Gegen die "Doppelzüngigkeit jenseits von Ethik und Moral"
Ostermarschreden von Christine Hoffmann (pax christi) und Andreas Huhn (IG Metall)
In der Reihe unserer Ostermarsch-Berichterstattung und -dokumentation veröffentlichen wir an dieser Stelle zwei Reden, die beim Ostermarsch in Kassel am 25. April 2011 gehalten wurden, und zwar von
Europa: "Grenzen zu für Waffen! Und Grenzen auf für Menschen!"
Rede von Christine Hoffmann, pax christi-Generalsekretärin
Wir stehen vor dem Rathaus in Kassel, weil unsere zu viele der Volksvertreter in Berlin Militäreinsätze für einen gangbaren Weg zum Frieden halten. Es gibt aber keinen gerechten Krieg. Nicht in Afghanistan und nicht in Libyen. Der Weg zum Frieden besteht im Ringen um eine Politik der Gerechtigkeit, im Kampf gegen Hunger und Not, im Miteinander der Völker und im Verzicht auf unbeherrschbare Technik wie die Atomkraft. Darum stehen wir hier. Unsere Botschaft ist: „Raus mit den Truppen aus Afghanistan, Schluss mit der Vertretung des Westens durch die NATO und hin zu einer Welt ohne Atomkraftwerke und Atomwaffen und raus mit der Bundeswehr aus der Schule.“
Wir stehen hier und sind doppelt so viele wie letztes Jahr und nicht nur hier stehen wir Ostermärsche sind dieses Wochenende an 80 Stellen der Republik. Die Friedensbewegung hat auch eien Erfolgsgeschichte. Andreas Buro beschreibt die so: „Die Friedensbewegung hat es geschafft, in einer Gesellschaft, die über Jahrhunderte militärisch sozialisiert worden ist, Verständnis für pazifistische Politik zu wecken, so dass heute Zweidrittel der Deutschen zum Afghanistan-Einsatz sagen: “Nein, wir wollen diesen Krieg nicht.“ Diesen Erfolg dürfen wir feiern. Auch ein Erfolg ist es in einem breiten Bündnis über Unterschiede hinweg hier Jahr für Jahr zusammen zu stehen. Das ist Stärke, das ist Erfolg.
Wir stehen hier voll Begeisterung für den Mut der Tunesier/innen und Ägypter/innen, die mit der Kraft der Entschlossenheit und der massenhaften Kooperation auf den Demonstrationen Diktatoren gestürzt haben. Wir trauern mit den Familien und Freunden von 850 Menschen, die beim Angriff von Mubaraks Söldnern auf die Demonstrationen auf dem Tahirplatz Ende Januar erschossen wurden.
Die Jugend in der arabischen Welt fordert die Zukunft ein und mit ihren gewaltfreien, politischen Umstürzen haben sie die Welt verändert. Der Kumpanei Europas mit ihren Unterdrückern halten sie den Spiegel vor. Eine Fratze schaut heraus: die Fratze des Verrats an der Mitmenschlichkeit durch die europäische Flüchtlingspolitik. Skrupellos hat Europa Gaddafi zum Garanten der Abschottung gegen Flüchtlinge vom afrikanischen Kontinent gemacht. Skrupellos hat Europa, haben deutsche, französische, englische und spanische Firmen die Diktaturen aufgerüstet. Waffen geliefert, mit denen die Diktatoren jetzt auf ihre Bevölkerung schießen. Denselben Diktatoren denen unsere Regierenden bis vor kurzem die Hände geschüttelt und auf die Schultern geklopft haben. Wir fordern: Europa besinn dich auf deine Wurzeln: auf Mitmenschlichkeit und Menschenrechte.
Europas Grenzen müssen dicht sein, ja, aber von innen: Grenzen zu für Waffen. Und Grenzen auf für Menschen, die nicht mehr wollen als so gut leben wie wir.
