solche empörende Politik nicht mittragen und muss auf andere Staaten einwirken, dies zu unterlassen."
Für die Beendigung des Krieges in Afghanistan ist aus Sicht der Ärzteorganisation die Anerkennung des inzwischen fast neun-jährigen Feldzuges als Krieg notwendig sowie ein sofortiger Waffenstillstand, außerdem die Aufnahme von Friedensverhandlungen mit den Aufständischen. Die IPPNW fordert den vollständigen Truppenabzug, verbunden mit einem klaren und kurzfristigen Zeitplan. Zudem muss Afghanistan umfassende Reparationen für die angerichteten Kriegsschäden erhalten.
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