Da hilft kein Frontex und kein Innenminister, der die Flüchtlingsnot auf Lampedusa zum italienischen Problem erklärt. Die Abschottungspraxis an den europäischen Außengrenzen ist Menschenrechtsverletzung. „Und auch die Abschiebung derjenigen, die aufgrund der Gesetze keinen Anspruch auf Aufenthalt in Europa haben, muss humanitären Standards entsprechen.“ Gerade habe ich aus einem gemeinsamen Communiqué afrikanischer und deutscher Bischöfe zitiert. Das ist Kirche, die sich auf ihre Rolle in der Gesellschaft besinnt, „den Schutz der schwächsten und verletzlichsten Mitglieder der Menschheitsfamilie“.
Mehr als eine halbe Million Menschen hat der Libyen-Krieg bereits zu Flüchtlingen gemacht. Diese Zahl stammt vom UN Generalsekretär Ban Ki Moon. Diese Zahl ist die realistische Seite von der Mär vom Schutz der Zivilbevölkerung durch die Flugverbotszone über Libyen. Über 1.500 Raketen hat die NATO abgeworfen auf Libyen in den ersten Tagen ihres neuen Krieges. Die NATO führt noch einen Krieg und Deutschland ist nicht dabei – ja da könnt ich mich doch freuen. Wenn ich nicht anhören müsste, wie sich in Berlin die Parteien darum streiten, welche nun am meisten doch dafür gewesen wäre. Da bleibt mir schon der Ansatz zur Freude im Halse stecken.
Ein Trauerspiel war das am 18. März im Deutschen Bundestag, als Westerwelle die deutsche Enthaltung im Sicherheitsrat bei der Resolution zur Errichtung einer Flugverbotszone über Libyen erklärte – nein de facto war es Realsatire. Eine Oppositionskoalition aus Grünen und SPD wirft der Schwarz-Gelben Regierungskoalition vor, dass sie sich nicht an einem Militäreinsatz beteiligt. Die versammelten bürgerlichen Demokraten überlassen es der Linkspartei diesen Kriegseinsatz für falsch zu erklären und werfen ihr das auch noch vor. Diese Volksvertreter hätten sich an dem Tag besser die Füße vertreten; uns haben sie jedenfalls nicht vertreten.
Außenminister Westerwelle begründete dem Deutschen Bundestag seine Enthaltung und beteuert zugleich, er – und natürlich auch die Kanzlerin - stehe aber hinter den Zielen der Resolution 1973. Dieser Außenminister macht sich selbst zum Problem. Und ich musste schon wieder auf einen Grund zum Freuen verzichten. Im Deutschlandfunk wurde General Naumann zum UN-Mandat zu Libyen interviewt, den Amerikanern hatte der Reporter Heinemann schon vorgeworfen, man habe sie zum Jagen tragen müssen – auch wenn ich mitten im Satz abschweife – es ist erschreckend, von wie vielen in den deutschen ein Militäreinsatz positiv konnotiert wird. Haben all diese Journalisten eigentlich keine Eltern und Großeltern, die ihnen aus eigenem Erleben berichtet haben, dass Luftangriffe Krieg bedeuten? - Nun wieder zu General Naumann, ich hörte die Worte „Bei uns ist die Situation doch die, dass unser Außenminister unter Militär entweder Abrüstung, Abzug oder Abbau versteht. Was anderes scheint in seiner Denkwelt nicht vorzukommen.“ Ja, was ist denn das für ein Vorwurf? Genau so einen Außenminister braucht Deutschland – nur müsste er konsequent diese Linie durch halten und nicht gleichzeitig von der Bereitschaft zur militärischen Unterstützung eines humanitären Korridors in Libyen schwafeln. Und nicht in einem Atemzug keine Soldaten nach Libyen, dafür aber zur ausgleichenden Unterstützung der NATO an anderer Stelle Awacs nach Afghanistan schicken. Herr Außenminister kommen Sie mir nicht mit einem neuen Ablass handel – den haben wir vor Jahrhunderten abgeschafft.
Die Enthaltung der Bundesregierung in New York bei gleichzeitiger Unterstützung der Ziele der Resolution sind nicht anderes als Kriegsunterstützung bei gleichzeitigem Versuch Wahlen nicht zu verlieren – ein gescheiterter Versuch wie Baden-Württemberg bewies. Doppelzüngigkeit jenseits von Ethik und Moral ist das. So jedenfalls nennt es der pax christi Präsident Heinz Josef Algermissen, der Bischof von Fulda. Die EU hat mit dem libyschen Regime in Flüchtlingsfragen lange kooperiert, weil der Diktator in Tripolis Europa das Flüchtlingselend vom Hals gehalten hat. Nicht zuletzt der Ölreichtum des Landes ist wohl ein Grund dafür, dass man Gaddafi so lange „alles erlaubt“ habe. Dass der Diktator sein Volk mit den Waffen, die ihm die Länder vorher geliefert haben, die ihn jetzt bombardierten, bekämpfe, sei mehr als bitter, so Bischof Algermissen auf der Paderborner pax christi-Versammlung.
Das ist das Problem der Schwarz-Gelb-Rot -Grünen Menschenrechtsrhetorik, die es für Schutz der Zivilbevölkerung halten, wenn in Libyen aus der Luft Raketen abgeworfen werden? Menschenrechte müssten geschützt werden. Ja bitte – aber doch nicht so! Auf das Prinzip der Schutzverantwortung, Responsibility to Protect berufen sie sich. Dahin soll die Weiterentwicklung des Völkerrechts gehen.
Tatsächlich hat die UN-Resolution 1973 eine neue Dimension eingeleitet. Entgegen dem Gewaltverbot, das in Artikel 2 Ziffer 3 der UN-Charta Normiert wird und gegen Geist und Wort von Artikel 2 Ziffer 1, die das Verhältnis von Staaten durch den Grundsatz souveräner Gleichheit bestimmen, wurde ein ausgesprochen umfassendes Mandat zum Eingreifen in einen innerstaatlichen Konflikt beschlossen. Die Vereinten Nationen machen sich mit dieser Resolution zur Partei in einem Bürgerkrieg. Juristen der IALANA haben darauf hingewiesen, dass bisher weder das Völkerrecht noch das Völkergewohnheitsrecht eine Basis für das jetztige militärische Vorgehen gegen Libyen hergeben. Wir müssen davon ausgehen, dass sowohl die Rebellen als auch Gadafis Truppen sich nicht in Rücksicht auf zivile Opfer üben und insofern gegen das humanitäre Völkerrecht, das Kriegsrecht verstoßen. Ein Völkermord wiederum wie in Ruanda ist nicht gegeben. Insofern beschreitet der Sicherheitsrat mit der Libyen Resolution Neuland, „dieser Schritt ist von den geltenden völkerrechtlichen Regeln nicht gedeckt“ . Der UN-Sicherheitsrat macht sich im Wortsinn zum Unsicherheitsrat, wenn das Völkerrecht nicht erst in der Dynamik eines Krieges unter die Räder gerät, sondern gleich bei der Erteilung des Mandates ausgehebelt wird. So wird das UN-Mandat entwertet.
Völlig unbeleckt von der Bedeutung, die es hat, wenn die grundlegenden Errungenschaften der Charta der Vereinten Nationen, die geschrieben wurde unter dem Eindruck der verheerenden Wirkung des zweiten Weltkrieges, scheint sich in den meisten Fraktionen im Deutschen Bundestag der Glaube durch zu setzen, Militär, wenn es nur schnell genug handelt könne Frieden bringen. Frau Kanzlerin, Herr Außenminister, liebe SPD und liebe Grüne: Das ist der reine Irrglaube. Das lasst euch von einer Katholikin gesagt sein.
Afghanistan
Diesem Irrglauben ist auch die deutsche Afghanistanpolitik erlegen. Obwohl das Militär dort längst gescheitert ist, hält sich unbeirrbar der Wahn, „militärisches Durchhalten könne das Land mit der Zeit soweit stabilisieren, dass die alliierten Truppen dann abgezogen werden können. Um im Interesse der afghanischen Bevölkerung Sicherheit zu gewährleisten, sind nicht Kämpfe, sondern das Ende aller Kampfhandlungen notwendig.“
Im zehnten Jahr kämpft die Bundeswehr jetzt in diesem Land. Jeder weitere Kampftag bringt nur mehr Tote und zerstört mehr und mehr die Lebensgrundlagen Afghanistans. „Die geplante Fortsetzung der Kämpfe nichts anderes als sehenden Auges für die Jahre 2011 – 2014 weitere Todesopfer einzukalkulieren. Den vorsichtigen Opferangaben der UN-Hilfsmission Afghanistan zu Folge wären das jährlich 2.500 Menschen.“
Tote um der Gesichtswahrung des Westens willen. Waffenstillstand wird gebraucht in Afghanistan, das sofortige Ende aller Kämpfe und Verhandlungen. Wer stattdessen den Gegner gezielt mit Drohnen tötet kann keinen Frieden erreichen. Wir lehnen den Einsatz von Drohnen ab- in Afghanistan genauso wie in Libyen.
Das Land am Hindukusch ist auf Platz 2 der ärmsten Länder der Welt. „Die Details sind niederschmetternd: Die Lebenserwartung der Afghanen liegt bei 43 Jahren, zwei Drittel der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze und müssen mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen. 50 Prozent sind chronisch unterernährt...“ Gestiegen genauso Korruption, Opiumanbau und Drogenhandel.
Die humanitäre Hilfe zum Beispiel hat sich mehrfach in klarster Klarheit von der zivilmilitärischen Zusammenarbeit distanziert. Die Mär von der Notwendigen Präsenz von Militär um den Schutz des zivilen Aufbaus zu gewährleisten wird zwar von der Politik gebetsmühlenartig wiederholt, wird damit aber kein Stück wahrer: Oliver Müller, der Leiter von Caritas International hört immer wieder die Frage, ob denn angesichts der prekären Sicherheitslage in Afghanistan überhaupt humanitäre Hilfsorganisationen noch arbeiten könnten. Er hält das für eine verständliche Frage, die aber in die Irre führt. „Denn schon die Grundannahme, dass Soldaten Entwicklungshelfer und deren Arbeit schützen könnten, ist falsch. Ebenso unzutreffend ist auch die Behauptung, dass ohne militärischen Schutz ein Arbeiten der zivilen Hilfsorganisationen (NGO) nicht möglich sei. Viele Projekte
deutscher NGO zeigen, dass es auch in Afghanistan noch "humanitäre Räume" gibt, die ein Arbeiten für Hilfsorganisationen zulassen. Das zeigen die Hilfsprojekte von Caritas international im Hazarajat, genauer in der Provinz Daikundi, wo es bislang keine regulären ISAFTruppen gibt.“
Deshalb ist unsere Forderung die dem sofortigen Beginn des Abzugs aus Afghanistan. Deshalb stehen wir hier. Deshalb werden wir auch Anfang Dezember in Bonn stehen, wenn die Internationale Petersberg II – Konferenz wieder das Konzept der vernetzter Sicherheit hoch halten will.
Nahost: Ungeteilte Solidarität für einen gerechten Frieden
Am Aufruf zu diesem Ostermarsch wurde kritisiert, er schlage sich im Israel-Palästina-Konflikt einseitig auf die Seite der Palästinenser.
pax christi hat vor Jahren die Position der „Doppelten Solidarität“ formuliert, mit der die gleichgewichtige Berücksichtigung der Rechte des israelischen wie des palästinensischen Volkes eingefordert wurde. Mit der Verschärfung der Lage im Nahen Osten sehen wir die Notwendigkeit einer Aktualisierung der Position der Doppelten Solidarität. Es bedarf einer entschiedeneren Sprache, wo angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen Parteinahme erforderlich ist. Verletzung von Völkerrecht und Menschenrechten auf beiden Seiten und die Besatzung schweigend hinzunehmen, kann zu Komplizenschaft mit Unrecht und Gewalt führen.
Deshalb hat pax christi seine Position zur „Ungeteilten Solidarität für einen gerechten Frieden“ fort geschrieben. Es ist eine Solidarität mit den Menschen in Palästina und Israel, die in je unterschiedlicher Weise unter der Situation der Gewalt leiden und den Menschen, die sich in Friedens- und Menschenrechtsorganisationen für gewaltfreie Konfliktlösungen einsetzen.
Heute ist eine Situation der Gewalt eingetreten, die kaum Hoffnung auf einen gerechten Frieden verspricht. Es herrscht die Macht der Gewalt. Uns bleibt dieser die Macht des Rechts entgegen zu setzen.
Kriterien zur Beurteilung einer Politik, die dem Ziel eines gerechten Friedens dient, sind das Völkerrecht und die Menschenrechte. Von hier aus eröffnen sich Wege, aus der Sackgasse der Gewalt herauszukommen. Die andauernde israelische Besetzung des Westjordanlandes mit ihren täglichen Willkürmaßnahmen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und der Gefährdung von Leben und Gesundheit der Bewohner/innen, die aggressive Siedlungsbaupolitik sowie die Blockade des Gazastreifens stehen im Widerspruch zum Völkerrecht, weil sie Zivilist/innen zu Leidtragenden machen. Deshalb ist die Aufhebung der Besatzung und der Blockade unabdingbar für einen gerechten Frieden.
Ich sehe den Anteil militanter palästinensischer Gruppen an der jetzigen Situation und fordere von ihnen ein Ende der Gewalt. pax christi fordert von der Hamas die Anerkennung des Staates Israel und von Israel die Anerkennung des Staates Palästina.
Wir sehen das berechtigte Interesse des Staates Israel an der Sicherheit und Freiheit seiner Bürger/innen, und wir sehen ebenso das Recht auf Sicherheit und Freiheit der Palästinenser/innen.
Die internationale Staatengemeinschaft muss beide Seiten mit dem gleichen Maßstab beurteilen: Gleiches Recht auf Sicherheit, Selbstbestimmung, Freizügigkeit, gleiche Menschenwürde. Es darf keine doppelten Standards in der Bewertung der Situation in Israel/Palästina geben.
Atomwaffen abschaffen – Atomkraftwerke abschalten
Wir stehen hier auch in Solidarität mit den Menschen in Japan, die ihre Lieben durch Erdbeben und Tsunami verloren haben. Und wir fühlen mit denen, die in Fukoshima lebten und so viel verloren haben.
Das Ende des Atomzeitalters hat mit den Folgen des Tsunamis in Sendai begonnen. Und wir werden nicht locker lassen bis alle Atomkraftwerke abgeschaltet du alle Atomwaffen abgeschafft sind. Denn das ist klar: Atomwaffen und Atomenergie sind zwei Seiten einer Medaille. Wir wollen Frieden, deshalb fordern wir die Abschaffung der Atomwaffen und eine Energiewende hin zu erneuerbarer Energie und weg von der zentralistischen Herrschaft der Stromkonzerne hin zu lokaler Stromerzeugung.
Der Gau im japanischen Atomreaktor in Fukushima führt uns die furchtbare Zerstörungskraft selbst zivil genutzter Atomenergie vor Augen. Die Unbeherrschbarkeit der Atomenergie verursacht im Moment unermessliches menschliches Leid. Die Technologie, die man für Atomenergie braucht, ist auch die Basis für die Entwicklung von Atomwaffen. Deshalb ähnelt die Landschaft um Fukoshima der Lanschaft um Hiroshima. Duie Zerstörungskraft ist die gleiche. Die Herausforderung für Deutschland, deutliche Zeichen für eine Atomwaffenfreie Welt zu setzen, ist nur im Zusammendenken Überwindung von Atomenergie und Atomwaffen zu erreichen.
Es ist so: Wenn es die Infrastruktur für die zivile Nutzung der Atomenergie nicht gäbe, dann würde die militärische Nutzung gleich viel mehr kosten. Großbritannien und die USA, Russland, Frankreich und nicht zuletzt China sind große Befürworter der Atomenergie auch, weil sie nicht auf Dauer auf ihre Atomwaffen verzichten wollen!
Die weltweite Verbreitung der Atomkraft zu deren Motor sich der Nichtverbreitungsvertrag entwickelt hat, muss beendet werden. Das Aushandeln einer Atomwaffenkonvention bedeutet die konkrete Alternative zur völkerrechtlich verbindlichen Gestaltung der notwendigen Abschaffung der Atomwaffen.
Der Abzug der in Deutschland verbliebenen Atomwaffen, die in Büchel lagern steht jetzt an. Herr Außenminister, sie haben es doch selbst in den Koalitionsvertrag hinein gekämmpft. Bleiben Sie dran: starten Sie dazu bilaterale Verhandlungen mit den USA! Es geht um den Verzicht Deutschlands auf die nukleare Teilhabe und der europäischen Kooperation hin zu einer atomwaffenfreien Zone Europa. Denn wss wir brauchen ist eine andere Sicherheitsarchitektur. Solange die NATO – wie in ihrem neuen strategischen Konzept weiter auf atomare Abschreckung setzt, wird auch der Ausstieg aus der Atomenergie – zumindest nicht weltweit – gelingen. Uns bleibt gar nichts anderes als den Kampf gegen die Atomwaffen wieder lautstark zu führen. Denn die Bombe war der Anfang. Weil Staaten sich die Option auf Atomwaffen weiter erhalten wollen, bleibt für sie Atomkraft als Energiequelle attraktiv. Auch deshalb sind sie an einem Fortbestehen der Technologie und einen möglichst großen Gewinn der Industrie interessiert.
Raus mit den Atomraketen aus Büchel!
Auch das wäre ein großer Schritt hin zum Abschalten aller 18 deutschen Atomkraftwerke.
Bundeswehrreform
Der augenfälligste Teil der Bundeswehrreform ist die Aussetzung der Wehrpflicht. Welch Erfolg, dass dieser längst nicht mehr zu rechtfertigende Eingriff in die Grundrechte junger Männer ein Ende hat. Aber damit einher geht der Plan, die Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz weiter zu entwickeln. Doch aufgrund welcher Basis?
pax christi hat in einem Offenen Brief an den Verteidigungsminister festgestellt: Wir vermissen an der Bundeswehrreform eine schlüssige Klärung von Sinn und Zweck des Weiterbestands der Bundeswehr." Strukturkommission stellte im Oktober 2010 fest: „Durch den Wegfall einer massiven unmittelbaren militärischen Bedrohung kann die Wehrpflicht in der heutigen Form sicherheitspolitisch nicht mehr gerechtfertigt werden.“
Die Abschaffung bzw. Aussetzung der Wehrpflicht ist eine sachlogische, sicherheitspolitisch begründete Konsequenz aus dieser Erkenntnis. Aber gilt das nicht für mehr? Wer die Bundeswehr reformiert, muss die Erfahrungen mit den out of area Einsätzen evaluieren. Wer das tut muss die ernüchternden Erfahrungen in Afghanistan zur Kenntnis nehmen. Führte aber dies nicht zu einer grundsätzlichen Infragestellung der Bundeswehr? Diesen Fragen möge der neue Verteidigungsminister sich stellen.
Wir stehen hier, weil wir einen Traum haben: den Traum vom gewaltfreien Weg zum Frieden. Zu diesem Traum gehört auch eine Zukunft ohne NATO und in meinem Traum gibt es auch ein Deutschland ohne Armee: Nelson Mandela sprach vom Träumer, den nicht aufgibt – a dreamer who never gives up – wir halten fest an unserem Traum und wir bleiben dran.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!
Rede von Andreas Huhn, IG-Metall-Vertrauensmann, bei einem Zwischenhalt an der "Rampe"
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
wir stehen hier vor einem Mahnmal, das auf beeindruckende Weise den Zusammenhang zwischen beiden Teilen dieser Aussage herstellt.
Wir sehen einen Güterwaggon mit einer Holzrampe. Aus der Tür kommen schwarze Gestalten. Es sind eigentlich nur noch Hüllen, die von den Menschen übrig sind. Eine der Figuren hat die Arme gehoben: Hilfe suchend, flehend, angstvoll. Eine andere Figur wendet sich an eine Dritte und versucht Halt an ihr zu finden oder ihr Halt zu geben. Neben der Rampe liegen zwei aufgefaltete Mäntel. Dies Leben ist schon verloschen.
Die Rampe steht für viele Millionen Menschen, die rassisch, sozial und politisch von den nationalsozialistischen Machthabern verfolgt, unterdrückt und letztlich vernichtet wurden. Sie steht für die Todestransporte in die Vernichtungslager, in denen die Nazis das europäische Judentum auslöschen wollten.
Es ist ein Mahnmal und soll uns Lebende mahnen, nie wieder Zustände zuzulassen, die so etwas möglich machen:
Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg
Im Faschismus haben sich auf unseligste Weise Rassismus – die Idee, dass es höherwertige und niederwertige Menschen gibt – mit dem Imperialismus – der Idee der staatlichen und wirtschaftlichen Herrschaft über andere Völker – verbunden.
Der Krieg sollte das Mittel sein dieses System erst über Europa – und weil es vom Prinzip eine grenzenlose Idee ist – dann über die ganze Welt auszubreiten.
Dieser Versuch ist gescheitert – der Krieg hat seine Verursacher selbst gefressen. Der deutsche Faschismus hat diesen Krieg verloren – zum Glück für uns und für die Welt.
Vor einigen Wochen war ich in Dresden und habe zusammen mit vielen anderen Menschen gegen den Nazi-Aufmarsch demonstriert. Wahrscheinlich waren auch einige von Euch mit dabei. Als wir abends zu quer durch die Stadt zu unserm Bus zurückgegangen sind stießen wir auf eine versprengte Kleingruppe von Nazis, junge Leute wie die meisten der Nazis, die da in Dresden zum wiederholten Male mit ihrem Aufmarsch am Widerstand der Bevölkerung und der vielen anderen angereisten Demonstranten gescheitert waren. Es war keine gefährliche Situation, denn sie waren wenige und wir waren viele. Ich berichte das hier auch nur deshalb, weil einige Jung-Autonome aus unserer Gruppe die Nazis, ja man kann durchaus sagen – provozieren wollten mit dem Ruf:
„Ihr habt den Krieg verloren.“
Dabei hatte ich ein komisches Gefühl. Nicht nur deswegen, weil es schon ein wenig unsensibel ist, so etwas in einer Stadt zu rufen, in der es durch alliierte Luftangriffe im Februar 1945 zehntausende von Toten gegeben hatte – von denen nur die wenigsten Soldaten oder Nazis gewesen waren. Aber Autonome sind ja auch nicht unbedingt für ihre Sensibilität bekannt.
Ich hatte vor allen Dingen deshalb ein komischen Gefühl weil dieser Ruf zwar die Wahrheit sagt, aber nur die halbe Wahrheit.
Ja, die Nazis, die dort in Dresden vergeblich versuchten zu demonstrieren, haben den Krieg verloren, nicht persönlich, aber ihre ideologischen Großväter und Urgroßväter. In diese Tradition stellen sich die Nazis von heute ja selbst.
Aber sie haben ihn nicht alleine verloren, sondern in den Krieg und in die Niederlage haben sie viele andere mitgenommen, das deutsche Volk, um das ganz große Kollektiv zu beschreiben, sie haben meinen Vater mitgenommen, der als 18-jähriger noch kurz vor Kriegsende eingezogen wurde, sie haben meine Mutter mitgenommen, die als junges Mädchen in Essen ausgebombt wurde. Beide überlebten, sonst würde ich heute nicht hier stehen.
In dem Sinne haben wir alle, auch diese jungen Autonomen den Krieg verloren, weil auch unsere und ihre Vorfahren als Deutsche mit dabei waren: als Täter und als Opfer.
Aber sie und wir haben den Krieg auch gewonnen, weil wir als Anti-Faschisten gegen das System der Ausbeutung, der Unterdrückung und des Mordes sind, das die Faschisten in Deutschland errichtet hatten und über die ganze Welt ausbreiten wollten. Wir sind Sieger und Verlierer zugleich und unsere Heutige Aufgabe ist es zu verhindern nochmals in eine solche Situation zu kommen.
Faschismus führt zu Krieg, deshalb müssen diejenigen die gegen den Krieg sind auch und zuerst gegen die Faschisten sein.
Kann der erste Teil der Aussage:
„Nie wieder Faschismus“ nicht gehalten werden, kann auch der zweite Teil
„Nie wieder Krieg“ nicht gehalten werden. Das ist ein Dilemma, mehr noch:
Das ist eine Tragödie. Dann gibt es keine richtigen Antworten mehr, weil es nur noch falsche Fragen gibt.
Deshalb gibt es nur vorher die eine richtige Antwort:
„Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“
Daran erinnern mich die vielen Mahnmale an die Opfer des Faschismus, daran erinnert mich auch dieses Mahnmal.
Danke schön
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